Andreas Bartl verlässt die deutschen ProSiebenSat.1-Sender. Kommissarisch übernehmen Konzernchef Thomas Ebeling und ProSieben-Boss Jürgen Hörner seine Aufgaben.
Die Spatzen pfiffen es schon von den Dächern: Andreas Bartl stehe vor dem Aus bei ProSiebenSat.1 Deutschland TV, hieß es in der vergangenen Woche. Anfangs noch heftig dementiert, wurden weitere Berichte am Wochenende von der eigentlich nicht zimperlichen PR-Abteilung des Unternehmens geduldet – ein Zeichen dafür, dass die Zeit Bartls nach über 20 Jahren in Unterföhring nun gezählt ist. Inzwischen herrscht in der Tat Klarheit: Bartl verlässt den Vorstand des Unternehmens zum 1. März 2012 – immer wieder ist aber auch zu hören, dass er dies nicht mit all zu vielen Tränen tut. In einer Mitteilung des Konzerns ist sogar von „auf eigenen Wunsch“ die Rede, war zuletzt doch aber immer wieder davon zu hören, dass Konzernchef Ebeling sich zunehmend in Programmliches einmischte und mit Bartls Kurs nicht zufrieden war. Bartl begann seine Laufbahn 1990 bei ProSieben, wo er bis 2000 unter anderem die Programmplanung leitete. Zwischen 2000 und 2005 leitete er kabel eins, modernisierte den Kanal und zeigte dort US-Krimis wie «Cold Case» und «Without a Trace».
2005 wurde er Chef von ProSieben und bestückte den Kanal mit noch heute erfolgreichen Formaten wie «Schlag den Raab» oder «Germany’s Next Topmodel». Im Juni 2008 wurde Andreas Bartl in den Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG berufen. Von 2009 bis 2011 führte er zusätzlich zu seiner Funktion als Vorstand den Sender Sat.1. Bartl war seiner Zeit auch dafür verantwortlich, den Sender Sat.1 nach dem Umzug von Berlin nach München zu integrieren. Die Zeit seit Ende 2009 gehörte dann nicht zu den erfolgreichsten.
Sicherlich: Bartl muss seinen Kopf dafür hinhalten, dass jüngste Neuzugänge zu Sat.1 – und dazu zählen neben Harald Schmidt und Johannes B. Kerner auch der inzwischen schon wieder bei Sky und RTL zu sehene Oliver Pocher – quotentechnisch nicht punkteten. Die Wiederholungsrate wurde gerade bei Sat.1 deutlich nach oben gefahren, der Vorabend gleicht einer riesigen Baustelle. Als er das Amt des Sat.1-Chefs im vergangenen Herbst abgab, sprach er von einem „bestellten Haus“, um nur einen Monat später ansehen zu müssen, wie der Bällchensender sehr tief mit den Monats-Marktanteilen abrutschte.
Andreas Bartl selbst sprach in einem Statement am Donnerstag vor allem von den zahlreichen Kreativen, die in der Firma arbeiteten. „Es war eine tolle Zeit, in der ich mit vielen großartigen Fernsehmachern und Künstlern zusammenarbeiten konnte. Ohne sie und mein Team wären all die Erfolge nicht möglich gewesen. Ich danke euch,“ lässt er sich zitieren. Dem Konzern werde er freundschaftlich verbunden bleiben. Nun wolle er sich einen „lange gehegten Wunsch erfüllen“, teilte er mit. Sein neues Unternehmen Bartl Media wird sich der Entwicklung von neuen Fernsehsendern, TV-Formaten sowie künstlerischen Talenten widmen. In dieser Funktion wird Bartl künftig auch ProSiebenSat.1 beraten.
Götz Mäuser, Vorsitzender des Aufsichtsrats der ProSiebenSat.1 AG, teilte am Donnerstag mit: „Durch seine innovative Kraft wurden eine Vielzahl von sehr erfolgreichen Formaten im deutschen Fernsehen etabliert, die heutzutage nicht mehr wegzudenken sind. Andreas Bartl hat der gesamten Sendergruppe immer wieder entscheidende Impulse gegeben, das TV-Programm den sich ändernden Sehgewohnheiten und -bedürfnissen der Zuschauer anzupassen und weiter zu entwickeln. Ich bin froh, mit Andreas Bartl auch künftig einen starken und profunden Kenner der Medien-Industrie als Berater an der Seite von ProSiebenSat.1 zu wissen.“
Für Bartl gibt es bei ProSiebenSat.1 nun zwei kommissarische Nachfolger. Den Vorstandbericht übernimmt CEO Thomas Ebeling (Foto) zunächst selbst, Vorsitzender der Geschäftsführung von ProSiebenSat.1 Deutschland TV wird der aktuelle ProSieben-Chef Jürgen Hörner. Ebeling erklärte am Donnerstag, Bartl habe ProSiebenSat.1 geprägt wie kaum ein anderer. „Er kam aus dem "Maschinenraum", wie er selbst gern sagt, und hat auf dieser soliden Basis immer mehr Managementerfahrung gewonnen, bis er schließlich Deutschlands größte integrierte Senderfamilie geführt hat. Dass er jetzt, nach 20 erfolgreichen Jahren im Konzern, den Weg in die Selbständigkeit wählt, kann ich ihm nicht verdenken. Er wird auch hier durch seine Kreativität, sein besonnenes Urteil und seine tiefe Menschenkenntnis Erfolg haben. Ich persönlich verdanke ihm drei Jahre voll interessanter Gespräche und wichtiger Einsichten.“