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Schließlich ist der Vorabend im Ersten – intern „Todeszone“ genannt – seit Jahren eine Baustelle, die viele Programmflops verschluckt hat. Darunter gute Serien wie «Türkisch für Anfänger» und Trash wie die Styling-Show «Bruce». Aktuell läuft es mit den neu gestarteten Krimiserien und Kai Pflaumes Quizshow ebenfalls schlecht. Aber gerade deswegen will Show-Titan Thomas Gottschalk dort senden: Die Baustelle, sie ist seine Herausforderung. Sie ist ein (letztes) Risiko, dem sich Gottschalk deswegen stellen kann, weil er nichts mehr beweisen muss nach 24 Jahren «Wetten, dass..?». Und dem man es glaubt, wenn er gegenüber der Zeitschrift Bunte den Fall eines Quotenflops einberechnet: „Ich werde nicht beleidigt beim Publikum die Schuld suchen, sondern mich freiwillig ins Exil nach Malibu begeben, bis die Leute mir den Flop verziehen haben.“ Nur um anzufügen: „Und wenn man mich hier gar nicht mehr will, bleib ich eben dort.“
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Berliner Bühne für den neuen Netzwerkler
Damit sich Gottschalk und seine Zuschauer auch wohlfühlen, wird großen Wert auf das Ambiente gesetzt. Der dritte Stock des ehrwürdigen Humboldt-Carrés, einem ehemaligen Bankgebäude in Berlin, ist Schauplatz von «Gottschalk Live». Ein Schreibtisch, Ledersessel, Hocker, Bücherregale schmücken neben Bildern des Malers Bernhard Prinz die Kulisse des wohnlichen Studios, das von Set-Designer Florian Wieder entworfen wurde. Dieser arbeitete mit Gottschalk bereits bei der Neugestaltung des «Wetten, dass..?»-Studios zusammen. Beeindrucken sollen besonders die großen Panoramafenster im Hintergrund, die einen Blick über Berlin-Mitte gewähren.
Als Equipment dient dem Neu-Netzwerkler Gottschalk eine ganze Reihe an Geräten, die das interaktive Live-Fernsehen möglich machen: Neben Flatscreens, per Laptop bedienbar, und Live-View-Kameras gehören auch Tablet-Computer zum Inventar. Das Versprechen, Kontakt mit der Außenwelt über twitter oder Skype zu halten, macht man offensichtlich wahr: In der 20-köpfigen Redaktion von «Gottschalk Live» befinden sich zwei Socialmedia-Redakteure. Da das Team im gleichen Raum wie Gottschalk sitzt, wird es auch zum Bestandteil der Sendung für Gespräche und Meinungen – hier könnte, dem bewährten Late-Night-Konzept folgend, eine Art Showfamilie aufgebaut werden. Auf ein Live-Publikum verzichtet man aber leider.
Mit Entertainer-Qualitäten zum Erfolg
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Problematisch ist nur, dass der Zuschauer vielleicht keinen konstanten Einschaltgrund abseits des Alleinunterhalters Gottschalk finden kann – und am Vorabend zählen feste Sehgewohnheiten, die erst einmal aufgebrochen werden müssen. Außerdem darf sich das Format nicht in der Belanglosigkeit verlieren. Natürlich werden die Einschaltquoten bei der ersten Sendung von «Gottschalk Live» gut sein, vielleicht auch automatisch bei der zweiten. Aber wichtig ist, wie man über die lange Distanz abschneidet. Der große Marathonläufer des deutschen Fernsehens, der jahrzehntelang den Fernseh-Samstagabend geprägt hat, stellt sich wieder an die Startlinie. Es ist ein langer Weg bis zum Ziel.