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Qualität = Quote? Die Zuschauerzahlen hochwertiger US-Serien

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Fans gut erzählter Serien kommen derzeit voll auf ihre Kosten. Ob «Californication», «Mad Men», «Breaking Bad» oder «The Walking Dead» – diese US-Formate sind in aller Munde. Aber macht sich das auch an den Einschaltquoten in den USA bemerkbar?

Eines haben die richtig guten, komplex erzählten US-Serien unserer Zeit alle gemeinsam: Sie laufen nicht im US-Networkfernsehen, also nicht bei Sendern wie CBS, ABC oder NBC. Nein, entweder werden sie im Kabel-TV oder gar im Bezahlfernsehen der Vereinigten Staaten gezeigt. Früher war das große Pay-TV-Programm HBO gleichbedeutend mit hochwertiger Serienware; die «Sopranos» revolutionierten ab 1999 den Stil, wie Charaktere seriell gezeichnet werden. Seit einiger Zeit aber gibt es mehr als HBO: Sender wie AMC und Showtime haben sich ebenfalls als Heimat hervorragender Serienstoffe einen Namen gemacht, und sie erzählen Geschichten wie jene des krebserkrankten Highschool-Lehrers Walter White, der in «Breaking Bad» ins Drogenmilieu einsteigt, damit seine Familie nach seinem Tod finanziell abgesichert ist. Oder die Story des US-Schriftstellers Hank Moody, der sein Glück immer wieder in schnellem Sex und gutem Alkohol sucht, aber eigentlich nur eine einzige wahre Liebe namens Karen hat.

An Moody und dessen Serie «Californication» ist ablesbar, wie solche Serienstoffe derzeit im US-Fernsehen an Zuspruch gewinnen: Zuletzt sahen ungefähr 700.000 Menschen das Format in seiner jeweiligen Erstausstrahlung, die Vorjahresstaffel kam 2011 auf etwas mehr als 500.000 Zuschauer und ist generell eine der Qualitätsserien, die die niedrigsten Reichweiten einfährt – und dennoch gewann man gegenüber 2011 hinzu, obwohl sich das Format bereits in der fünften Staffel befindet. Deswegen hat es der Sender Showtime bereits für eine sechste Runde verlängert. Ein weiteres Programm von Showtime ist hervorragend eingeschlagen: Die US-Adaption der britischen Serie «Shameless» kam 2011 mit der ersten Staffel auf etwas mehr als eine Million Zuschauer bei der Erstausstrahlung, mit der aktuellen zweiten Season sind durchschnittlich 200.000 mehr dabei. Alle Wiederholungen und Recorder-Aufzeichnungen eingerechnet erreicht die zweite Staffel derzeit 4,75 Millionen Zuschauer und damit 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch für dieses Format wurde eine neue Staffel bestellt, ebenso wie für Showtimes «House of Lies», das sich hinter «Dexter» auf Anhieb als erfolgreichstes Programm des Bezahlsenders etablierte.

Gering sind solche Quoten im Vergleich zu Serien des Senders AMC, der anders als Showtime und HBO aber auch kein separater Bezahlsender ist. Dennoch ist besonders der Erfolg von AMCs «The Walking Dead» phänomenal. Die Serie nimmt als Grundsetting eine Zombie-Apokalypse, die eine Gruppe von Menschen dazu veranlasst, gemeinsam ums Überleben zu kämpfen. Die Mischung aus spannender Action und emotionalen Beziehungsgeschichten lockte schon mit der ersten Staffel 2011 5,35 Millionen Zuschauer mit den jeweiligen Erstausstrahlungen der einzelnen Episoden an. Bei der zweiten Staffel schalten sogar – das Staffelfinale am 18. März steht noch aus – 6,74 Millionen ein. Eine Episode von Mitte Februar erreichte über acht Millionen Zuschauer, davon 5,4 Millionen Werberelevante. Dies war ein neuer Allzeit-Quotenrekord im US-Kabelfernsehen.

