Jay Sherman präsentierte für zwei Jahre auf zwei verschiedenen US-Networks seine Filmkritiken. Und obwohl die Zuschauer begeistert waren, lebte die kultige Animationsserie von 1994 kein langes Leben.
FOX ist heutzutage immer noch auf der Suche nach einem Comedyerfolg in der Animationssparte, der eventuell «Die Simpsons» beerben könnte. Alle möglichen Serien, die in den letzten Jahren am Sonntagabend gestartet sind, haben sich nicht unbedingt als Quotenkracher erwiesen, waren eindeutige Kritikerflops, und wurden nach kurzer Zeit wieder eingestellt. «The Cleveland Show» hat das Glück, von Seth MacFarlane produziert zu werden, während die Zukunft von «Bob's Burgers» vor der Premiere der zweiten Staffel immer noch unsicher ist. Die Suche nach einem «Simpsons»-Nachfolger ist heute wichtiger denn je, und er sollte vor allem qualitativ ein Renner sein. Immerhin gibt es nicht viele Serien, die mit dem früheren Standard der «Simpsons» mithalten können – «Futurama» hat FOX sogar abgesetzt und es erlebte vor vier Jahren eine Renaissance auf Comedy Central. 1994 ging mit «The Critic» jedoch eine Serie an den Start, welche ein wundervoller Partner von den «Simpsons» hätte werden können. Dabei war «The Critic» in seinem ersten Jahr gar nicht mal im FOX-Programm.
Entwickelt von den «Simpsons»-Produzenten Al Jean und Mike Reiss, beschäftigte sich «The Critic» mit dem übergewichtigen Filmkritiker Jay Sherman, New Yorks „drittbeliebtestem Filmkritiker in den Morgenstunden des Kabelfernsehens“. Mit seinen wiederkehrenden Phrasen „Hotchie motchie!“ oder „Das stinkt“ ging er regelmäßig in seine Filmkritiken, oder verglich sein letztes cineastisches Erlebnis mit Krankheiten, welche Jay gegenüber schlechten Filmen bevorzugt. Seine Art und Weise der Filmkritiken bringt Jay zwar kein Lob von seinen Zuschauern, doch hat er während seiner Karriere zwei Pulitzer-Preise, einen Emmy Award und fünf Golden Globes eingesackt. Und wie es sich für eine fiktionale Serie gehört, gaben die Autoren Jay auch ein Privatleben: Seine Ex-Frau Ardeth verlangt von Jay jedes Mal 100 Dollar, wenn er sie auch nur anspricht, während Jays Sohn Marty die einzige Person in seinem Leben zu sein scheint, welche Jay akzeptiert wie er ist. «The Critic» sollte von Anfang an nicht nur eine gewöhnliche Animationsserie sein, sondern eine Satire ersten Grades. Zusätzlich war «The Critic» auch eine gelungene Parodie auf echte Hollywoodfilme – aus «The Lion King» wurde „The Cockroach King“, und «Das Schweigen der Lämmer» wurde zusammen mit «Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft» in einem Film namens „Honey, I Ate the Kids“ vereint. Marlon Brando und Regisseur Orson Welles waren ebenfalls „Opfer“ mehrerer Satiren in der Serie.
«The Critic» hatte seine Premiere am 26. Januar 1994 auf ABC um 20.30 Uhr, und sollte vor allem gegen die Konkurrenz «Die Nanny» (auf CBS) und «Beverly Hills, 90210» (auf FOX) Quoten holen. Für ABC ging der Plan jedoch nicht auf, da «The Critic» nicht auf einem schlechteren Sendeplatz hätte laufen können. Statt der Serie einen ordentlichen Einstand mit ABCs Sitcom-Erfolg «Hör mal, wer da hämmert» als Lead-in zu geben, verschwendete ABC ihre Animationsserie zusammen mit der ebenfalls neuen Comedy «Thea» als Lead-in. «Thea» allein hatte sich im Herbst 1993 schon nicht als Quotengarant herausgestellt, obwohl die erste (und einzige) Staffel für damalige ABC-Verhältnisse sich recht moderat schlug. Das Ergebnis für «Thea» und «The Critic» hätte jedoch besser ausfallen können, wenn beide Serien mit den anderen ABC-Sitcomerfolgen zusammengepaart worden wären. Stattdessen verlor ABC regelmäßig die 20-Uhr-Stunde an FOX und NBC, während die 21-Uhr-Stunde (mit «Hör mal, wer da hämmert» und «Grace Under Fire») die Konkurrenz auf den anderen Sendern regelrecht auseinandernahm.
