Popcorn & Rollenwechsel

Der Nachdreh des «John Carter»

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«John Carter» durchlief mehrere Nachdrehs, was Branchenkenner in Alarmbereitschaft versetzte. Unser Kolumnist blickt auf die Probleme hinter dem Sci-Fi-Epos.

Diese Woche startet das Sci-Fi-Abenteuer «John Carter» in den Kinos, rechtzeitig zum 100-jährigen Jubiläum des von «Tarzan»-Autor Edgar Rice Burroughs verfassten Romans «A Princess of Mars». Diese war der Startschuss für eine elfteilige Romanreihe rund um den US-Bürgerkriegsveteran John Carter, den es durch mysteriöse Umstände auf den Planeten Mars verschlägt, wo er gegen seinen Willen zum Kriegsherren eines brutalen Zwists zwischen den dort lebenden Rassen aufsteigt.

Die Vorlage zu «John Carter» inspirierte zahlreiche andere Science-Fiction-Werke, darunter «Star Wars» und «Avatar», was den neusten Film von «Findet Nemo»-Regisseur Andrew Stanton paradoxerweise vor zahlreiche Probleme stellte, nennenswertes Zuschauerinteresse zu generieren. Einige eingefleischte Sci-Fi-Fans, überzeugte Kenner der Vorlage und Filmliebhaber mit großem Vertrauen in Stantons künstlerischem Handwerk erst bei Seite genommen, löste die Promotion zu «John Carter» fast nur ratlose Reaktionen aus.

Die actionorientierten Trailer zum Film lassen ihn wie eine standardmäßiges Spektakel aussehen, dem es aber an einem klaren Zugpferd für das breite Publikum mangelt. Sei es ein Star von der Größe eines Bruce Willis, das Versprechen bahnbrechender Technologien (wie bei «Avatar») oder auch einfach ein ganz bestimmter Tonfall. Soll «John Carter» nun den Spaß eines «Star Wars: Episode IV» verbreiten? Soll er Zuschauer ins schiere Staunen versetzen (wieder sei «Avatar» genannt) oder deutet die Trostlosigkeit einiger Landschaftsbilder auf eine eher düstere Geschichte hin? Die würde immerhin zum sehr melancholischen Teaser passen, in dem nachdenkliche Musik von Peter Gabriel zu hören ist. Aber wenn das zutrifft, wieso sind dann einige der Poster so bunt und zeigen grinsende Alienmonster?

Doch nicht nur die lauwarmen Publikumsreaktionen auf Disneys Marketing, und die davon abhängigen, überaus desaströsen Prognosen für die Kinoeinnahmen, warfen in den vergangenen Wochen einen unguten Schatten auf «John Carter». Ein Bericht im Branchenmagazin The Hollywood Reporter warf das Gerücht auf, Andrew Stanton hätte die Richtung, in die sein Mammutprojekt gehen soll, im Laufe der Produktion komplett geändert, weshalb ausführliche Nachdrehs stattfinden mussten. Das Budget sei deshalb, sowie aufgrund zahlreicher Verzögerungen im Drehplan, von den anvisierten 200 Millionen Dollar auf über 300 Millionen explodiert.

Auf diese Gerüchte reagierte Andrew Stanton in den letzten Phasen der Pressearbeit für «John Carter» geradezu giftig. Mehrmals verkündete er über Twitter, dass sie für ihn die ärgerlichsten Fehlmeldungen seien, mit denen er zu tun hatte. Und auch während einer Presseveranstaltung für US-amerikanische Filmjournalisten bestand er darauf zu statuieren, dass er exakt innerhalb des mit Disney vereinbarten Budget- und Zeitplans gearbeitet habe. „Disney war derart froh darüber,“ so Stanton weiter, „dass sie mir einen längeren Nachdreh gestatteten, weil ich so ein braver Angestellter war. Deshalb finde ich es ironisch, dass wir nun des exakten Gegenteils beschuldigt werden.“