Ebenfalls vom Sender AMC stammen zwei Serien, die als die besten der vergangenen Jahre gelten: «Mad Men» und «Breaking Bad». Erstere, die von einer New Yorker Werbefirma in den 60er Jahren erzählt, war nie der ganz große Zuschauerhit, hatte aber immer eine feste Fangemeinde. Meist sahen weniger als zwei Millionen Menschen die Serie bis zu ihrer dritten Staffel. Die vierte schalteten 2010 dann 2,27 Millionen bei den Erstausstrahlungen ein – und dies ist ein Trend, der generell bei langlebigen Qualitätsserien wie eben «Californication» oder «Mad Men» beobachtet werden kann: Sie gewinnen, obwohl sie sich bereits in dritter, vierter oder fünfter Staffel befinden, Zuschauer hinzu. Und dies trotz der Zeiten von Digital-Recordern (PVR), mit denen niemand mehr auf Erstausstrahlungen angewiesen wäre. Aber es zeigt sich auch: Die PVR-Quoten nehmen bei diesen Sendungen ebenfalls zu und sind nicht selten ein Argument für neue Folgen. Ein weiteres Beispiel für langfristige Zuschauergewinne ist «Breaking Bad» um Chemielehrer Walter White: Das Programm holte mit seiner vierten Staffel 2011 die besten Quoten aller Zeiten, mit knapp 30 Prozent mehr Zuschauer als bei der dritten Season. Noch mehr Beispiele solcher Entwicklungen gibt es viele. Ein prominentes ist auch «Sons of Anarchy» des Senders FX, das zuletzt mit seiner vierten Staffel zum erfolgreichsten Serienprogramm des US-Kabelfernsehens avancierte. Mit den Erstausstrahlungen erreichte die Serie 5,8 Millionen Zuschauer und – ähnlich wie bei «Breaking Bad» – 30 Prozent mehr als im Vorjahr.

Aber nicht nur die etablierten Formate erfreuen sich großer Beliebtheit, auch frische Ware ist gefragt. Unter anderem «American Horror Story» vom Sender FX, das zusammen mit «Falling Skies» die erfolgreichste neue Kabelserie der aktuellen TV-Saison wurde. Es gibt derzeit kaum eine größere neue Serie abseits des Network-Fernsehens, die aufgrund schlechter Quoten eingestellt wird. Im Gegenteil verlängern Sender wie FX, AMC, Showtime oder HBO viele Formate bereits mitten in der Staffel, weil die Zuschauerzahlen so gut sind. Anders im US-Networkfernsehen, wo es auch in dieser TV-Saison keinen neuen, ganz großen Zuschauerhit gibt. Dort werden aber, wie üblich, reihenweise Programme nach nur wenigen Folgen abgesetzt.

Einer der von Kritikern am meisten gefeierten Serien-Neustarts ist «Homeland», ebenfalls von Showtime ausgestrahlt. Es erzählt in Thriller-Manier von der Arbeit der CIA-Agentin Carrie Mathison, die einen Veteranen aus dem Irak-Krieg überwachen muss. Dieser soll im Einsatz möglicherweise die Seiten gewechselt und zum Kämpfer für Al-Quaida ausgebildet worden sein, der nur auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um einen Terroranschlag zu verüben. Das gesellschaftskritische, hochrelevante «Homeland» erreichte zu Beginn eine Million Zuschauer, gewann aber im Laufe seiner Ausstrahlung immer mehr Fans hinzu. Das Staffelfinale sahen über 1,7 Millionen Menschen in Erstausstrahlung; neue Folgen kommen im Herbst 2012.

Die Quoten dieses Formats zeigen zudem, dass nicht nur tendenziell realitätsferne Geschichten wie «The Walking Dead» oder «Breaking Bad» ein Publikum finden, sondern auch politische Stoffe, die das amerikanische Selbstverständnis und seine Konsequenzen aus dem 11. September 2001 infrage stellen. Eine Essenz aus dem Erfolg von «Homeland» ist: Die Zuschauer nehmen jedes Thema an – es muss nur gut erzählt sein. Für die Drehbuchautoren und Macher bedeutet dies, dass schon lange keine Denkverbote und Storygrenzen mehr gesetzt sind, dass sie alle Freiheiten zum Erzählen ihrer Figuren haben.

Die Divergenz der Entwicklung von US-Serienstoffen nimmt weiter zu: Je mehr das Network-TV in den USA mit Risikoarmut (Stichwort Sitcoms) und immergleichen Crime-Procedurals (nach dem Schema «CSI») zur Langeweile verkommt, desto stärker spielen sich gute Serienstoffe im Kabel- und Bezahlfernsehen ab. Und dies honorieren auch die Zuschauer, die vielen Neustarts derzeit hervorragende Quoten bescheren und die Reichweiten bereits etablierter Formate weiter steigen lassen. Die Formel „Qualität gleich Quote“ stimmt mehr und mehr im amerikanischen Fernsehen.

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