Dem Puppenkünstler Jim Henson gelang es, durch die von ihm erfundenen Muppets seiner Kunstform eine neue Popularität zu verleihen. Mit Märchenverfilmungen fürs Fernsehen, Gastauftritten in erwachsenenorientierten Sendungen wie «Saturday Night Live» und dem legendären Comedyformat «Die Muppet Show» unterhielten Jim Henson und sein großes Ensemble an Puppenspielern Zuschauer jeden Alters. Denn auch wenn manche Leute heutzutage zunächst an die «Sesamstraße» denken, so waren die Muppets, Hensons wichtigsten Schöpfungen, nie explizit für das Kinderprogramm gedacht. Die Muppets waren eine verrückte Varieté-Gruppe für jedermann, die in den 70ern und 80ern sowohl das Fernsehen, als auch die Kinoleinwand eroberte.
Doch nach dem Tod ihres Schöpfers im Jahre 1990 verloren die Muppets langsam den Boden unter ihren (selten zu sehenden) Füßen. «Die Muppets-Weihnachtsgeschichte» von 1992 wird gemeinhin als Erfolg und Klassiker betrachtet, ging aber beim US-Kinostart zwischen «Kevin – Allein in New York» und «Aladdin» unter. In Deutschland fanden sich kaum mehr als eine halbe Million Kinogänger, erst durch die Videoveröffentlichung und alljährliche Wiederholungen im Fernsehen fand der Film sein großes Publikum. «Muppets – Die Schatzinsel» erhielt vier Jahre später auf amerikanischen Boden zunächst etwas mehr Kritikeranerkennung sowie Publikumsaufmerksamkeit, doch die wilde Wiedererzählung des Abenteuerklassikers von Robert Louis Stevenson konnte sich keinen solch wohlwollenden Klassikerstatus aufbauen. Der von Fans größtenteils abgelehnte, an den Kinokassen katastrophal gefloppte «Muppets aus dem All» beendete 1999 dann vorübergehend die Leinwandkarriere der bunten Truppe.
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Vergessene Idole früherer Tage
In der Filmwelt von «Die Muppets» erging es der wild zusammen gewürfelten Chaosbande noch ein gutes Stück schlechter. Irgendwann nach dem 1984 gestarteten «Die Muppets erobern Manhattan» zerbrach die Bande zwischen Kermit, Miss Piggy, Gonzo und Co., ihr Status als Symbole der Popkultur verblasste. Kurzum: Die Muppets sind im Jahre 2011 bloß noch eine schwache Erinnerung an die Vergangenheit.
Zwei der letzten noch verbliebenen Muppet-Fans sind die Brüder Walter (porträtiert von einer neuen, bewusst generisch gestalteten Muppet-Puppe) und Gary (Jason Segel). Walter wurde in seinem beschaulichen Heimatstädtchen Smallville seine Kindheit gehänselt, fand aber immer Halt bei seinem Bruder und im Humor der von ihm verehrten Muppets. Auch als Erwachsene sind die zwei Brüder noch immer unzertrennlich, was Garys große Liebe Mary (Amy Adams) schon so manchen Nerv gekostet hat. Zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Beziehung hätte sich Mary deshalb endlich einen zweisamen Urlaub in Los Angeles gewünscht. Doch Walter ist wieder einmal mit dabei. Den Höhepunkt des Urlaubs zu dritt soll ein Besuch der legendären Muppet-Studios markieren. Zufällig belauscht Walter in den für ihn heiligen Hallen, dass der schmierige Ölbaron Tex Richman (Chris Cooper) kurz davor steht, die Studios an sich zu reißen, um sie für Ölbohrungen dem Erdboden gleichmachen zu können.
Nur eine winzige Vertragsklausel kann das Muppet-Studio retten: Die Muppets müssten innerhalb von zwei Wochen 10 Millionen Dollar auftreiben. Also beschließen Walter, Gary und Mary, die getrennte Wege gehenden Muppets aufzusuchen und mittels eines TV-Spendenmarathons das historische Gebäude zu retten ...
Eine mittelmäßige Story, außerordentlich gelungen umgesetzt
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Ähnliches gilt für «Die Muppets». Eine Entertainer-Gruppe zusammenzutrommeln und allen Widrigkeiten zum Trotz eine Show auf die Beine zu stellen, das war bereits in guten Kinoproduktionen zu sehen (etwa «Blues Brothers»), ebenso wie in schlechten (etwa «Blues Brothers 2000»). Den Machern des Muppet-Kino-Comebacks gelang es, diese häufig erzählte Geschichte als eine den Figuren zu gute kommende Basis für ein wahres Gag-Feuerwerk zu nutzen und ihr außerdem eine ehrliche, gefühlvolle Ebene zu verleihen. Deswegen muss man diesem Film schon mit einer sehr distanzierten Haltung gegenübertreten, um sich ernsthaft an der ausgedienten Story zu stören.