«The Critic» startete seine kurze Laufzeit auf ABC mit ordentlichen 15 Prozentpunkten in den Ratings (was bedeutet, dass rund 15 Prozent aller Haushalte zur Serienpremiere schalteten), musste allerdings bald einen herben Zuschauerverlust hinnehmen. In den Wochen darauf lagen die Ratings nur noch bei knapp über 10 Prozentpunkten, was für ABC nach sechs Wochen offenbar nicht gut genug war. «The Critic» verschwand in einen Hiatus, und war inoffiziell abgesetzt. Besonders, nachdem der Comedyersatz «Thunder Alley» auf dem selben Sendeplatz im März bei seiner Premiere ein Rating von 17.7 Prozentpunkten holte. «The Critic» kehrte im Sommerloch mit den restlichen sieben Folgen zurück, doch auch hier konnten die Quoten sich nicht verbessern. Für ABC war die Serie Geschichte.
Jedoch nicht für FOX, welches eine passende Serie als Lead-out für die «Simpsons» benötigte. Und die Kritiken zu «The Critic» waren positiv genug, dass der damalige Präsident der FOX Entertainment Group, John Matoian, ABC die Serie abkaufte und im März 1995 einen Platz hinter den «Simpsons» gab. Mitte der 1990er war FOX noch nicht unbedingt ein Quotengarant in den Nielsen Charts, weshalb eine Serie wie «The Critic», mit einem Durchschnittsrating von 10.4 Prozentpunkten bei allen Haushalten, bei FOX durchaus als Erfolg gesehen werden konnte. Zehn weitere Episoden wurden unter dem Mantel der zweiten Staffel produziert, die für FOX-Verhältnisse zwischen März und Mai 1995 recht erfolgreich liefen. «The Critic» konnte rund 90 Prozent der Zuschauer von den «Simpsons» behalten, am Ende wurde die Serie aber doch nicht für eine dritte Staffel verlängert.
Der Grund war laut den Produzenten ein ganz einfacher: FOX hatte kein großes finanzielles Interesse an «The Critic», nachdem es nicht auf dem Sender und beim eigenen Studio entstanden ist. Die Serie gehörte Sony, was bedeutete, dass FOX im Falle von Wiederholungen bei kleineren, lokalen Sendern (Syndication) keine Anteile der Gewinne sehen würde. Um sich diesen garantierten „Kostenverlust“ zu ersparen, gab es, trotz guter Quoten, keine Verlängerung. Zum diesem Zeitpunkt war «The Critic» allerdings immer noch nicht tot. Den Produzenten war von vornherein klar, dass ihre Serie auf FOX eventuell keine lange Zukunft haben wird, weshalb neun weitere Drehbücher für eine eventuelle dritte Staffel geschrieben wurden, die an UPN weitergereicht wurden. UPN hatte auch Interesse, die Serie zu kaufen, was jedoch an zwei Fronten scheiterte: Das Budget hätte drastisch gekürzt werden müssen, um das kleine Network finanziell nicht zu stark zu belasten (dabei wurde das Budget der Serie schon beim Wechsel zu FOX stark gekürzt); und FOX hatte «The Critic» nie offiziell abgesetzt. Die Angst, dass die Produzenten ihre Serie zu einem neuen Sender tragen, und sie dann zu einem Quotenerfolg heranwächst, war für FOX zu groß.
Eine „dritte Staffel“ gab es dennoch: Zwischen 2000 und 2001 entstand eine Webserie für AtomFilms – zehn drei- bis fünfminütige Episoden wurden entwickelt, die sich größtenteils nur mit Jays Filmkritiken beschäftigen. So gut wie alle Charaktere aus den beiden vorherigen Staffeln wurden dafür fallen gelassen. Das Ende der Webserie war gleichzeitig auch das endgültige Ende für «The Critic» (jedoch nicht für Jay Sherman, der in einer «Simpsons»-Episode von 2004 einen Cameoauftritt lieferte). Heute gilt die Animationscomedy als Kultklassiker, welcher es schaffte, seine Storys charakterzentrisch zu halten und niemals zu sehr in die Comedysparte abzudriften (wie es heutzutage bei den Comedy-Central-Serien der Fall ist). Ein Kultklassiker, welchen FOX auch nach dem Ende von «The Critic» sucht, und heute immer noch nicht gefunden hat.