Popcorn & Rollenwechsel

Bruckheimers Oscar-Chance

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Unser Kolumnist hat's raus: So einfach könnte Popcorn-Produzent Jerry Bruckheimer eine Oscar-Nominierung für den besten Film absahnen.

In der Weihnachtszeit heißt es viel zu oft „Ich, ich, ich!“ – „Ich will einen Disneyland-Urlaub geschenkt bekommen“, „Ich will, dass Popcorn und Rollenwechsel auch als Podcast erscheint“, „Ich will, dass es an Weihnachten schneit und die Küsse meiner Freundin nach Kinderschokolade schmecken“ ... Jeder hat irgendwelche Wünsche, manche davon sind bescheuerter als andere. Auch diese Kolumne dachte vergangene Woche nur an sich selbst und wünschte sich die Fortführung dreier toter Kinoreihen. Dabei ist die Weihnachtszeit doch eigentlich die Zeit des Gebens, und weniger die des Nehmens. Um hier in Popcorn und Rollenwechsel auch mal wieder zu geben, möchte ich in dieser Ausgabe laut darüber nachdenken, was Blockbuster-Produzent Jerry Bruckheimer tun könnte, um erstmals einen Oscar zu gewinnen.

Jerry Bruckheimer ist einer der erfolgreichsten Produzenten Hollywoods. Er steht hinter solchen Kassenschlagern wie der «Pirates of the Caribbean»-Reihe, «Armageddon» und «The Rock», produziert obendrein die «CSI»-Serien und erhielt von der Produzenten-Gewerkschaft bereits eine Auszeichnung für sein Lebenswerk. Und dennoch erhielt Bruckheimer bislang nicht eine einzelne Oscar-Nominierung. Als Produzent hat man nur dann Aussichten auf diese Ehre, wenn seine Produktion als bester Film nominiert wird – und Bruckheimers Output ist dazu nicht die passende Ware.

Bei den vergangenen zwei Oscar-Verleihungen betrug das Feld für die Oscar-Hauptkategorie zehn Nennungen. Mit dieser Regelung hätte Bruckheimer im Jahr 2004 vielleicht Glück haben können: «Fluch der Karibik» erhielt damals fünf Nominierungen, darunter auch für den besten Hauptdarsteller. Mit einem zehn Filme umfassenden Raster an Nominierungen war das Piratenabenteuer zwar weiterhin kein typischer Oscar-Kandidat, aber für Bruckheimers Verhältnisse war es verflucht nah dran an einer Nominierung. Insofern könnte Bruckheimer stur so weiter machen. Als nächstes steht mit «The Lone Ranger» ein hoch preisiges Westernabenteuer an, erneut mit Depp in der Hauptrolle. Womöglich wuselt sich der Film in die Kategorie „Bester Film“? Darauf zu wetten wäre aber gewagt.

Besser beraten wäre Bruckheimer, wenn er sich wieder den Dramen widmet. Dieses Genre wird eher selten mit dem Action-Produzenten in Verbindung gebracht, jedoch finden sich bereits ein paar in seiner Vita. Das beste Bruckheimer-Drama bis dato ist wohl «Gegen jede Regel» aus dem Jahr 2000. Das mit hervorragenden Darstellungen unter anderem von Denzel Washington und Will Patton aufwartende Sport- und Rassendrama fällt in die gleiche Kategorie wie der Oscar-nominierte «Blind Side», bloß dass die Bruckheimer-Produktion weniger oberflächlich ist. Bei einem variablen Oscar-Feld von fünf bis zehn Nominierungen könnte Bruckheimer mit einem weiteren gesellschaftskritischen „Wohlfühldrama“ eine überraschende Nominierung ergattern.

Aber Bruckheimers womöglich besten Aussichten auf eine Oscar-Nominierung für den besten Film liegen ganz woanders. Noch dazu in einem ihm bislang fremden Genre: Dem Musical!