Die von Stanton angesprochenen Nachdrehs seien allerdings nicht als Notmaßnahme zu verstehen, sondern von Vornherein mit eingeplant gewesen. Selbst wenn diese Methode eher ungewöhnlich ist: „Die Leute scheinen das nicht zu verstehen, vielleicht weil Nachdrehs im Realfilm schlechte Assoziationen wecken. Aber im Animationsfilm sind sie unerlässlich, um dafür zu sorgen, dass deine Filme funktionieren“, erläuterte Stanton in einem Interview mit dem Filmgeek-Portal Ain't It Cool News. Stanton bezieht sich darauf, dass die Storyboard/Storyreel-Fassungen von Animationsfilmen mehrfach umgeschrieben und neu geschnitten werden. Dies wollte er für sein Realfilmdebüt adaptieren, indem er fest mit einer Nachdrehphase plante, innerhalb derer Dinge verwirklicht werden könnten, die letztlich Schwächen der zuvor erstellten Filmfassung ausbügeln sollten.

Zu den Änderungen, die sich während der ausführlichen Postproduktion ergaben, zählt die Neuskizzierung der weiblichen Hauptfigur Marsprinzessin Dejah Thoris, die ursprünglich nicht so durchsetzungsfähig charakterisiert wurde wie im fertigen Film. Außerdem sollen einige der Enthüllungen der verschiedenen Figurenmotivationen ihre Stellung innerhalb des Handlungsverlaufs verändert haben. Diese Verfeinerung der Filmhandlung versuchen viele andere Regisseure ohne Nachdrehs allein im Schneideraum zu erzielen. Jedoch argumentiert Stanton, dass die Möglichkeiten deutlich größer wären, wenn dem Regisseur und dem Cutter nach der ersten Schnittfassung auch neues Material zur Verfügung stünde. Ein theoretisch nachvollziehbarer Prozess, den der ambitionierte Regisseur im Interview mit Bleeding Cool energisch verteidigte und mit dem mühseligen Schreiben eines Songs verglich, was auch selten auf Anhieb gelinge und mit ständiger Neubearbeitung verbunden wäre.

Obwohl auch Peter Jackson auf diese Arbeitsweise schwört, kam es im Fall von «John Carter» zu misstrauischen Stimmen innerhalb der Industrie sowie zu negativen Medienberichten, zumal Stanton mehr Nachdrehtermine als anfangs erwartet ansetzte. Und selbst wenn man den Aussagen des Oscar-Preisträgers Glauben schenken mag, er habe sein Sci-Fi-Abenteuer innerhalb des ausgemachten Budgets vollendet, ist dies in der Praxis für das Studio und die am Film beteiligte Crew noch immer ein äußerst erschöpfender Prozess. Was, um an dieser Stelle mutmaßen zu dürfen, eventuell die sehr pessimistische Berichterstattung beeinflusst haben könnte. Dass ein Realfilmdebütant gleich bei seinem ersten Film auf eine derart mühselige Methode besteht, könnte bei manchen Studioinsidern Besorgnis hervorgerufen haben.

Sollten sich die Bemühungen hinter «John Carter» allen Prognosen der Finanzanalysten bezahlt machen, könnte Stanton möglicherweise weiter mit diesem Leinwandhelden daran arbeiten, die Realfilmbranche für seine unkonventionelle Vorgehensweise zu sensibilisieren. Denn obwohl diese Romanadaption eine in sich geschlossene Geschichte erzählt, so bietet die Science-Fiction-Abenteuerreihe des «Tarzan»-Autors Burroughs noch viel Stoff für Fortsetzungen. Statt sämtliche Bücher zu verfilmen, sieht Stanton im Erfolgsfall noch zwei Fortsetzungen vor. Diese würden sich an einer gewissen Filmreihe orientierten, welche sich wiederum von der «John Carter»-Vorlage inspirieren ließ: „Ich denke, dass es zuerst wesentlich düsterer werden muss, bevor es heller werden kann.“, erklärte er im Bezug darauf, welche Wandlung zwischen den «Star Wars»-Teilen «Eine neue Hoffnung», «Das Imperium schlägt zurück» und «Die Rückkehr der Jedi-Ritter» geschah, und dass diese visuelle wie inhaltliche Wandlung auch zu seiner potentiellen Film-Trilogie passen würde.

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