First Look

«The Firm»

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Altmodisch, klischeehaft, übertrieben. Die Serienfortsetzung des Grisham-Thrillers von 1993 kann nicht vollständig überzeugen, hat aber alle Zügel in der Hand, ein spannendes Anwaltsdrama zu werden. So lange die Autoren sich nicht zu sehr an den Film klammern.

Wenn Autoren nicht in der Lage sind, ihre eigenen Stoffe in den produzierenden Studios unterzubringen, hilft es offenbar ein schon bekanntes Franchise anzugreifen, zu updaten, zu rebooten, oder einfach fortzusetzen. Josh Friedman versuchte vor drei Jahren, das «Terminator»-Franchise ins Fernsehen zu bringen, scheiterte jedoch zuerst am Autorenstreik, welches seine erste Staffel verkürzte, und schlussendlich an nicht interessierten Zuschauern, die in «The Sarah Connor Chronicles» nicht ihren Terminator sahen, welchen sie wünschten zu sehen. Auf NBC geht nun die nächste Filmfortsetzung in Serie, und auch hier muss die Frage gestellt werden, ob es wirklich clever war, den Namen der wohl bekanntesten John-Grisham-Verfilmung zu nehmen, um unter diesem Mantel eine der üblichen anspruchsvollen Anwaltsdramen zu schreiben. «The Firm» hat zu Beginn kein Problem, als Fortsetzung des Films mit Tom Cruise gesehen zu werden, allerdings wird fast 80 Prozent des zweistündigen Pilotfilms damit verschwendet, wie Mitch McDeere dargestellt von Josh Lucas, einen Mordfall vor Gericht verteidigt, während hin und wieder von der Bedrohung aus Mitchs Vergangenheit die Rede ist.

«The Firm» setzt ein Jahrzehnt nach den Ereignissen des Films und des Buches an. Mitch und seine Frau Abby (Molly Parker) treten aus dem Zeugenschutzprogramm aus und siedeln nach Washington, D.C. um. Die ständige Flucht aus einem gerade aufgebauten Leben ist für die Familie, besonders für Tochter Claire (Natasha Calis), einfach zu ermüdend. Mitch will ein normales Leben führen, sein Beruf als Verteidiger ausüben und seine eigene Anwaltskanzlei aufbauen. Trotz der finanziellen Probleme seiner Kanzlei, welche er zusammen mit seinem Bruder Ray (Callum Keith Rennie) und Rays Zigaretten-verschlingende Freundin Tammy (Juliette Lewis) führt, verspricht er kostenfreie Beratungen und Vertretungen im Gerichtssaal, und gerät schnell an den Fall eines High-School-Schülers, der anscheinend einen seiner Mitschüler ermordet hat. «The Firm» würde jedoch nicht den Namen eines Grisham-Thrillers tragen, wenn Mitchs Vergangenheit ihn nicht bald wieder einholen würde, und zusätzlich ein Angebot einer namhaften Anwaltskanzlei bekommt, welche ihn anwerben will...

Zugegeben, es ist keine schlechte Idee, eine Anwaltsserie unter dem Mantel der Paranoia des Hauptcharakters zu haben. Ein «The Good Wife» für NBC, welches nicht die politischen Seiten, sondern die bedrohliche Vergangenheit eines Anwalts durchleuchtet, der wiederholt von der Mafia anvisiert wird. Dass selbst John Grisham die Entwicklung einer Handvoll Episoden begleitete, um sicherzustellen, dass das Serienwerk in die Richtige Richtung geht, lässt die Fans des Filmes hoffen, dass aus der Serie genauso ein Idealfall für das Genre des Anwaltsdramas werden kann, wie es der Film vor fast 20 Jahren war. Mit «L.A. Law» hatte NBC damals das Prachtstück einer Anwaltsserie im Programm, und von dort an ging es bergauf für das Genre (und besonders für die Karriere von David E. Kelley). Doch heute scheint es unsicher, ob ein mehr als 20 Jahre alter Plot in Zeiten nach «The Practice», «Damages» und «The Good Wife» noch zu überzeugen weiß. Ist das Update von «The Firm» gut genug, um nicht nur die Story aus den 90ern ins 21. Jahrhundert zu transportieren? Sind die Autoren talentiert genug, um nicht den selben Fehler wie Josh Friedman zu machen? Und wird es sich als Vorteil erweisen, eine Verschwörung, ähnlich die des Films, auf 22 Episoden auszustrecken, und damit zu garantieren, dass die meiste Zeit mit unwichtigen Gerichtsfällen verschwendet wird?

Auch für NBC wird der Erfolg oder Nicht-Erfolg von «The Firm» davon abhängen, ob die Zuschauer den Versuch des Senders akzeptieren, wieder mehr erwachsenes Programm für die Zielgruppe zu liefern, nachdem es in den letzten Jahren mit mehr comichaften und serialisierten Serien eher scheiterte. Ob allerdings ein Anwaltsdrama mit einer inzwischen klischeehaften Staffelhandlung dem Sender helfen wird, ist fraglich. Der Film ist nicht unschuldig darin, dass Anwaltsgenre weitergeholfen zu haben, und galt deshalb als frisch, spannend, interessant. Nach dutzenden von Anwaltsserien in den späten 90ern und 2000ern ist die Frage zu beantworten, ob «The Firm» mit seiner alten Story neue Zuschauer einfangen kann. Mafia, Verschwörungen, eine Familie in Bedrohung... All das kann nicht mehr überraschen und sind inzwischen totgetrampelte Storypfade. Das hat den Nachteil, als würde «The Firm» in Serienform direkt aus den 90ern kommen, und wurde nur mit einer Modernisierung in Sachen Bild und Schnitttechnik aufgepeppt.