Der Muppet-Humor sitzt wieder
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«Die Muppets» wurde letztlich zu einer mit unbeschwerten, einfallsreichem Humor gespickte Komödie. Perfekt getimter Slapstick, herrlich alberne Verrücktheiten und ein selbstironischer Umgang mit Filmklischees ergeben eine kunterbunte, gleichermaßen frisch wirkende wie zeitlose Mischung. Für Erwachsene gibt es amüsante Details, wie einen Hippie, der glücklich all die „Höhen“ des Lebens besingt oder die Enthüllung, dass die chaotischen Muppet-Wissenschaftler Honigtau Bunsenbrenner und sein Assistent Beaker im Large Hadron Collider tätig waren. Kinder können wiederum vor allem über viele, einfallsreiche visuelle Gags lachen, aber die meisten der Witze sprechen wirklich jede Altersklasse gleichermaßen an.
Was allerdings nicht heißen muss, dass jeder Zuschauer über jede einzelne Pointe lachen kann. Das wäre selbstredend zu hoch gegriffen. So neigen die Muppets zu haarsträubenden Wortspielen oder auch dazu, Schwächen im Drehbuch mit einem schnellen Spruch abzuwinken. Wer also mit diesem Humor nichts anfangen kann, wird über manche der Gags eher johlen, als lachen. Doch die Stärke dieses Films ist es, dass sein Witz sehr viel Variation bietet, so dass niemand enervierend viele Gags erdulden muss, die ihm einfach nicht liegen. Die Gagdichte und Trefferquote sind so hoch angesetzt, dass wirklich alle Facetten des Muppet-Humors zur Fruchtung kommen.
Die ruhigeren Zwischentöne
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Beim Hauptplot rund um die titelgebenden Puppen gelang den Autoren jedoch eine runde Sache. Nicht nur, dass die Muppets endlich wieder sie selbst sein dürfen, sie erhalten nach mehreren Jahrzehnten auch die Gelegenheit, mit etwas Abstand ihre Karriere und den Verlust Jim Hensons zu reflektieren. Zu Beginn des Films treffen Mary, Gary und Walter einen desillusionierten, aber noch immer zuvorkommenden Kermit, der den alten Zeiten hinterher trauert und den Gedanken an seine verlorenen Freundschaften kaum erträgt. Filmimmanent handelt diese Geschichte allein von Kameradschaft, doch auf einer Metaebene nimmt sie mehrmals raffinierten Bezug darauf, was den Muppet-Machern seit den 90ern alles widerfahren ist. Kinder werden diese Ebene nicht einmal bemerken, dem erwachsenen Publikum bietet sie hingegen eine lobenswerte Bereicherung des Filmerlebnisses.
Musikalische Muppet-Fans
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Die menschlichen Darsteller werden von den ausdrucksstark gespielten Puppen und der spaßigen Musik letztlich komplett an den Rand gedrängt. Sogar die zahlreichen, groß beworbenen Gastauftritte sind eigentlich nur schmückendes Beiwerk. Es ist hauptsächlich die Spielfreude von Amy Adams und Jason Segel, die ihre Figuren im Gedächtnis verankert: Jason Segels unfassbar glückliches Grinsen, zusammen mit den Muppets auftreten zu dürfen, macht ihn für Muppet-Fans zur Identifikationsfigur und zeigt Muppet-Anfängern auf, was an diesen verrückten Puppen gefällt. Segel genießt das Spiel mit den Muppets in manchen Szenen allerdings fast schon zu sehr, wenn man auf ihn achtet, wartet man öfter geradezu darauf, dass er aus seiner Rolle fällt.
Doch Segels Spielfreude wirkt ansteckend, weshalb man es diesem glühenden Muppet-Fan nicht zu bitter nachtragen kann. Zumal er es war, der die Disney-Studios davon überzeugte, einen neuen Muppet-Kinofilm zu drehen. Trotzdem muss man anmerken, dass Chris Cooper als cartoonhaft überzeichneter Bösewicht die bessere Arbeit leistet, da er nie aus der Rolle zu fallen droht, und es ihm trotzdem famos gelingt, den augenzwinkernden Spaß an seinem dick aufgetragenen Schurken zu vermitteln. Man kann und soll ihn nicht ernst nehmen. Dass man als Zuschauer trotzdem mit den Muppets mitfiebern kann, zeugt schlussendlich von einer unerwarteten Stärke des anfangs so simpel gestrickt wirkenden Drehbuchs.
Fazit: Ein ansteckend spielfreudiges Ensemble und die zu Höchstform auflaufenden, liebenswürdigen Muppets sorgen mit hervorragenden Songs sowie jeder Menge einfallsreichem Witz dafür, dass «Die Muppets» trotz einer ausgedienten Geschichte junge und erwachsene Zuschauer gleichermaßen unterhält.