Die Sitcom mit Jason Ritter war ein Objekt der Begierde während der Drehbuchphase, ein Hype vor ihrer Premiere und eine Serie, die von Anfang an kein Zuschauermagnet war.
„The pilot season is upon us“ - Amerikaner würden spätestens jetzt anfangen zu nörgeln, wenn sie sich von den unzähligen News der Pilotbestellungen auf den unzähligen Entertainment- und Mediaseiten belästigt fühlen. Dabei ist die Pilot Season zwischen Januar und April jedes Jahres die wohl interessanteste Zeitspanne eines TV-interessierten Gelehrten. Damit auch Quotenmeter.de-Leser den Überblick haben, beschäftigt sich „You are Cancelled“ ebenfalls mit der Pilot Season – wenn auch über mehrere Ecken und Enden. Denn die gecasteten Darsteller haben auch so einige TV-Flops in ihrem Lebenslauf stehen, welche sich durchaus für eine genauere Betrachtung lohnen. Letzte Woche blickten wir ein wenig ins Leben von Judy Greer zurück, die in ihrer Karriere durchaus kein Glück als Sitcom-Hauptdarstellerin hatte. Heute werden wir uns mit Jason Ritter beschäftigen. Und nein, nicht mit «The Event», dessen Flop in Sachen Kreativität und Spannungsaufbau eine eigene Dissertation verdient, und nicht einmal die deutschen Zuschauer interessierte. Ein Blick in die Zukunft: Jason Ritter übernimmt eine Hauptrolle im NBC-Piloten «County», entwickelt von Jason Katims. Die Serie geht zurück ins Genre, welches NBC in den 1980ern und 90ern mit «St. Elsewhere» («Chefarzt Dr. Westphall») und «Emergency Room» berühmt machte – «County» wird sich mit den Ärzten, Schwestern und Leitern eines Krankenhauses beschäftigen. Katims und Ritter setzen auch ihre Arbeit mit NBC fort. Es ist Ritters vierte Serienrolle innerhalb kürzester Zeit bei NBC – nach einer Gastrolle in «Mercy» gab es eine wiederkehrende Rolle in «Parenthood» und seinen gefloppten Versuch, die Welt und seine Verlobte in «The Event» zu retten.
Ein Blick in die Vergangenheit: Ritter hatte eine Hauptrolle in der Comedy «The Class», welche zwischen September 2006 und März 2007 in 19 Episoden auf CBS ausgestrahlt wurde. Die Sitcom beschäftigte sich mit dem 28-jährigen Ethan Haas (Ritter), der seiner Verlobten Joanne eine ultimative Überraschungsparty spendieren wollte: ein Wiedersehen mit den Klassenkameraden aus der dritten Klassenstufe – als 20-jähriges Jubiläum für das erste Kennenlernen zwischen Ethan und Joanna, damals in der dritten Klasse. Einige der damaligen Schüler haben sich auch entschieden, zur Überraschungsparty zu kommen. Diese endet jedoch für Ethan in einer Katastrophe, nachdem Joanna während der Party die Verlobung beendet und aus seinem Leben verschwindet. Allerdings beginnt das Leben für Ethan erst, denn wie sich herausstellt, war die Wiedervereinigung der dritten Klasse keine so schlechte Idee. Obwohl sie sich seit Jahren nicht gesehen haben, entstehen neue Freundschaften und eine noch viel größere Akzeptanz über das Leben, welche der Klassenclown, das Mädchen von nebenan, und der unpopuläre Nerd heute leben.
Was wie ein leichtes Drama klingt, welches heute auf The CW laufen könnte, war eine Multikamera-Sitcom mit Lachkonserven aus dem Hintergrund. Entwickelt von David Crane, der in den 90ern schon mit «Friends» Sitcom-Gold entwickelt hatte, sollte die Serie das Leben einer Gruppe 28-Jähriger begleiten und die Frage stellen, was ehemalige Mitschüler aus der Grundschule heute für ein Leben führen. Die Idee kam Crane und Mit-Produzent und Lebenspartner Jeffrey Klarik, als beide ihren Keller ausräumten und dabei alte Fotos von Crane aus der dritten Klassenstufe fanden. Ihre Serienidee war so originell und vielversprechend, dass «The Class» sich in einem Bieterkrieg zwischen NBC, CBS und FOX befand. NBC hatte einen Vorteil, da die Sitcom von Warner Bros. produziert wurde und beide Parteien schon seit Jahren eine gute Geschäftsbeziehung führen; FOX befand sich gleich dahinter, da der Sender eine Bestellung für 22 Episoden vorsah, ohne auch nur eine Pilotfolge gesehen zu haben. Dass letztendlich CBS den Zuschlag bekam, wirkte letztendlich wie ein überraschendes Ende aller Beteiligten abseits Warner Bros.
