Barbara Scheel sorgte in der vorletzten Ausgabe von «Anne Will» für einen Eklat, der jedoch in den Medien kaum Beachtung fand. Ein Kommentar von Julian Miller.
Manchmal erreicht man die stärkste Wirkung, wenn man eine Situation einfach beschreibt. Denn oft spricht schon das bloße Geschehen Bände.
«Anne Will» ist nicht bekannt für Eklats. Doch unverhofft kommt oft – so am vorletzten Mittwoch beim Thema „Albtraum Pflege“. Neben Barbara Scheel waren auch Klaas Heufer-Umlauf, der Hauptgeschäftsführer des deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Dr. Ulrich Schneider und Klaudia Günthues, die sechs Jahre ihre Eltern zu Hause gepflegt hat, zu Gast. Es ergab sich folgende Situation, die hier so weit wie möglich im Wortlaut abgebildet ist:
Scheel: „Die Pflegekräfte sind, was das Menschliche anbelangt, teilweise katastrophal ausgebildet. In dem Pflegeheim, von dem ich rede, ist jeder zweite Pfleger ein Ausländer und spricht kaum Deutsch. Wir haben einen schwarzen Afrikaner, so wie ich ein weißer Europäer bin. Und wir haben 90-jährige Frauen, die sollen sich intim von so einem Menschen pflegen lassen. Die haben erst einmal einen Schock.“
Heufer-Umlauf: „Moment mal, haben Sie das gerade gesagt, dass das schwierig ist, wenn ein schwarzer Afrikaner jemanden intim pflegt?“
[Teilweise unverständliche Passagen]
Klaudia Günthues: „Das ist es. Das ist es für das Alter.“
Heufer-Umlauf [zu Scheel]: „Haben Sie das gerade gesagt?“
Scheel: „Ja.“ [Rest unverständlich]
Klaudia Günthues: „Das ist es für das Alter. Das hat nichts damit zu tun, was Sie jetzt denken.“
Heufer-Umlauf: „Boah, was für eine Zeitverschwendung, über sowas zu reden.“
Scheel: „Das ist eine Generation, die ist damit nicht groß geworden. Und das, jetzt komm' ich auf das zurück.“
[Die Kamera schwenkt auf einen schwarzen Zuschauer.]
Heufer-Umlauf: „Vielleicht kann man die freundlich anziehen.“
Scheel: „Respekt. Respekt müssen wir vor dem Alter haben. Meine Mutter hat mit 102 Jahren einen jungen--“
Heufer-Umlauf: „Das ist Zeitverschwendung, über sowas zu reden, wirklich.“
[Scheel versucht, das Thema zu wechseln. Schneider und Heufer-Umlauf lassen ihr das (glücklicherweise) nicht durchgehen.]
Heufer-Umlauf: „Es ist wirklich abgefahren, in was für eine Situation das... Sie [Günthues] haben auch noch gerade... [zu Scheel:] Sie haben gerade gesagt, dass wir am Thema vorbeireden. Jetzt machen wir's wirklich.“
[Applaus.
Scheel versucht, sich herauszureden. Heufer-Umlauf ist sichtlich entsetzt, Schneider widerlegt derweil den Irrsinn von Scheel.]
Will [zu Scheel]: „Würden Sie das möglicherweise korrigieren, weil das tatsächlich einen leicht rassistischen Unterton hat.“
Scheel: „Selbstverständlich. Der Junge ist übrigens ein ganz reizender Junge, ein ganz reizender Pfleger.“
Heufer-Umlauf: „Ein ganz netter Neger. So klingt das. Es macht mich wahnsinnig.“
Scheel: „Neger haben Sie gesagt. Ich habe gesagt 'ein schwarzer Afrikaner', so wie ich ein weißer Europäer bin.“
[Heufer-Umlauf fällt ihr ins Wort, Scheel wiegelt ihn pampig ab.]
Will: „Na, Frau Scheel, tatsächlich würden wir's ja gerne verstehen, wie Sie's gemeint haben, und es klang nicht gut.“
Scheel: „Wir haben dann diese alte Dame gefragt und wenn sie gefragt wird, dann ist das was Anderes. Aber es ist einfach der Respekt, der fehlt. Und wir haben in unserem Grundgesetz die Achtung, die Würde des Menschen.“
Will: „Moment, Frau Scheel. Vor allen Menschen, egal welche Hautfarbe.“
Scheel: „Meine Mutter hat gesagt, man nimmt mir meine ganze Würde. Bitte, Kind, tu etwas dagegen.“
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Ehefrau eines ehemaligen Bundespräsidenten echauffiert sich darüber, dass man schwarzes Pflegepersonal auf die Pflegebedürftigen loslässt, weil letztere damit angeblich nicht umgehen könnten. Denkt man das weiter, würde das heißen, dass alte oder pflegebedürftige Menschen ein Anrecht auf Rassismus haben – Scheel unternimmt zumindest (wenn auch wohl unbewusst) den Versuch, genau das zu postulieren. Interessanterweise spricht sie auch immer von „schwarzen Afrikanern“. Schwarze Deutsche scheint es in ihrem Weltbild nicht zu geben.
Und was vielleicht noch schlimmer ist: Eine publizistische Bewertung der Sendung fand nahezu gar nicht statt. Lediglich das Hamburger Abendblatt berichtete in seiner Online-Version von dem Vorfall, während in der Rezension der Sendung in der FAZ der Eklat eine bloße Randnotiz blieb. Nur bei «Harald Schmidt» wurde, mit Klaas Heufer-Umlauf als Gast, die Situation kurz aufgearbeitet – und trotz Schmidts typischem Sarkasmus (oder gerade deswegen) auch glasklar eingeordnet. Doch einen Aufschrei in den journalistischen Medien, wenn auch einen noch so kleinen, gab es nicht. Sind wir schon so abgestumpft? Oder sieht die Sendung bloß keiner?
Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.