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Selbst die tatsächlich auch im Kino fortgeführten «Chroniken von Narnia» gerieten nach einem wirtschaftlich sehr vielversprechenden Start später mit den Teilen zwei und drei hinsichtlich ihrer Einspielergebnisse etwas ins Straucheln. So richten sich die Augen nun auf den neuen Hoffnungsträger «Die Tribute von Panem», welcher auf der gleichnamigen und noch sehr jungen Jugendbuchtrilogie von Suzanne Collins basiert und unter der Regie von Gary Ross («Pleasantville», «Seabiscuit») für die große Leinwand aufbereitet wurde. Angesichts der überragenden Ticketvorverkäufe dürfte zumindest die Verwirklichung der ersten Fortsetzung schon jetzt in trockenen Tüchern und Suzanne Collins Geschichten somit bereits eine glücklichere Filmlaufbahn als einigen der eingangs erwähnten Romanverfilmungen beschieden sein.
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Als bei den mittlerweile 74. Hungerspielen die gerade einmal zwölfjährige Primrose Everdeen (Willow Shields) als Vertreterin des zwölften Distrikts ausgewählt wird, meldet sich ihre, seit dem Tod des Vaters für die Familie sorgende Schwester Katniss (Jennifer Lawrence) freiwillig als Ersatz. Gemeinsam mit dem männlichen Tribut von Distrikt 12 (Josh Hutcherson) tritt sie die Reise ins entfernte Kapitol an, wo sie auf den blutigen Kampf vorbereitet werden soll, aus dem am Ende nur einer als Sieger hervorgehen kann.
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Auch bei der nächsten großen Handlungsstation, dem Aufenthalt im wohlhabenden Kapitol, beweist Gary Ross ein glückliches inszenatorisches Händchen. Die Stimmung der Romanvorlage adäquat übertragend und vielleicht sogar noch etwas überspitzend, entfaltet er vor den Augen des Zuschauers eine bunte, pompöse und recht sonderbare Welt, die das Leid der umliegenden zwölf Distrikte keineswegs ernst zu nehmen scheint. Schlimmer noch. Im Rahmen der als freudiges Medienspektakel inszenierten Hungerspiele ergötzen sich die Kapitol-Bewohner regelrecht daran. Das ist gelungene makabere Mediensatire, die mit den überdrehten Auftritten eines hervorragend aufgelegten Stanley Tucci («Terminal», «Der Teufel trägt Prada») als schmieriger Fernsehmoderator zweifellos ihre Highlights findet. Dabei ist insbesondere auch der mediale Aufbau der einzelnen Kandidaten durchaus bemerkenswert, von denen jeder zu einem bestimmten Typen hochstilisiert wird, wie es auch bei heutigen Castingshows der Marke «DSDS» kein Stück anders ist.
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Aufgrund der Fülle an Charakteren, bleiben die einzelnen Nebenfiguren allesamt blass oder werden so überdeutlich als stereotype Unsympathen gezeichnet, dass die Todesfälle abgesehen von vereinzelten Ausnahmen erschreckend belanglos erscheinen, mitunter sogar fast schon herbeigesehnt werden, was die Macher gar ein wenig in moralische Bedrängnis bringt. Eigentlich fast schon ein Punkt, an dem ein erneuter Seitenhieb gegen die abgestumpfte Sensationsgeilheit der Medien und ihrer Konsumenten ansetzen könnte, doch bleibt diese Chance an dieser Stelle leider ungenutzt. Ein Gefühl der Verzweiflung, der Bedrohung oder des Entsetzens will sich so keineswegs mehr einstellen, zumal alles aufgrund der filmischen Straffung nun allzu gehetzt wirkt und der Ausgang des Ganzen sich ohnehin sehr früh abzeichnet. So dominieren unnötige Längen das Geschehen, die merklich an dessen Intensität nagen.
Dabei ist der Film immerhin schon so mutig, die ausschließlich auf Katniss fokussierte Erzählperspektive der Vorlage mitunter zu verlassen, um hin und wieder auch das Geschehen hinter den Kulissen aufzuzeigen. Doch trauen sich Gary Ross und sein Team letztendlich doch nicht, sich in dieser Hinsicht noch etwas weiter vom Roman zu lösen und die angedeuteten Möglichkeiten konsequenter zu nutzen. Trotz vereinzelter makaberer Einfälle und der sehenswerten Leistungen von Donald Sutherland («Die Körperfresser kommen», «Space Cowboys») und Wes Bentley («American Beauty», «Ghost Rider») lassen diese Szenen ebenfalls die Klasse der ersten Filmhälfte vermissen. So bieten sie aufgrund der nun deutlich zurückgefahrenen bissigen Kritik am aufgezeigten System kaum einen Mehrwert und sind in den Momenten, in denen mit plötzlicher Willkür das Geschehen mehrfach beeinflusst wird, sogar regelrecht ärgerlich.
Die Jugendbuchverfilmung «Die Tribute von Panem - The Hunger Games» schafft es insgesamt zwar die Vorlage werkgetreu auf die Leinwand zu transportieren, erbt dabei jedoch auch einige ihrer Schwächen und bleibt angesichts des kontroversen Ausgangsszenarios somit deutlich hinter den Möglichkeiten zurück. Was als beklemmende Dystopie und treffsichere Mediensatire beginnt, wird im Verlauf der titelgebenden Hungerspiele trotz der nach wie vor großartigen Jennifer Lawrence zu einer leider äußerst anspruchs- und seelenlosen Hatz durch die Wälder. Verschenktes Potential, das hoffentlich mit der sicherlich kommenden Fortsetzung ausgeschöpft wird.
«Die Tribute von Panem - The Hunger Games» ist seit dem 22. März in vielen deutschen Kinos zu sehen.