Hingeschaut

«Traumfrau gesucht»: Heiter weiter mit Krawall

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RTL II entdeckt deutsche Singles für sich und schickt sie nach Osteuropa zur Partnersuche.

Bei RTL II lacht sich die Programmplanung ins Fäustchen, denn die Erfolge von Formaten wie «X-Diaries» oder «Berlin – Tag und Nacht» lassen sich mehr als sehen: Billig produziert und mit Laienschauspielern ausgestattet, fielen und fallen Millionen Zuschauer auf Instant-Realität aus der Drehbuchkonserve herein. Sogar ein eigenes Genre will man bei RTL II begründet haben und führt gestelltes Reality-Fernsehen seit einigen Monaten unter dem Begriff des «Realtainment». In diese Kerbe schlägt auch die neue Dokusoap «Traumfrau gesucht», mit dem sich der Sender den Montagabend verschandelt. Auf die Quoten von Kuppelshows wie «Schwer verliebt», «Schwiegertochter gesucht» oder «Bauer sucht Frau» schielend, begleitet das Format deutsche Schwerenöter nach Osteuropa, die dort nach einer willigen Frau suchen – angeblich an einer derartigen Vermittlung interessierte Männer, die ohne Drehbuch agieren.

In der wichtigen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen kommt das gut an: Satte 1,36 Millionen Zuschauer insgesamt und 7,1 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe am Montagabend sind ein guter Erfolg für den kleinen Sender. Wer jedoch glaubt, dass die Qualität der Sendung der Quote angemessen wäre, der täuscht sich. RTL II agiert nach altbekanntem Muster und präsentiert die üblichen Extreme. Kostprobe gefällig? Da wäre zum einen Walther, charakterisiert als notgeiler Lebemann mit Stil und Geld, der bei Dates gerne unter die Gürtellinie langt und in der Diskothek schonmal Streit mit wildfremden Frauen anfängt, weil die nicht mit ihm tanzen wollen. Der Zweite im Bunde ist Karsten aus Sachsen-Anhalt, ewige Jungfrau und unbeholfener Gutmensch, der bei Dates kaum einen Ton herausbekommt. Der beleibte Elvis, "ehemaliger Fußball-Star der dritten Kreisliga und jetziger DJ-Star", und der schmierige Manfred, Kleidungsfetischist und "Typ Dieter Bohlen", entscheiden sich in der zweiten Folge nicht für Einzeldates, sondern beäugen in einem Massencasting gleich acht Frauen.

Das ist genauso anmaßend und peinlich wie es klingt und animiert jeden Zuschauer mit Verstand zum schnellstmöglichen Abschalten. Im 21. Jahrhundert ist diese Form von sexistischer Fernsehmacherei vollkommen inakzeptabel, zumal die Sendung keine meinungsabbildende Reportage ist, sondern stimmungsmachende Drehbuchkost. Dazu ist die Sendung trotz der extrem ausgelegten Charaktere langweilig und unergiebig – von guter Unterhaltung oder spannender Information keine Spur. Denn die Charaktere sind auf Konfrontation gebürstet und absolut unglaubwürdig, die einzige Person, die nicht nach wenigen Minuten unerträgliche Fremdschämmomente bereitet, ist die Partnervermittlerin Ksenia Droben. Jede «Spiegel TV»-Reportage zum Thema ist informativer und spannender anzusehen als «Traumfrau gesucht» – vielleicht hätten sich die Macher eine solche vor der Produktion dieses Krawallformats auch einmal ansehen sollen.

Kurz-URL: qmde.de/54260
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