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Vom Erfolg des Münsteraner «Tatorts»

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Am Sonntag ermitteln Kommissar Frank Thiel und Rechtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne im Fall einer ehemaligen Kripo-Beamtin, die auf offener Straße tot aufgefunden wurde – nur mit einem Slip bekleidet. Julian Miller über den Erfolg der Reihe.

Der Münsteraner «Tatort» bricht immer wieder Rekorde und stellt in den Quotentabellen seine Kollegen aus anderen Orten der Bundesrepublik in aller Regelmäßigkeit in den Schatten. Die letzte Ausgabe „Zwischen den Ohren“ holte im vergangenen Herbst bei einem Marktanteil von 28,8 Prozent rund 10,4 Millionen Zuschauer vor den Fernseher, in der Zielgruppe waren über dreieinhalb Millionen dabei. Die vorletzte Ausgabe „Herrenabend“, die am ersten Mai letzten Jahres ausgestrahlt wurde, erreichte fast zwölf Millionen Zuschauer bei einem Marktanteil von äußerst starken 32,9 Prozent. Bei den 14- bis 49- Jährigen waren bei einem Marktanteil von 26,4 Prozent knapp über vier Millionen Menschen dabei.

Dieser Erfolg hat Gründe: Denn der «Tatort» aus Münster unterscheidet sich in einigen Dingen vom Rest der Reihe. Der Schlüssel dazu liegt in der Figurenkonstellation: Kommissar Thiel, ein Polizist durch und durch, der sich aus Anzügen und Wagner-Opern wenig macht und am liebsten ohne viel Schnickschnack seiner Arbeit nachgeht, und der versnobbte Gerichtsmediziner Professor Boerne, der anders als sein Kollege immer korrekt gekleidet ist und zu Hause japanische Teestündchen samt angemieteter Kotospielerin für die richtige Atmosphäre zelebriert, müssen zusammen Fälle lösen. Und nicht nur das: Sie wohnen auch Tür an Tür und laufen sich auch sonst die ganze Zeit über den Weg. Die große Mühsal für die Autoren besteht hier natürlich darin, in jeder Folge aufs Neue eine Motivation für Boerne zu finden, um seinem gegensätzlichen Kumpan ins Handwerk zu pfuschen und seine Kompetenzen als Rechtsmediziner zu überschreiten. Doch das gelingt immer wieder erstaunlich gut.

Aus der Interaktion zwischen diesen beiden Charakteren ergeben sich natürlich jede Menge urkomische Situationen. Darauf richtet der Münsteraner «Tatort» das Hauptaugenmerk – auch in der neuen Folge, die morgen zu sehen ist, ist das wieder der Fall. Der Mordfall an sich ist eher nebensächlich und fungiert unter dramaturgischen Gesichtspunkten betrachtet als eine Art Motivator oder Vorwand, um diese zwei schrillen Typen aufeinander loszulassen. Im Vordergrund steht ganz klar die Komik, die dadurch entsteht, und der trockene Humor der feingeschliffenen Dialoge.

Da stört es auch nicht sonderlich, wenn Vieles natürlich bis zum Anschlag überzeichnet wurde. In der morgigen Ausgabe obduziert Professor Boerne etwa fröhlich die Leiche seiner Ex-Flamme und diskutiert mit dem angewiderten Kommissar Thiel munter über seine Beziehung, die er mit der Frau geführt hat, an deren Leiche er gerade herumwühlt. Dass so etwas völlig absurd ist, stört hier keineswegs, eben weil der Fokus des ganzen Konzepts auf der Komik liegt und weniger auf einem stringent erzählten Kriminalfall.

Damit ist der Münsteraner «Tatort» in erster Linie lustig, da das „Whodunnit“-Motiv zwar pflichtbewusst abgearbeitet wird, aber nie im erzählerischen Fokus steht. Dort stehen die Charaktere und die amüsanten Situationen, in die sie am laufenden Band geraten. Doch nicht nur die beiden Hauptprotagonisten sind klar und facettenreich entworfen – auch die Nebenrollen haben starke Charakterzüge, klare Handlungsmotive und vor allem Komikpotential. Da hätten wir etwa Thiels ambitionierte Assistentin Nadeshda (wunderbar platt gespielt von Friederike Kempter), die ihrem Chef den Papierkram abnimmt und den exzentrischen Gerichtsmediziner Professor Boerne an den Tatort karren lässt. Oder Thiels dauerbekifften Vater, der mit dem Joint im Mund mit seinem Taxi durch die Stadt kutschiert und in der neuen Folge einen Nebenjob als Boernes Leibwächter annimmt. Oder die Ketten rauchende Staatsanwältin (urkomisch inszeniert von Mechthild Grossmann) mit ihrer tiefen Stimme, die in der morgigen Ausgabe alle Hände voll zu tun hat, damit Boernes Wahnwitz bei den russischen Kollegen, die gerade zu Gast sind, keinen allzu schlechten Eindruck hinterlässt. Redshirts sind hier so gut wie inexistent.

Der Münsteraner «Tatort» ist sich seiner Stärken bewusst. Und die liegen in dem komödiantischen Potential, das sich aus den Schrullen der Figuren ergibt. Somit erzählt man mehr „character-driven“ als dies bei anderen «Tatorten» der Fall ist. Andere Versionen der Reihe halten sich dagegen deutlich strikter an die dramaturgischen Vorgaben eines Krimis und handeln somit primär von einem Kriminalfall oder wagen sich an gesellschaftlich relevante Themen, die sie unter dem Deckmantel des Genres (pseudo-)intellektuell verarbeiten. Davon lässt man in Münster größtenteils die Finger – und fährt damit gut. So gut, dass das von den Zuschauern besonders honoriert wird.

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