«The Class» war keine traditionelle Multikamera-Sitcom für den Network-Markt in amerikanischen Fernsehen. Die Autoren mussten sich mit der Charakterarbeit von mehr als einem Dutzend Charakteren beschäftigen und diesen genügend Sendezeit und Entwicklung geben. Mit der ungewöhnlich großen Anzahl an Charakteren in einer Sitcom, die zudem noch in verschiedenen Regionen hausten, gab es auch eine größere Angriffsfläche für verschiedene Geschichten, die jedoch immer im Ton des „Klassentreffens“ stehen sollten. Dank des Bieterkrieges zwischen den Networks und der nicht-traditionellen Herangehensweise einer Comedy gab es um «The Class» vor der Serienpremiere einen Hype: War die Serie in der Lage, innerhalb 22 Minuten nicht nur ihre Prämisse zu verkaufen, sondern auch acht Charaktere einzuführen? War die Serie in der Lage, neben «How I Met Your Mother», welches sich zu der Zeit in seiner zweiten Staffel befand, zu bestehen? «The Class» wurde im Herbst 2006 als beste Comedy des Jahres beschrieben. Allerdings wurde gleichzeitig auch NBCs Neustart «Studio 60 on the Sunset Strip» als bester Dramaneustart tituliert – und Aaron Sorkins Serie wurde nach einer Staffel wieder abgesetzt. Das gleiche Schicksal sollte auch «The Class» durchleben müssen.
Trotz des vorangegangenen Hypes war die Serienpremiere am 18. September um 20 Uhr kein Renner bei den Zuschauern. Eine Reichweite von 10,60 Millionen und ein Marktanteil von 11 Prozent bei allen Zuschauern brachte «The Class» nur ins Mittelfeld der Wochencharts. Durchaus enttäuschend für CBS und Warner Bros. Und die Quoten sollten sich in den darauffolgenden Monaten nicht verändern. Die komplette, 19-teilige Staffel tanzte in der Regel zwischen sieben und neun Millionen Zuschauern herum und konnte sich nie als Erfolg etablieren. Auch nicht bei den Kritikern, die nach dem Hype seitens CBS äußerst enttäuschend von «The Class» redeten. Sie glaubten, dass die Serie zu viele Charaktere hatte, um als bodenständige Sitcom zu wirken. In der Hoffnung, aus der Serie noch einige neue Zuschauer herauszukitzeln, tauschte CBS die Programmplätze von «The Class» und «How I Met Your Mother» (welches um 20.30 Uhr ausgestrahlt wurde), um der neuen Sitcom die Schützenhilfe einer schon etablierten Comedyserie zu geben. Zum Vergleich: «How I Met Your Mother» holte während der zweiten Staffel durchschnittlich mehr als 9 Millionen Zuschauer, während «The Class» um einen Durchschnitt von rund 8,5 Millionen rumkrebste.
Vertrauen gab es von CBS in «The Class» Wochen nach der Premiere nicht mehr. Der Sender zögerte mit einer „Back-9“-Bestellung (die Aufstockung einer 13-Episoden-Staffel in branchenübliche 22 Episoden), gab den Produzenten jedoch die Chance, sich weiterhin beweisen zu dürfen: Mitte November bestellte CBS weitere Episoden, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Autoren sich auf weniger Charaktere fokussieren sollten. Außerdem hatte CBS Hoffnungen, dass ihre Midseason-Comedy «Rules of Engagement», welche im Frühjahr 2007 den Sendeplatz von «The Class» beerben sollte, einschlagen würde. Doch der neue Sendeplatz und die kreative Umarbeitung der Serie halfen niemandem. Es sprangen keine neuen Zuschauer an Bord, und die Entscheidung einer Verlängerung wurde bis zur letzten Sekunde hinausgezögert – was meistens heißt, dass das Urteil am Ende negativ ausfällt. Die Absetzung von «The Class» wurde während der CBS-Upfronts am 15. Mai 2007 beschlossen.
Die Sitcom war allerdings wegen eines anderen Themas in der Presse bekannt. Produzent David Crane hat während einer Pressetour zugegeben, dass es womöglich ein Fehler war, die Serie mit einem „farbenblinden“ Casting-Ansatz anzugehen – vor allem, weil der Cast nur mit hellhäutigen Darstellern auffiel und keine Minderheiten anzubieten hatte. Was bei der Tatsache, dass «The Class» in Philadelphia angesiedelt war, dessen afroamerikanische Bevölkerung einen höheren Prozentwert hat als die der Weißen, äußerst merkwürdig für die Presse war. Kritiker waren nicht erfreut darüber, dass es kein schwarzer oder hispanischer Darsteller in die Serie geschafft hat, und stellten sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, schon im Drehbuch die amerikanische Rassenfrage auszblenden (indem die Charaktere von Beginn an nicht farbenblind geschrieben werden). Außerdem wurde Crane Rassismus vorgeworfen, zumal er auch in «Friends» keinen Platz für Minderheiten hatte.
David Crane und Jeffrey Klarik waren nach dem enttäuschenden Ende von «The Class» damit beschäftigt, für Showtime dass Matt-LeBlanc-Vehikel «Episodes» zu entwickeln, während einige Castmitglieder nach der Serie weiter Karriere gemacht haben. Jason Ritter wechselte zu NBC und hat nun eine weitere Hauptrolle an der Angel; Lizzy Caplan absolvierte eine wiederkehrende Rolle in «True Blood» und entwickelt sich langsam, aber sicher, zu einem Hollywoodstar; Jesse Tyler Ferguson ist zur Zeit ein Teil der erfolgreichen ABC-Sitcom «Modern Family», während Jon Bernthal zurzeit Walker in «The Walking Dead» jagt. Im Februar letzten Jahres fand «The Class» seine deutsche Erstausstrahlung auf ProSieben in werktäglichen Doppelfolgen, nachdem der Münchner Sender sich bemühte, sein Morgenprogramm mit Sitcoms aufzubessern.