Der Pilotfilm hat allerdings einen ganz anderen Nachteil: Er hält sich in seinem ersten Teil viel zu sehr an der Vergangenheit des Films fest. Flashbacks erzählen, was mit den McDeeres nach den Ereignissen in Memphis passierte, und der fünfminütige Teaser, gehalten in grell-gebleichtes Licht, um die verschiedenen Zeitlinien des Piloten auseinanderzuhalten, wirkt viel zu sehr wie der Startpunkt einer direkten Fortsetzung. Damit gelingt es «The Firm» nicht, in einer völlig eigenen und weitaus kreativeren Note zu starten. Dem Piloten gelingt es nicht, trotz der alten Story neu und modern zu wirken. Um den Zuschauern klarzumachen, dass «The Firm» tatsächlich als Sequel des Films gedacht ist, wird darauf gepocht, die Story auch wirklich fortzusetzen. Immerhin wussten Grisham und sein Autorenteam Bescheid, wie viel Story aus dem Film benutzt werden sollte, um die unwissenden Zuschauer nicht mit teils unnützem Hintergrundwissen zu erschlagen – etwas, was der Pilot von «The Sarah Connor Chronicles» nicht schaffte. Dass jedoch die Folge an sich leiden musste, ist dem generischen, episodenzentrischen Hauptplot zu verdanken, dessen Ermittlung und Auflösung nicht nur nichts mit dem Verschwörungsthriller zu tun hat, sondern «The Firm» aussehen lässt, als wäre es ein mutierter Nachkomme von «The Good Wife» und «Damages» mit noch verrückten Wendungen als seine Vorgänger.

Wer in der Lage ist den Film zu vergessen (oder ihn gar nicht erst gesehen hat), bekommt ein sehenswertes Drama zu sehen, in welchem die Darsteller überzeugen können. Josh Lucas gibt als Mitch McDeere eine gute Figur ab und braucht sich nicht der Darstellung von Tom Cruise gegenüberzustellen. Lucas macht schnell klar, dass es seine Rolle ist, was auch den Vorteil hat, die gute Seite des Charakters schnell abzukaufen. Damit setzt die Serie auch dort an, wo der Film aufhörte: Mitch ist kein Anwalt, der seine Situation zu seinen Gunsten ausnutzt (wie er es im Buch getan hat), sondern sieht sein Beruf „allerheilig“ und „wegweisend“. Typisch für TV-Anwälte der frühen 90er Jahre und früher ist Mitch der Mann, zu dem die Problemkinder gehen. Mitch ist der Held der Stunde, und er scheint der einzig gute Anwalt in Washington, D.C. zu sein, der in der Lage ist einen zuerst simpel aussehenden Mordfall vor Gericht zu verteidigen. Natürlich wirkt das in der heutigen TV-Zeit überholt, allerdings hat NBC mit «The Firm» wieder einmal die Chance, das Anwaltsbusiness von der positiven Seite zu zeigen. Es müssen nicht immer beschmutzte Westen in den Anwaltskanzleien arbeiten, hin und wieder kann es auch ein Vorteil sein, wenn das Genre einen waschechten Helden zu bieten hat. Wenn die Autoren nur noch an ihren Logikfehlern arbeiten, und aus den Episodenfällen interessante Geschichten machen, ist «The Firm» durchaus in der Lage zu unterhalten.

Was die Zukunft der Serie nun verspricht, liegt in den Händen der Autoren, und ob sie mit «The Firm» ein alleinstehendes Drama mit einer staffelbegleitenden Verschwörungsgeschichte a la «24» haben wollen, oder eine waschechte Fortsetzung des Films. Ersteres wäre natürlich ein gelungenes Unterfangen für das Genre. Letzteres könnte nur positiv für die Serie enden, wenn die Serie es auch schafft, universelle und spannende Episodengeschichten zu kreieren. Das Produktionsstudio, Sony Pictures Television, und NBC lassen gleich 22 Episoden von «The Firm» herstellen. Heutzutage ein sehr ungewöhnliches Modell einer neuen Serie, ist am Anfang doch nicht klar, ob sich die Arbeit bei den Zuschauern lohnen wird. Immerhin dürften die Fans des Formats sich freuen. Die Garantie, dass bis Ende April alle geplanten Episoden auch im Kasten sind, gibt dem Studio genügend Leeweg, um mit der Serie auch international einen Erfolg zu landen, und eventuell einen neuen Partner für eine Fortsetzung zu finden – sollte «The Firm» auf NBC scheitern und vor dem Staffelfinale abgesetzt werden. Alternativ kann rechtzeitig ein Serienfinale geschrieben werden, um die Geschichte zufriedenstellend abzuschließen. Aber nur, wenn die Autoren auch gutherzig genug sind, und sich nicht in einem Cliffhanger-Wahn versehen.

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