Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Nur Jochen Busse fehlt

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Kann die inoffizielle Neuauflage von «7 Tage, 7 Köpfe» wieder einen Comedy-Trend begründen? Ein Kommentar.

Ende 2009 hatte ich an dieser Stelle in meiner Kolumne von einer deutschen Comedy-Krise gesprochen. Es war eine Zeit, in der neue Comedy-Formate floppten und alte Hits wie die «Schillerstraße» oder «Genial daneben» längst keine Zuschauerhits mehr waren. Damals ging der Trend schon zu amerikanischen Sitcoms, zu fiktionalen komödiantischen Formaten, die das Publikum besser unterhielten. Heute, zweieinhalb Jahre später, ist aus dem Trend Mainstream geworden: US-Formate wie «Two and a Half Men» haben sich zu festen Institutionen im Primetime-Programm gemausert, außerdem ist deutsche, mit Comedy-Elementen gewürzte Fiction wie «Danni Lowinski» oder «Doctor’s Diary» erfolgreich.

Richtig präsent – anders als zu Zeiten des Jahre andauernden „Comedy Booms“ – sind die klassischen deutschen Komödianten aber nicht auf den großen Sendern. Was man aber erkennt: Erfolgreich sind nicht mehr Sketch-Shows (von denen die Zuschauer lange Zeit regelrecht überschüttet wurden) oder die Impro-Comedys, sondern klassisches Stand-Up – die pure Form der komödiantischen Unterhaltung. RTL zeigt viele reine Stand-Up-Programme oder Shows mit ebensolchen Elementen (wie «Mario Barth präsentiert») größtenteils mit Erfolg. Auf kleineren öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es viele entdeckenswerte Programme von Künstlern wie Olaf Schubert, bei denen sie selbst und ihr Comedy-Konzept im Mittelpunkt stehen. Und niveauvolle Satire-Formate wie «Neues aus der Anstalt» oder das kürzlich gestartete «Leute, Leute» sind fester Bestandteil im Programm, auch wenn sie keine ganz großen Quotenhits sind.

Es zeigt sich insgesamt etwas Traditionelles in der derzeitigen Entwicklung der deutschen Comedy, die aber immer noch auf den nächsten großen Quotenhit als Trendsetter wartet – so wie es einst «Die Wochenshow», «RTL Samstag Nacht», «Genial daneben» oder zuletzt «Die Schillerstraße» war.

Vielleicht ist ein solcher Trendsetter überfällig, der einen neuerlichen Comedy-Boom im deutschen Privatfernsehen auslöst. Und vielleicht kann dieser Trendsetter ein klassisches Format sein, das die derzeitige TV-Comedy-Entwicklung (hin zum Stand-Up) untermauert: RTL hat in dieser Woche unter dem Titel «Die RTL Comedy Woche» (klassischer kann ein Titel gar nicht sein) eine neue Sendung vorgestellt, die das Konzept des Comedy-Urgesteins «7 Tage, 7 Köpfe» übernimmt. In diesem verarbeiteten damals sechs beliebte Comedians, in einem Panel sitzend, die wichtigen Meldungen der Woche komödiantisch. In kurzen Redepassagen, die quasi ein Stand-Up light darstellten, und mit vorgefertigtem Text. All dies unter den strengen Augen des staubtrockenen Moderators Jochen Busse, der in der Neuauflage natürlich nicht dabei ist. Die Sendung war auch Ausgangspunkt vieler RTL-Comedys wie «Das Amt» (mit eben jenem Busse) oder «Ritas Welt», denn fast jeder aus dem Show-Ensemble hatte später seine eigene Sendung. «7 Tage, 7 Köpfe» endete 2005, nachdem oben genannte Trends wie Impro-Comedy in die entgegengesetzte Richtung liefen. Nun könnte der Zeitpunkt gekommen sein, an dem sich die Zuschauer wieder nach traditioneller Comedy sehnen.

Das Ensemble aus fünf festen Mitgliedern der neuen Runde der «RTL Comedy Woche» liest sich jedenfalls vielversprechend: Mit Paul Panzer und Bülent Ceylan sind zwei Komiker an Bord, die RTL-Zuschauer von deren eigenen Formaten bereits bestens kennen. Atze Schröder ist ebenfalls ein klassisches RTL-Gesicht; er prägte mit seiner Sitcom «Alles Atze» jahrelang den Freitagabend. Auf der etwas intellektuelleren Seite des Spektrums befinden sich Eckart von Hirschhausen und Dieter Nuhr, die ebenfalls feste Mitglieder der Show sind.

Abgesehen davon, dass keine Comedienne dabei ist, liest sich dieser Cast hervorragend und ausgewogen. Nuhr, Schröder und Hirschhausen haben zudem Erfahrungen beim Konzept; sie waren mehrmals Gäste beim damaligen «7 Tage, 7 Köpfe». Die fünf festen Mitglieder sprechen unterschiedliche Comedy-Zielgruppen an – anders als vielleicht beim Klassiker, der einen deutlichen Kölner Einschlag hatte. Deswegen aber funktionierte das Format auch jahrelang so gut, denn die Comedians harmonierten wunderbar im Team. Dies müssen die neuen «Comedy Woche»-Stars erst noch beweisen.

«7 Tage, 7 Köpfe»-Erfinder Rudi Carrell war überzeugt davon, dass gute Witze und Konzepte immer wieder kommen, wenn man sie richtig macht und liebevoll reanimiert – wie bei seiner «Tagesshow» und der späteren Quasi-Kopie «Die Wochenshow». Bei der «RTL Comedy Woche» wird es auf dieses Wörtchen wenn ankommen.

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