Die Kritiker

«Die Jagd nach bin Laden – Im Fadenkreuz der Geheimdienste»

von
Das BBC-Dokudrama zeichnet nach, wie die USA ihren größten Staatsfeind aufspürte.

Eine Gruppe Terroristen hat sich in einem geräumigen, festungsgleich abgesicherten Haus in einer pakistanischen Großstadt niedergelassen. Als einer Gruppe Kindern beim Spielen ihr Ball über die drei Meter hohe, mit Stacheldraht bestückte Mauer fliegt, klingeln sie vorsichtig bei ihren sich selten zeigenden Nachbarn. Ein Mann tritt aus der Bastion, verweigert den Kindern den Eintritt, entschädigt sie jedoch mit reichlich Geld, das für weit mehr als einen neuen Ball reicht. Daraufhin verbrennt er den Ball. Die gewitzten Kinder wittern ein großes Geschäft und schießen in den darauf folgenden Tagen absichtlich Bälle über das Mauerwerk.

Dies ist kein Ausschnitt aus einer neuen Kinokomödie mit Sacha Baron Conan, sondern eine wahre Begebenheit, die in der BBC-Dokumentation «Die Jagd nach bin Laden» geschildert wird. Die angesehenen Dokumentarfilmer der BBC verkaufen dadurch nicht etwa ihre Integrität und zerren eine Produktion darüber, wie das CIA bin Ladens Fährte aufnahm, ins Boulevardesque: Zwar ist es durchaus amüsant, solche Details über die der Beschattung von bin Ladens Versteck in Abbottabad zu erfahren, aber die beschriebene Situation ist auch eine brenzlige Station auf dem Weg zur Liquidierung des Terroristenführers. Das CIA quartierte sich in Sichtweite der besagten Festung ein, um Informationen über die Gewohnheiten ihrer Bewohner zu sammeln, damit man darauf basierend einen Angriffsplan entwickeln kann. Zudem bestand Unklarheit , ob die Vermutung, es sei bin Ladens Versteck, überhaupt der Wahrheit entspricht. Dass Nachbarskinder nun anfingen, den Verdächtigen auf die Nerven zu fallen, hätte die Arbeit der CIA zunichtemachen können, da die Terroristen offenbar Verdacht schöpften, die Kinder seien Spitzel und deswegen wohl beinahe geflohen wären.

Die Furcht des US-amerikanischen Geheimdienstes war nicht unbegründet, denn ebenso wie eine winzige Unachtsamkeit erst dazu führte, dass man die Spur bin Ladens aufnehmen konnte, hätte solch eine Kleinigkeit alles zerstören können. Monate zuvor führte der persönliche Kurier bin Ladens ein unachtsames Telefonat, dass seine Position bekannt gab. Das BBC-Dokudrama rekonstruiert anhand aufwändiger Nachstellungen sowie Exklusiv-Interviews mit Barack Obama, seinen militärischen Beratern und Befehlshabern der Geheimdienste und der Navy Seals, wie von diesem Telefonat an die Suche nach bin Laden ihre Wende nahm. Diese Fakten werden ebenso spannend wie verständlich vermittelt, auch die Ergreifung des Terrorführers und die an diesem Tag hohe Anspannung im Weißen Haus werden detailliert nacherzählt.

Innerhalb der rund 90 Minuten werden manche Punkte abgehetzt, was aber bei solch einer komplexen und politischen Thematik kaum zu vermeiden ist. Außerdem schwingt in den letzten Minuten etwas unnötiger Pathos mit. Davon abgesehen ist der BBC mit «Die Jagd nach bin Laden – Im Fadenkreuz der Geheimdienste» ein packendes, stets auch ein Auge für verwunderliche Fakten beweisendes Dokudrama, das jedem, der an diesem Stück Zeitgeschehen interessiert ist, nur empfohlen werden kann.

VOX zeigt «Die Jagd nach bin Laden – Im Fadenkreuz der Geheimdienste» im Rahmen seines Spionage-Themenabends am Samstag, den 24. Mai, um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/55687
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