Am Samstagabend hat Thomas Gottschalk zum letzten Mal den ZDF-Showklassiker "Wetten, dass..?" moderiert. Quotenmeter.de-Redakteur Gregor Elsbeck hat sich die Sendung angesehen und schreibt über Gottschalks letzte Minuten auf der ganz großen Show-Bühne.
"Ich zeige nochmal allen, wie es geht und dann seid ihr dran...!" rief Thomas Gottschalk seinem Noch-Vorgesetzten, dem ZDF-Intendanten Markus Schächter, im Warm-Up kurz vor Beginn seiner letzten «Wetten, dass..?»-Show zu. Es war das allererste Warm-Up zu einer Fernsehsendung, welches live im TV übertragen wurde. Danach folgte dann als würdiges Ende einer Farewell-Tour eine Art vornehme, rückblickende Abschiedsgala, die auf der Emotionsskala fast alle Gefühle von Spaß über Spannung und Lethargie bis hin zur Sentimentalität aufweisen konnte. Oder mit anderen Worten: Eine eigentlich ganz typische Folge des deutschen Fernsehklassikers, so wie der scheidende Showmaster es sich im Vorfeld gewünscht hatte.
Nichtsdestotrotz kam Gottschalk nicht um sentimentale Szenen rund um seine Verabschiedung bei «Wetten, dass..?» herum. So legte seine "Junior-Partnerin", wie er Michelle Hunziker immer gerne nannte, ihm in einem selbst erdachten Gedicht nahe, doch nicht aufzuhören. Auf dem Couchtisch stand eine große Torte mit den beiden Gastgebern der Show als auf dem Sofa sitzende Marzipanfiguren obendrauf. Sekt durfte zur Feier des Tages auch nicht fehlen und die prominenten Wettpaten überhäuften Gottschalk mit Geschenken. So brachte Dirk Nowitzki ein Trikot und eine Hose mit, die er ursprünglich in einem seiner Basketballspiele getragen hatte, Iris Berben wollte Thommy direkt mit Handschellen aus ihrer Krimiserie «Rosa Roth» an die Couch ketten, damit er der Sendung erhalten bleiben müsste, Sänger Meat Loaf reichte sein aktuelles Album herum und Karl Lagerfeld schenkte ihm einen Umschlag, der eine eigens von dem Modezaren angefertigte Zeichnung von Thommy enthielt.
Dies erinnerte schon etwas an die letzte Folge von «Der große Preis» mit Wim Thoelke, in der Lagerfeld dem Quizmaster ebenfalls ein selbst gezeichnetes Buch überreichte. Und dann war da noch der Abschiedskarton nach amerikanischer Tradition, in dem das Team von «Wetten, dass..?» seinem Papa auf ironische Art Dinge aus seinem Arbeitsalltag schenkte, die dieser nicht unbedingt gebraucht hätte: Beispielsweise einen fast leeren Ordner, in dem Gottschalk angeblich stets seine Vorbereitungspapiere auf die Gäste der Show abgeheftet hätte oder die fehlerhafte Sichtschutzbrille des legendären Buntstifte-Schummlers. Aber auch eine Videobotschaft von Wolfgang und Anneliese war enthalten, in der die beiden komödiantischen Volksmusikgrößen sich bei Thomas für 50 Jahre «Wetten, dass..?» bedankten und ihn als "so etwas wie den deutschen Wolfgang Lippert" bezeichneten.
Lippert selber war dann auch passenderweise einer der Überraschungsgäste zum Abschied. In Verbindung mit der Klassik-Wette eines Basketball-Golf-Duells, die original in einer seiner neun «Wetten, dass..?»-Folgen stattfand und nun die letzte Wette von Gottschalk war, begrüßte Letzterer seinen Kollegen in der ersten Reihe. Natürlich fragte er auch ihn, ob er sich denn vorstellen könne, die Show wieder zu übernehmen, doch Lippert war der Ansicht, dass Thomas doch einfach weitermachen solle und bemerkte überdies völlig richtig, dass in letzter Zeit viel zu viele TV-Gesichter als Gottschalk-Nachfolger gehandelt worden seien, die es gar nicht verdient hätten. Ob Günther Jauch der neue Kapitän des Unterhaltungsflaggschiffes wird, blieb während der Sendung offen. Thommy fragte seinen langjährigen Freund danach und dieser lud ihn daraufhin in seinen am Sonntagabend live stattfindenden RTL-Jahresrückblick ein, um mit ihm dort darüber zu sprechen und seine Entscheidung zu dieser Frage bekannt zu geben. Ob wirklich etwas Ernstes dahinter steckt oder es einfach nur Werbung zur Quotensteigerung für «Menschen, Bilder, Emotionen 2011» sein sollte, blieb unklar.
