Die Kölner lassen eine neue Sitcom produzieren und haben den US-Erfolg «Modern Family» in der Hinterhand.
Nein, ein Trend sind Sitcoms im deutschen Fernsehen schon längst nicht mehr: Seit einigen Jahren bespielt kabel eins erfolgreich mit nur einer Handvoll Sitcoms seine Daytime – zuletzt zwar weniger erfolgreich als noch vor einem Jahr, aber immer noch mit annehmbaren Quoten. ProSieben möbelte mit Sitcoms seinen zuvor chronisch quotenschwachen Dienstagabend auf – und ist dort seit Jahren mit den «Simpsons» und «Two and a Half Men», zuletzt sogar mit «The Big Bang Theory», erfolgreich. In den USA gehören neue Sitcoms wie «2 Broke Girls» und Tim Allens «Last Man Standing» zu erfolgreichen Neustarts der TV-Saison. Überhaupt sind Sitcoms wieder seit Jahren im US-Programm sehr erfolgreich. Hat der deutsche Marktführer RTL vergessen, sich die Popularität dieses Genres zunutze zu machen?
Natürlich hat die Ausklammerung von Sitcoms auch strategische Gründe: Es gab in den vergangenen Jahren schlicht keinen Grund, erfolgreiche Primetime-Programmierungen für Sitcom-Serien zu ändern – schließlich gibt es dafür keinen regelmäßigen Sendeplatz mehr bei RTL, nachdem freitags Günther Jauch (und zum Teil Oliver Geissen) seit Jahren erfolgreich auf Quotenfang gehen. Längst aber muss sich RTL Gedanken über die Zukunft machen: Die Dienstags-Serie «Dr. House» wird in den USA bald eingestellt, am Donnerstag sind die hoffnungsvollen Eigenproduktionen «Countdown» und «Die Draufgänger» nicht mit guten Quoten gesegnet – und werden wohl nach dieser Staffel abgesetzt.
Kurz: RTL braucht Fiction-Nachschub. Und nachdem man jahrelang auf Action- und Drama-Produktionen (einzige wirkliche Ausnahme war «Doctor’s Diary») gesetzt hatte, könnte nun doch noch die große Stunde der Comedy in der RTL-Primetime schlagen – auch wenn man eigentlich Jahre zu spät ist. Bekannt wurde in dieser Woche, dass derzeit acht Folgen von «Sekretärinnen» gedreht werden, einer deutschen Sitcom des Produktionsunternehmens ITV Studios Germany. Headautorin ist Sonja Schönemann. Mit «Hilfe Hochzeit» (Sat.1) und «Der kleine Mann» (ProSieben) schrieb sie in den vergangenen Jahren qualitativ gute Sitcom- und Comedy-Formate, die aber beide keine guten Einschaltquoten erreichten. Weiterhin hat RTL die halbstündige Serienkomödie «Der Lehrer» in der Hinterhand, die mit der ersten Staffel ein überraschender Erfolg wurde. 2009 wurde sie am Montagabend nach «Wer wird Millionär?» gezeigt – unwahrscheinlich, dass dies wieder der Fall ist, nachdem man dort ausreichend erfolgreiche Reality-Programme wie zuletzt «Undercover Boss» etablieren konnte. Eine zweite Staffel von «Der Lehrer», 2011 produziert, wartet noch auf eine Ausstrahlung.
Für mehr klassische Comedy bei RTL spricht zudem, dass man die US-Serie «Modern Family» derzeit synchronisieren lässt. «Modern Family» ist beim jungen Publikum eines der erfolgreichsten Fernsehprogramme in den Vereinigten Staaten, ähnlich beliebt wie «The Big Bang Theory» und «Two and a Half Men». Drei Staffeln des Formats gibt es in den USA bereits – fraglich ist aber, ob RTL das Risiko wirklich eingeht, es selbst zu zeigen. Mit «Glee» ging man beispielsweise einen anderen Weg, schob die in den USA erfolgreiche Highschool-Serie zu Super RTL ab. Ein Problem: «Modern Family» funktioniert als Mockumentary, also im Doku-Stil von «Stromberg». Es ist schwer, solche US-Formate ins Deutsche zu synchronisieren, ohne dass die vermeintliche Spontaneität verloren geht. Mit der US-Version von «Stromberg» namens «The Office» ist ein solcher Versuch bereits gescheitert: Unter dem Titel «Das Büro» lief die eingedeutschte Version ohne Erfolg nur wenige Monate bei Super RTL.
Bisher hat sich RTL sich den klassischen Comedy- und Sitcom-Serien konsequent verweigert – ausgerechnet RTL, möchte man meinen, die früher mit Deutsch-Sitcoms wie «Nikola» und «Ritas Welt» größte Erfolge feiern konnten. Kampflos hat man in den vergangenen Jahren der Konkurrenz wie ProSieben das Feld überlassen. Vielleicht ist damit bald Schluss.
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