Wieso der Meister der explosiven Unterhaltung ausgerechnet mit einem Musical auf Goldstatuetten-Fang gehen sollte? Nun, so außergewöhnlich dies zunächst klingt, so nahe liegend ist es auf dem zweiten oder dritten Blick. Denn die Werke des sich kreativ stark in seine Kinofilme einbringenden Produzenten bewiesen in der Vergangenheit immer wieder ein überzeugendes musikalisches Gespür. Seit 1983 erhielten mit «Flashdance», «Top Gun», «Beverly Hills Cop II», «Con Air», «Armageddon» und «Pearl Harbor» sechs Bruckheimer-Filme Oscar-Würden in Form von Nominierungen und Auszeichnungen in den Musik-Kategorien. Darüber hinaus produzierte Bruckheimer mit «Coyote Ugly» einen Film, der einen absoluten Hit-Soundtrack ablieferte. Und die Filmmusik zu «Fluch der Karibik» und seinen Fortsetzungen setzte sich im popkulturellen Gedächtnis fest, der erste Film rund um Jack Sparrow geht sogar auf Konzert-Tournee.

Bruckheimer hat es also zweifelsohne raus, Talente zusammenzustellen, die mitreißende und auch die Academy of Motion Picture Arts & Sciences bezirzende Musik verfassen können. Was läge für Jerry Bruckheimer, der mit seinen 66 Jahren auch nicht mehr der Jüngste ist, also näher, als auf seine späten Tage ein mordsmäßiges Filmmusical auf die Beine zu stellen? Mit seinem Stammkomponisten Hans Zimmer (mit einem Oscar prämiert und acht weitere Male nominiert) und Songschreiberin Diane Warren (sechsfach Oscar-nominiert, darunter für „I Don't Wanna Miss a Thing“ aus «Armageddon») an Bord wäre zumindest rein statistisch für gute Musik gesorgt.

Aus der großen Riege an mehrfach in Bruckheimer-Produktionen auftauchenden Darstellern könnte man sich ebenfalls ein nettes Ensemble aus Talenten mit Musikerfahrung zusammenstellen. Johnny Depp («Sweeney Todd») und Will Smith (Rapkarriere) übernehmen natürlich die Hauptrollen, Jonathan Pryce (Bühnenerfahrung mit «My Fair Lady») und Stellan Skarsgård («Mamma Mia!») übernehmen männliche Nebenrollen. Tom Cruise hat einen ausführlichen Cameo als Meistertänzer (siehe «Lockere Geschäfte», «Tropic Thuner» und demnächst «Rock of Ages»). Die weiblichen Rollen werden, inspiriert von früheren Bruckheimer-Blockbustern, von irgendwelchen jungen, knackigen Dingern in engen Klamotten porträtiert. Wenn man die Handlung in der Blütezeit des Varietés ansetzt und Kostümschneiderin Colleen Atwood («Chicago») für die Garderobe engagiert, dann wirkt das auch gar nicht mal sexistisch und eiskalt kalkuliert, sondern strahlt Glanz, Glamour und Nostalgie aus. Wenn das mal nicht eine Oscar-Nominierung für die Kostüme garantiert!

Die Story, ja, an der muss natürlich noch gefeilt werden. Aber bei diesem Pool an Künstlern wird sich schon irgendwas passendes finden lassen. Depp und Smith sind zwei ungleiche Privatdetektive in den 30er Jahren, die einen religiös-rassistisch motivierten Mord in einem Edelbordell aufzuklären versuchen. Dabei geraten sie in einen Strudel von Korruption, nackter Haut (nicht zu viel nackte Haut, man will im prüden Amerika ja keinen Skandal anzetteln, «Moulin Rouge» ist hier ein Orientierungspunkt), und am Ende siegt natürlich die gute Natur des Menschen. Inspirierend, warmherzig und mit so hypnotischer Ausstattung versehen, dass der Film irgendwie die große Ehre einer Oscar-Nominierung in der Hauptkategorie erhält.

Jerry Bruckheimer darf sich dann über diesen Prioritätsfall in seiner Karriere freuen und gilt plötzlich bei Cineasten aller Güteklasse als wertvoller Beitragender zur Filmkunst. Publikumsträchtige Produzenten wie Cecil B. DeMille produzierten ja auch fast nur sauteures Popcornkino, und gelten aufgrund Oscar-tauglicher Epen wie «Die zehn Gebote» als Vorbilder für das heutige Kino. Mit Bruckheimer wird es nicht anders laufen: Jetzt von verschnupften Intellektuellen verhasst, zehn Jahre nach seiner Mega-Musical-Nominierung ein Kinogott, der es wusste, Publikumstauglichkeit mit versiert künstlerischem Auge zu vereinen.

Na, das wäre doch wunderbar!

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