Die Kritiker

«Tödlicher Rausch»

von

Handlung


Ein Uhr nachts. Die letzten drei Gäste tagen nach dem Feuerwehrfest noch in „Hirschen“, der einzigen Gastwirtschaft in Almbrück, als ein Jugendlicher, Florian, den Dorfpolizisten Georg voller Wut zum Wetttrinken herausfordert. Georg solle sich vorsehen, droht Florian, er sei ein verlogenes Schwein. Am nächsten Morgen ist Florian tot. Er hatte vier Promille im Blut und starb an Kreislaufversagen infolge seiner Alkoholvergiftung. Man nimmt an, dass Florian nach dem Feuerwehrfest alleine in Richtung Wald gegangen sei, so dass niemand Hilfe holen konnte.

Die städtische Kripo arbeitet in der Untersuchung dieses möglichen Kapitalverbrechens mit dem Polizisten vor Ort, Georg, zusammen und man legt den Fall schließlich als tragischen Unfalltod zu den Akten. Die Freunde Georg, Andreas, Jens und der Kneipenwirt Karl verschweigen das Wetttrinken. Georg hegt zwar Schuldgefühle, fürchtet aber um seine Existenz als Polizist. Doch Nina, Florians Schwester, will nicht an ein Eigenverschulden glauben und stellt unangenehme Fragen – doch sie trifft auf eine Mauer des Schweigens. Aus Verzweiflung lässt sie sich mit Georg ein, ausgerechnet dem Mann, nach dem sie sucht.

Darsteller


Lisa Maria Potthoff («Soloalbum») ist Nina Wieser
Fritz Karl («Höhenangst») ist Georg Hofmeier
Olivia Pascal («Verliebt in Berlin») ist Susanne Wieser
Jürgen Tarrach («Wambo») ist Andreas
Heinz-Josef Braun («Sommer in Orange») ist Karl
Matthias Kupfer («In guten wie in schlechten Tagen») ist Jens
Franziska Schlattner («Crazy») ist Brigitte
Julia Sophie Schabus («Familie für Fortgeschrittene») ist Marie
Dieter Kirchlechner («Homo Faber») ist Max Baumann
Wolfgang Hübsch («Der Winzerkönig») ist Kommissar Ehrlich
Maximilian Waldmann («Unter der Sonne») ist Basti
Sandro Lohmann («Die Päpstin») ist Florian Wieser
Monika Baumgartner («Der Bergdoktor») ist Kati

Kritik


Seit die Urbanisierung nicht nur aus ökonomischen, sondern von jungen Menschen vor allem aufgrund kultureller Faktoren im letzten Jahrtausend die demografischen Strukturen Deutschlands grundlegend verändert hat, ist die Landflucht populäres Thema in der Literatur, dem Theater und im Film. Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender scheint das Phänomen in den vergangenen Jahren fasziniert zu haben, denn selten zuvor gab es derartig viele Neuerscheinungen, die sich mit den Mythen und dem Morast kleiner Dörfer und eingeschworener Urbewohner befassen. Das Drama «Tödlicher Rausch» springt auf diesen Trendzug auf und zeichnet eine beeindruckende Milieustudie aus einer für viele entrückten Welt, die für die einen das Paradies, für die anderen die Hölle auf Erden bedeutet.

Zu letzteren Zeitgenossen gehört auch Nina Wieser, ohne Makel verkörpert von Lisa Maria Potthof, die nach dem Tod ihres Vaters und mit dem Schulabschluss in der Tasche nach München in die große Stadt geflüchtet ist. Zum Geburtstag ihres Bruders plant sie, in ihre Heimat Almbrück, ein Rendezvous lässt dieses Vorhaben aber platzen. Und als Nina mit einem Tag Verspätung in Almbrück einfährt, ist es schon zu spät: Ihr Bruder liegt mit vier Promille Alkoholwert tot in der Pathologie – und das Dorf schweigt. Sie lässt nicht locker, stellt unangenehme Fragen, hakt nach doch die Zeugen der letzten Nacht ihres kleinen Bruders verbieten Almbrück den Mund. Aus Verzweifelung lässt sie sich mit dem Polizisten Georg ein, von dem sie nicht weiß, dass er der Grund ist, warum ihr Bruder tot ist: Georg hatte ihn zum Wetttrinken animiert, in Absprache mit dem örtlichen Wirt dabei selbst aber nur Wasser getrunken. Fritz Karl brilliert in der Rolle des von Schuld und Scham Getriebenen, der im Spagat seiner neuen Flamme Nina und seiner Tat, seinen Dorfkumpanen und falschen Freunden zu zerbrechen droht.

Erst langsam taut das Dorf auf, vor allem Julia Sophie Schabus als leider wenig überzeugend gespielte Provinzhasserin Marie befeuert Ninas Verdacht. Was folgt, ist ein erdrückendes Psychogramm einer nur vermeintlich zusammenhaltenden Gemeinschaft, die sich im Ernstfall vor allem um ihr eigenes Wohl sorgt. Ohne erhobenen Zeigefinger schafft es das Drehbuch von Claudia Kaufmann, die Verlorenheit im Dorf und das Thema Jugendalkoholismus zu vereinen. Beklemmend inszeniert von Regisseur Johannes Fabrick werden der moralische Inzest und überkommene hierarische Strukturen in der bayrischen Provinz zelebriert, dem man nur entkommt, wenn man zu Grabe getragen wird oder das Dorf verlässt. Als Gesellschaftskritik ist das gelungen, als spannendes Drama ebenso. Ein wenig mehr psychologisches Fingerspitzengefühl hätte aus dem guten Spielfilm einen schaurigen Thriller machen können – vielleicht ist die dargestellte Tristesse aber sogar eine Spur schlimmer und näher an der Realität angesiedelt.

Das ZDF zeigt das Drama «Tödlicher Rausch» am Montag, den 12. Dezember 2011, um 20:15 Uhr.

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