Die Ära Andreas Bartl bei ProSiebenSat.1 endet. Warum dem leidenschaftlichen Medienmacher zuletzt sicherlich manchmal Unrecht getan wurde. Ein Kommentar von Manuel Weis.
Was sich vergangene Woche und spätestens am Wochenende schon andeutete, als sich die Pressestelle von ProSiebenSat.1 nicht mehr gegen Berichte wehrte, Andreas Bartl würde die deutschen Free-TV-Sender verlassen, ist seit Donnerstag Gewissheit: Der Mann, der seit 20 Jahren in Unterföhring bei ProSiebenSat.1 ein und aus ging, wird nun die Türen hinter sich schließen.
Andreas Bartl, die Allzweckwaffe. Bartl, der Mann der aus dem Maschinenraum kommt, wie Vorstandschef Thomas Ebeling nun in dieser Woche sagte. Bartl ist ein Kind von ProSieben, das Wohl des Senders lag ihm wohl immer am meisten am Herzen. Bartl ist gleichermaßen aber auch ein Fernsehmacher, was man beispielsweise bei Formaten wie «Unser Star für Oslo» oder «The Voice of Germany» besonders sah. Auch die Tatsache, dass er Sendungen wie «Kerner», «Die Oliver Pocher Show» und jüngst auch Harald Schmidt Zeit gab, verdient zunächst einmal Anerkennung.
Seit 2000 war dort, wo er hingehörte: oben. Anfangen als Chef des Senders kabel eins stellte er für den Kanal, der in diesen Tagen seinen 20. Geburtstag feiert, die Weichen neu. Langsam und sehr vorsichtig brachte er den Kanal weg vom reinen Klassiker-Image, führte US-Produktionen wie «Cold Case» und «Without a Trace» ein und hat somit maßgeblichen Anteil daran, dass der Sender heute bei rund sechs Marktanteil liegt. 2005 war dann sein Baby, ProSieben, in Nöten. Nachdem Geschäftsführer Dejan Jocic den Kanal quoten- und teilweise auch imagemäßig heruntergewirtschaftet hatte, musste Bartl die Kohlen aus dem Feuer holen.
Und er schaffte es auch, ProSieben langfristig zu prägen. Sendungen wie «Schlag den Raab» und «Switch Reloaded» entstanden zu seiner Zeit als Chef von ProSieben. «Germany's Next Topmodel» machte er On Air zu einem großen Erfolg. Bartl hatte sich einmal mehr als Glücksgriff erwiesen, nahezu alles, was er anfasste, schien irgendwie auch Erfolg mit sich zu bringen. Bartl verabschiedete sich von Fake-Formaten und versuchte nach den unter Jocic üblichen schnellen Absetzungen und somit ständigen Programmänderungen wieder etwas mehr Kontinuität zu schaffen. Die drei Jahre nach 2005 waren vielleicht die besten des Andreas Bartl – alles, was danach kam, dürfte nicht mehr so viel Spaß gemacht haben.
Der finanzielle Druck wurde in Unterföhring immer größer, Bartl entschied unter anderem mit, dass Sat.1 von Berlin nach Unterföhring umzog – und war somit auch dafür verantwortlich, dass das Gesicht des Senders heute ein anderes ist. Nur etwas mehr als 30 Leute von Sat.1 gingen mit nach München, inzwischen wird der Sender von einer ProSiebenSat.1-Truppe betreut und geleitet. Sat.1 war es ohnehin, das Bartl jüngst immer mehr Sorgen bereitete. 2010 musste er Guido Bolten als Chef des Bällchensenders vor die Tür setzen, der größte Kanal der damaligen German Free TV Group war quotentechnisch ins Schlingern geraten.
Gesetzt hatte man bei Sat.1 auf eine gewisse Retro-Schiene – mit «ran», mit Kerner, mit Ideen der «Wochenshow» und anderem. Vergessen hatte man aber wohl, dass Formate wie die «Wochenshow» eben aus gutem Grund nicht mehr im Programm waren: nämlich weil die Quoten zum Ende nicht mehr stimmten. Bartl übernahm das Ruder bei Sat.1 selbst, profitierte in dieser Zeit aber teilweise auch von Projekten, die Sat.1 noch zu Berliner Zeiten angeschoben hatte, «Der letzte Bulle» und «Danni Lowinski» sind nur zwei davon. Insgesamt gelang es Bartl nicht, dem Sender ein wirklich neues Gesicht zu geben – wichtige Verpflichtungen wie Kerner oder Pocher sind wieder weg oder zumindest auf einer Art Abstellgleis geparkt. Der große Neueinkauf Harald Schmidt holt weniger als sechs Prozent Marktanteil. All das wurde jüngst auch Andreas Bartl angekreidet – und zusammenhängend damit auch die Tatsache, dass Sat.1 quotentechnisch nicht vorankommt. Und auch Bartl hatte das wohl erkannt, schaute er doch immer irgendwie auch zu RTL auf – was konzernintern des Öfteren kritisiert wurde, war Sat.1 doch in Urzeiten derjenige, der der Spitzenreiter war und Trends setzte.
Genau damit hat man ihm wohl Unrecht getan. In einer Firma, in der die Bilanzen und Quartalsergebnisse wichtiger sind als die Quotendaten eines jeden Morgens, lässt sich gutes Programm oftmals eben nicht so einfach machen. Da muss die ein oder andere Spielfilmwiederholung eben anstelle einer neuen Eigenproduktion ins Programm. Mit diesen Aufgaben müssen sich nun andere befassen, unter anderem Thomas Ebeling, Vorstandsvorsitzender der Firma, selbst.
Mit Bartl geht aber auf jeden Fall ein Programmmacher, eine Figur des deutschen Fernsehens, wie es sie nur selten gibt. Man wird ihm wohl schon bald ähnlich nachtrauern wie einem Georg Kofler oder einem Helmut Thoma. Die beiden sollen aber auch abseits des Tagesgeschäfts ein angenehmes Leben führen – und das sei dem Macher aus dem Maschinenraum nun auch vergönnt.