Weitere Überraschungsgäste waren altbekannte Wettkandidatengesichter, die ebenso wie Lippert in der ersten Reihe Platz genommen hatten. So gab es ein Wiedersehen mit den berühmt gewordenen Brustmuskelzuckern und dem blinden Jungen Achim Kustermann, den Gottschalk liebevoll interviewte und so noch einmal sein Können im richtigen Umgang mit Kandidaten zeigte. Der letzte Wettkönig des Showmasters sollte gleich ein ganzes Team von Turnern sein, welches auf einem einzigen, kleinen Tisch ineinander und übereinander gestellt in kurzer Zeit mit Saltos Platz gefunden hatte. Eine gefährliche Wette, wie sie nach dem Unfall von Samuel Koch eigentlich gar nicht mehr hätte stattfinden sollen, war als von Olli Dittrich moderierte Außenwette dabei: Ein Mountainbiker trat gegen einen Snowboarder auf einer österreichischen Skipiste an, auf der ein Gottschalk-Kopf kunstvoll in den Schnee gemeißelt war. Der Mountainbiker war schneller im Ziel. Sein Fahrrad hatte übrigens "keinen Rücktritt", was Olli Dittrich gleich dazu brachte, es Gottschalk nahe zu legen, dies doch bitte im doppelten Sinne zu verstehen.
Schließlich gab es noch eine Wette, die zwar nicht offiziell als Klassik-Wette lief, die es aber trotzdem schon einmal gegeben hatte. Vor gut 10 Jahren wettete ein Herr, dass er alle bisherigen Outfits von Gottschalk den jeweiligen Shows, in denen dieser sie getragen hatte, zuordnen konnte. Was damals in Form von Videoeinspielern geschah, wurde dieses Mal mit Pappnachbildungen der Kleider und mit einer weiblichen Kandidatin gespielt. Sie hatte freilich noch mehr zu behalten als ihr Vorgänger, doch fragt man sich, wieso die Wette trotzdem noch ein zweites Mal vorkam. Wohl nur passend zum Abschied von Thomas, in den die Kandidatin anscheinend auch obendrein verliebt war und nach eigenen Angaben gerne mit ihm durchgebrannt wäre. Immerhin küssen durfte sie ihren Thommy dann zur Belohnung nach der gewonnenen Wette. Damit reihte sie sich in die Riege der vielen Damen ein, die Gottschalk in 22 Jahren «Wetten, dass..?» abgeknutscht hat. Sie alle lassen den Schluss nahe legen, dass sich eher eine neue Frau für den Showmaster finden lassen würde, als ein Nachfolger für seine Funktion.
Wie präsentierte sich der große Samstagabend-Matador aber höchstselbst? Nun, es war eine kuriose Mischung: Zum einen versuchte Gottschalk in seiner letzten Sendung wohl noch einmal so schnoddrig wie möglich herüber zu kommen. So sah man ihn im ersten Teil der Show oft mit verschränkten Armen und betontermaßen ohne Moderationskarten auf der Couch sitzen. Dies sollte wohl eine Art "Ihr könnt mich mal!"-Haltung in Richtung seiner Kritiker bedeuten. Stets wurde ihm vorgeworfen, er würde sich nicht richtig auf die Gäste vorbereiten und in seiner letzten Show nun wollte er anscheinend zeigen, dass er auch ohne Karteikarten einfach gute und lockere Gespräche - wie sie ohnehin sein Markenzeichen geworden sind - führen kann. Zum anderen verließen ihn aber im Gegensatz dazu hin und wieder mal die Stimmbänder. Von Michelle Hunziker auf die heisere Stimme angesprochen, witzelte Gottschalk einmal mehr gekonnt schlagfertig: "...die verabschiedet sich langsam - brauch sie ja bald nicht mehr...". Dass er sie bei seiner neuen Aufgabe in der ARD demnächst jedoch noch viel öfter brauchen wird, stand dabei eben so wenig zur Debatte wie der Punkt, dass die Unklarheit in der Nachfolgefrage die gesamte letzte Sendung von Gottschalk eigentlich noch verstärkter hätte traurig werden lassen müssen. Im Gegenteil sprach Thommy satirisch von den Würstchen, die ihn in der ARD erwarten werden und wirkte die Show durch die Offenheit bezüglich ihrer Zukunft sogar eher viel lockerer und befreiter. So konnte sich die Aufmerksamkeit ganz auf Gottschalks Abschied konzentrieren und wurde nicht von Gedanken rund um feststehende Nachfolger und ein neues Konzept überschattet.
