Gnadenlos verwertet die Satire jedes gängige Vorstadt-Klischee. Der sympathische Cast muss sich aber noch besser aufeinander einspielen.
Spätestens seit diesem Herbst erleben wir den neuesten Comedyboom im US-Fernsehen. Hauptverantwortlich dafür ist CBS und das obwohl man mit «2 Broke Girls» nur eine neue Sitcom erfolgreich starten, dafür allerdings die Marktanteile von insbesondere «Two and a Half Men» und «The Big Bang Theory» deutlich ausbauen konnte. Der zweite Sender, der groß im Comedy-Geschäft ist, ist nicht etwa NBC mit seiner langen Sitcom-Tradition, sondern ABC, das sich rund um den Megahit «Modern Family» einen formidablen Sitcom-Tag aufgebaut hat. Seit diesem Herbst ein Teil davon: die Vorstadt-Satire «Suburgatory».
«Suburgatory» - der kompliziert klingende Titel, den man in keinem Wörterbuch finden wird, ist eigentlich ein cleveres Wortspiel, das den Inhalt der Serie sehr schön beschreibt. Die Worte "Suburb", der englische Begriff für die im Klischee meist von naiven wie wohlhabenden Menschen bewohnte Vorstadt in makelloser Fassade, sowie "Purgatory", das Fegefeuer, wurden hier verschmolzen. Genau so sieht die Realität von Hauptfigur Tessa Altman aus: Um die 15-Jährige von der Verkommenheit New Yorks zu bewahren, zieht Vater George mit ihr um in die Vorstadt. Für Tessa ein Alptraum: Die Menschen hier entsprechen jeglichem Klischee, sind oberflächlich, dümmlich und konsumorientiert.
Die Serie versucht dabei gar nicht, ein realistisches Szenario zu erzählen, sondern bedient sich deutlichen Elementen der Satire bis hin zur Parodie. Nahezu alle Figuren, die den idyllischen Vorort bewohnen, sind gnadenlos überzeichnet und haben irgendwelche gravierende Macken, sprechen gestelzt, halten Armut für eine Krankheit und leben in einer Zuckerwattewelt, die von den Farben Pink und Blond dominiert wird. Wie lange man noch Kapital schlagen kann aus der Einfältigkeit der Bewohner, sei dahingestellt - im Moment funktioniert es noch.
Ein bisschen auf der Strecke bleiben bislang allerdings die Charaktere, die zwischen all den parodistischen Elementen einfach untergehen. Das Vater-Tochter-Gespann im Zentrum der Serie weist zwar eine hervorragende Chemie auf, die weiteren Figuren bleiben aber überwiegend sehr blass. Teilweise werden Beziehungen unter den Charakteren verwertet, die man als Zuschauer diesen einfach nicht abnehmen kann, weil nie eine glaubwürdige Aufbereitung stattgefunden hat. Es ist zu hoffen, dass hier eine leichte Verschiebung zu stärker charaktergetriebenen Geschichten stattfindet.
Die Zeit dafür, ihren endgültigen Ton zu finden, dürfte «Suburgatory» warten. Im dritten Anlauf hat ABC sein Loch zwischen «The Middle» und «Modern Family» im erfolgreichen Comedymittwoch füllen können und wird in Zukunft erst einmal mehr Probleme bekommen, dasselbe am Dienstag zu schaffen. Wenn nichts unvorhergesehens geschieht, sollte Staffel zwei also nichts im Wege stehen. Ob dieser Weg auch nach Deutschland führt, bleibt abzuwarten, denn der typische amerikanische Suburb ist den meisten Zuschauern wohl eher aus «Desperate Housewives» bekannt statt aus dem wahren Leben. Für eine Satire nicht die beste Voraussetzung.
Auch wenn die Hauptzutaten stimmen - hier und da hakt es noch bei «Suburgatory», vor allem, weil die Autoren gernen mal Beziehungsgeflechte behaupten statt sie zu entwickeln. Dass Lisa sich an Halloween Sorgen macht, ihre beste Freundin Tessa könne zu einem "suburban girl" mutieren, ist eine nette Geschichte - sie funktioniert nur einfach nicht, wenn man von dieser starken Freundschaft bislang nicht viel gesehen hat. Das ist generell das Problem, wenn es um Tessa und ihre Freunde geht. Sie sind da, wenn das Drehbuch sie verlangt und ansonsten leben die Figuren aneinander vorbei.
Zu zeigen, dass die "suburbans" auch bei Regen den Vorgarten wässern, weil es einfach so in ihren Tagesablauf gehört, Probleme mit zu gruseliger Halloween-Deko haben oder einen sechzehnten Geburtstag in der Dimension eines Abschlussballs aufziehen, auf dem kaum jemand noch den Namen des Geburtstagskindes kennt, funktioniert alles prächtig. Die Frage ist nur, wie lange noch. Auf Dauer wird man sich nicht bloß auf Klischees stützen können, sondern wird mit den Charakteren arbeiten müssen.
Mit Dallas und Tochter Dalia hat man hier schon zwei sehr starke Charaktere geschaffen. Erstere ist trotz ihrer zunächst so erscheinenden Oberflächlichkeit schon zu einem komplexen Charakter gereift, letztere bietet das perfekte Comic Relief für die Serie. Bei den weiteren Charakteren ist das noch nicht gelungen, insbesondere Alan Tudyks Figur des Zahnarztes Noah Werner mag in ihrer Profillosigkeit zwar schon wieder sehr satirisch sein, verliert dadurch aber auch jedwedes komische Potential.
«Suburgatory» wird die Zeit haben, ihren Weg zu gehen und gerade die jüngste Episode hat gezeigt, dass man diesen Weg auch einschlagen wird, als neue Charakterkonstellationen ausgetestet wurden und gezeigt wurde, dass auch für George das Thema New York bislang alles andere als abgehakt ist.