Popcorn & Rollenwechsel

„Ab 0?!“

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Unser Kinokolumnist erklärt, weshalb die FSK-Freigabe eines Films nicht als Sehempfehlung taugt.

Die Altersfreigabe eines Films deutet nur bedingt auf sein Zielpublikum hin. Viele Jugendliche sind sich dieses Umstands ja leider nicht bewusst: „Ab sechs? Das kann ja nur was für Babys sein, du Lusche! Höhöhöhöhö!“

Die Freigaben der FSK sind lediglich Richtlinien, deren Ziel es ist, Erziehungsberechtigten eine Orientierung zu bieten, welche Filme das seelische Wohl ihrer Kinder beeinträchtigen könnten. Es war nie Sinn der Jugendfreigaben von Kinofilmen (oder auch Videospielen), analog zu den freiwilligen Leseempfehlungen von Büchern, darauf hinzuweisen, an welche Altersgruppe sie gerichtet sind. So sind zahlreiche Filme mit dem lächerlich aussehenden „ab 0“-Sticker für Filmfreunde jeden Alters geeignet. Animationsfilme wie «WALL•E» und «Oben» oder Realfilme wie «Das Wunder von Manhattan» zielen sowohl auf Kinder, wie auch auf Erwachsene ab. Wieder andere Produktionen, die laut Jugendfreigabe für Kinder geeignet sind, sind in Wahrheit einfach nur nicht schädlich für den filmgenießenden Nachwuchs.

Die skurrile Beziehungskomödie «(500) Days of Summer» mit Zooey Deschanel, das Coming-of-Age-Drama «An Education» oder die französische Tragikomödie «Die anonymen Romantiker» – sie alle sind zwar schon für Kindergartengruppen freigegeben, aber die würden sich zu Tode langweilen. Um diese Filme genießen zu können, benötigt es schon einige Jahre auf dem Buckel. Einerseits rein intellektuell: Die Dialoge dieser Filme sind weit über dem Niveau dessen, was junge Kinder aufnehmen können. Aber auch die für das Verständnis der Dramatik und des Humors dieser Beziehungskisten nötige Lebenserfahrung muss erst gesammelt werden.

Ein ganz anderer Fall ist «Ocean's Thirteen», der in Deutschland ebenfalls für jedes Alter freigegeben ist. Allerdings dürfte es schwer fallen, ihm eine juvenilere Art als «Ocean's Eleven» zu attestieren. Eine Gruppe cooler Gangster treibt ein Casino in den Ruin, ohne auch nur eine Kugel abzufeuern oder in eine einzige Verfolgungsjagd verwickelt zu werden. Das ist viel eher ruhigere, reifere Unterhaltung, als die gesamte «Fast and the Furious»-Reihe zu bieten hat, welche sich mit dem nächsten Teil ja angeblich stärker an die «Ocean's»-Filme anlehnen möchte und Freigaben ab zwölf und ab 16 Jahren erhielt.

Ein Kinofilm muss nicht vor Sex und Gewalt triefen, um sich als Erwachsenenunterhaltung zu qualifizieren. Insbesondere die FSK-Freigabe „ab 12“ ist ein riesiges Sammelbecken an Actionfilmen für Jugendliche, an ihrem Zielpublikum vorbeischießenden Kinderfilmen wie «Duell der Magier» oder «Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte» und Cineasten-Favoriten wie «2001: Odyssee im Weltraum», «Citizen Kane», «Die Verurteilten» oder «There Will Be Blood». Es dürfte schwer sein, sich ein Publikum vorzustellen, das sich an einem Triple-Feature aus «Kampf der Titanen 3D», «Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte» und «There Will Be Blood» laben würde. Und dennoch, wenn man sich in den jugendlichen Geisteszustand zurückversetzt, dass alle „ab 12“-Filme gleich sind, so müssten diese Filme perfekt zusammenpassen.

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