Zum Schluss der Show präsentierte Michelle Hunziker, die von Gottschalk als Abschiedspräsent endlich mal einen kompletten Blumenstrauß bekam, den Zuschauern und ihrem Chef einen Schlussfilm mit schönen und unvergesslichen Szenen aus der «Wetten, dass..?»-Geschichte unter Gottschalk. Darin war u.a. bezeichnenderweise auch eine Szene zu sehen, in der Zuschauer aus dem Saalpublikum ein Plakat hochhielten, auf dem - an den Gastgeber gerichtet - zu lesen war "Deine Show toppt niemand". Nach dem Film zog sich Hunziker dezent zurück und ein Feuerwerk in Form eines Schriftzuges "Danke Thomas" erschien über dem Publikum in der Messehalle Friedrichshafen. Die Zuschauer standen auf und spendeten dem gerührten Thommy lang anhaltenden Applaus. Dieser ging noch einmal ein paar Treppenstufen in der Mitte der Publikumsblöcke herauf, um die ein oder andere Hand symbolisch und stellvertretend für das ganze «Wetten, dass..?»-Publikum im Saal und zu Hause vor den Fernsehgeräten zu schütteln. Alles untermalt von erhebender Musik. Der Dank an seine treuen Zuschauer war dann auch ein Hauptinhalt der Abschiedsworte von Gottschalk. Außerdem bedankte er sich auch bei dem Team hinter der Show, bekannte, dass all seine Kritiker vielleicht sogar richtig gehandelt hätten, da er ohne sie seinen Hintern nie hoch gekriegt hätte und skandierte aber ebenso "Unterhaltung muss man nicht ernst nehmen!". In diesem Sinne verglich er dann auch zum Schluss seiner kleinen Abschiedsansprache «Wetten, dass..?» mit einer Art Seifenblase, die nun geplatzt sei. Ein Traum ist praktisch vorbei.
Schließlich trat Thomas Gottschalk nach einer herzlichen Umarmung mit Freund Jauch, begleitet von einem Meer an hellen Lichtstrahlen, die fast wie Laser wirkten, zum allerletzten Mal aus einer «Wetten, dass..?»-Halle heraus. Langsamen Schrittes verschwand er in seinem Eingangstunnel - wie eine Lichtgestalt inszeniert. Der letzte klassische Showmaster des deutschen Fernsehens verließ die große Bühne mit Pomp und macht es seinen Nachfolgern damit noch schwerer. Wie im Warm-Up zu Schächter gesagt, hat er zwar nicht noch einmal in vollem Umfang allen gezeigt wie es geht, doch das musste er auch gar nicht. Das hat er schon beim letzten Sommer-Special auf Mallorca und immer wieder in den 22 Jahren bei Europas größter Fernsehshow getan. Er muss niemandem mehr etwas beweisen. Einen solch einzigartigen TV-Charakter wird es wohl nach ihm nie wieder geben - schon alleine deshalb, weil die Voraussetzungen für eine Karriere a la Gottschalk innerhalb der heutigen Fernsehlandschaft gar nicht mehr gegeben sind.
Und egal, ob man nun «Wetten, dass..?»-Fan war und sich auf jede neue Folge gefreut hat oder ob man die Show nicht leiden konnte und sich jedes Mal aufs Neue über sie aufregen musste: Wetten, dass in der nächsten Zeit etwas fehlen wird am Samstagabend im deutschen Fernsehen?!