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Der 3D-Trend: Eine Momentaufnahme

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Mehr als zwei Jahre nach «Avatar» bleibt die erwartete, große 3D-Revolution aus und eine Erfolgsgarantie ist 3D-Filmen nicht mehr gegeben. Aber bedeutet das auch, dass sich der 3D-Trend dem Ende neigt?

Seit der moderne 3D-Trend begann, erwarten Gegner dieser Technologie und passionierte Schwarzseher auf seinen Untergang. Etwas mehr als zwei Jahre nach «Avatar» sehen sie ihn gekommen: Ende Januar stellte der französische Bezahlfernsehanbieter Canal+ aufgrund mangelnder Nachfrage seinen 3D-Sender ein, Martin Scorseses «Hugo Cabret» konnte weltweit nicht einmal genug einspielen, um seine Produktionskosten abzudecken und «John Carter» füllt derzeit die Branchenblätter mit Debatten rund um seinen Misserfolg. Des Weiteren fielen die Reaktionen auf die Qualität des 3D-Effekts von «Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung 3D» sehr kritisch aus, obwohl gerade vom effekttechnisch versierten George Lucas einiges zu erwarten stand.

Währenddessen wurden in den vergangenen Monaten mit «Mission: Impossible – Phantom Protokoll» oder «Sherlock Holmes: Spiel im Schatten» wieder vermehrt große Hollywood-Produktionen, die auf 3D verzichten, zu massiven Erfolgen. Allen Prognosen nach wird «Die Tribute von Panem» diesen Trend fortsetzen. Zeichnet sich anhand dieser Fakten etwa tatsächlich der baldige Untergang des 3D-Booms ab?

Abhängig davon, wie sehr sich der Einzelne mit 3D beschäftigt, ist es durchaus verständlich, auf solch einen Trugschluss zu kommen. Die glühende Ausstrahlung eines Novums hat das moderne 3D mehr als 20 Monate nach «Avatar» selbstredend verloren, der „Must-See-Faktor“ hat sich längst aufgebraucht. Verhalf 3D 2010 noch Filmen wie «Alice im Wunderland» und «Kampf der Titanen» zu verwunderlich hohen Einspielergebnissen, hat sich seither die mit der dritten Dimension einhergehende Erfolgsgarantie abgenutzt. Als Konsequenz dessen machen sich auch oppositionelle Stimmen von sich 3D verweigernden Regisseuren wieder vermehrt bemerkbar. Kurzum: 3D ist nicht mehr das Stadtgespräch Nummer eins in Hollywood.

Allein deswegen von einem Ende der aktuellen 3D-Ära auszugehen, ist jedoch blauäugig. So ist die momentane Flaute an großen 3D-Filmen abseits von «John Carter» mit der Kino-Saison zu erklären: Antizipierte US-Blockbuster werden üblicherweise erst ab Ende April gestartet, da dann die besucherstärkste Zeit des Jahres anfängt. Die Durststrecke zwischen Dezember und April wurde von Hollyood allerdings mit Filmen wie «Die Reise zur geheimnisvollen Insel» überbrückt. Die Fortsetzung zu «Die Reise zum Mittelpunkt der Erde» gehört nicht zu der Art Filmen, die ein enormes Medien- oder Publikumsecho erzeugen, aber das ganz und gar auf seine 3D-Effekte ausgelegte Familienabenteuer nahm weltweit über 300 Millionen Dollar ein. Das ist für diese Art Film ein überaus beachtliches Ergebnis, weshalb auch bereits die Vorbereitungen für eine Fortsetzung begonnen wurden.

Derweil setzte sich «Underworld: Awakening» von den 3D-Zuschlägen angetrieben deutlich an die finanzielle Spitze der Werwolf-gegen-Vampir-Actionreihe und wendete in den USA auch ein Schicksal ab, das vergangenes Jahr noch solche Filme wie «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten», «Kung Fu Panda 2» und «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2» ereilte: Am Startwochenende wurden 59 Prozent der Einnahmen von «Underworld: Awakening» aus 3D-Vorführungen generiert. Im Sommer 2011 sorgte noch ein zwischenzeitlich herrschendes Desinteresse an 3D noch für Industrieschlagzeilen, dass erstmals seit Beginn des 3D-Booms mehr Geld durch 2D-Vorführungen eingenommen wurde und dies den Anfang einer kaum aufzuhaltenden Kehrtwende darstelle.

Gegen die These, das US-Publikum seit mit 3D übersättigt, sprechen neben des soliden 3D-Marktanteils von «Underworld: Awakening» auch die 3D-Prozentzahlen von «Transformers 3», der auf gute 60 Prozent kam, und «Hugo Cabret», der zu hervorragenden 75 Prozent in 3D gesehen wurde. Scorseses nostalgisch-magisches Drama mag demnach zwar generell nur bedingt seine Zuschauer finden, setzt dafür allerdings innerhalb seines vergleichsweise kleinen Publikums ein klares Zeichen gegen 3D-Müdigkeit. Dahingehend dürfen auch die hervorragenden Reaktionen auf Scorseses Umgang mit dieser Technik nicht übersehen werden, sowie der Zuspruch, den «Hugo Cabret» bei den Oscars erhielt. Mit solchen 3D-Spielfilmen und 3D-Dokumentationen wie Wim Wenders «Pina» und «Die Höhle der vergessenen Träume» von Werner Herzog gelang es dieser eigentlich eher dem effekthascherischem Popcornkino zugehörigen Technologie, auch unter Cineasten Akzeptanz zu finden.

Die größte Akzeptanz erfährt 3D jedoch, ausgehend von den Kinoeinahmen, auf dem internationalen Filmmarkt. Ist 3D in den USA zwar noch immer erfolgreich, aber zugleich auch längst kein Zuschauermagnet mehr, boomt diese Technologie in asiatischen Märkten und Russland wie eh und je. Doch auch hierzulande lässt sich keineswegs von einem 3D-Sterben reden: 2011 wurden 22,8 Prozent aller Kinokarten für 3D-Vorführungen gelöst, was einem Zuwachs von 2,4 Prozentpunkten gegenüber 2010 entspricht – und damals liefen mit «Avatar» und «Alice im Wunderland» zwei kolossale 3D-Hits auf den deutschen Leinwänden.

3D-Fernsehen mag noch in den Kinderschuhen stecken und an einem Format- sowie Hardware-Krieg kranken, der an die Anfangsphase der HD-Technologie erinnert. Hinzu kommt der Mangel an Medieninhalten, der potentielle Konsumenten abschrecken dürfte – der eingestellte 3D-Sender von Canal+ setzte beispielsweise auf lediglich einen Film und ein Live-Event im Monat. Wie sich aber anhand der Filmwirtschaft zeigt, ist die 3D-Technologie wesentlich standfester, als ihre Gegner es beschreien. Obwohl die im Fahrwasser von «Avatar» seitens euphorischer 3D-Befürworter ausgerufene Revolution ausblieb, macht diese Technologie ein sehr stabiles Wachstum durch und wird aller Wahrscheinlichkeit noch einige Zeit bestehen.

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