Samstagabend, 14. April 2012: Beim Speerwerfen, dem dritten Spiel von «Schlag den Raab», verdreht Stefan Raab unglücklich sein Knie und setzt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Die Diagnose: Er hat sich den Meniskus verletzt. Das Speerwerfen gewann er dank seiner vorherigen, guten Würfe trotzdem, das vierte Spiel "Cross-Verfolgung" wurde dagegen automatisch an den Kandidaten Reint gegeben, weil Raab verletzungsbedingt nicht antreten konnte. Steven Gätjen und ProSiebens Twitteraccount verwiesen im Laufe des Abends auf das «Schlag den Raab»-Regelwerk: Spiele, an denen jemand nicht teilnehmen kann, gehen automatisch an den Gegner. Treue Zuschauer kennen das aus der Ausgabe, als Raab sich bei einem Mountainbike-Sturz eine Gehirnerschütterung zuzog und nicht beim Hochspringen antreten durfte.
Diese Entscheidung löste jedoch auf Twitter und auch dem Quotenmeter.de-Forum hitzige Diskussionen aus. Während einige User Verständnis für das Reglement aufbrachten, empfanden es viele als eine Benachteiligung des verletzten Stefan Raab. Die Gegenvorschläge waren vielfältig: Raab solle für Sportspiele einen Ersatzspieler (etwa Elton) benennen dürfen, die Showmacher sollten sämtliche Sportspiele durch körperlich unbelastende Ersatzrunden ersetzen oder gar die Sendung abbrechen und nach Raabs Genesung fortführen.
Unsere Redakteure Timo Niemeier und Sidney Schering nehmen sich diese Debatte zum Anlass, um über die Spielregeln der beliebten Raab-Show zu diskutieren. Sollten die «Schlag den Raab»-Regeln bezüglich der Punktevergabe bei Verletzungen abgeändert werden?
Pro von Timo Niemeier
«Schlag den Raab» und das Problem mit den Verletzungen: Als Stefan Raab sich beim Speerwerfen das Knie verdrehte, konnte er am nachfolgenden Spiel nicht teilnehmen – die Punkte gingen an seinen Herausforderer. Bei Twitter und in Foren kritisierten daraufhin viele User ProSieben, weil kein Ersatzspiel auf die Beine gestellt wurde. Und tatsächlich: Für die Spannung wäre es besser gewesen, wenn die Verantwortlichen das nachfolgende Sport-Spiel gestrichen hätten. Die Punkte hätte man in einem Ersatzmatch vergeben können.
Die Begründung, dass man bei jeder Sportart auf seinen Körper achten muss und sich nicht überlasten darf, zieht bei «Schlag den Raab» nicht. Es handelt sich hier nämlich um keine echte Sportart, sondern um eine Unterhaltungssendung. Die Zuschauer fühlen sich betrogen, wenn auf einmal Punkte an den Kandidaten gehen, ohne dass Raab dagegen halten kann. Raab und sein Herausforderer sind in der Regel keine Profisportler, man sollte also auch ein wenig nachsichtig mit ihnen sein, wenn sie falsch mit Sportgeräten umgehen und es deshalb zu Verletzungen kommt.
Die Punkte einfach so an den Kandidaten zu verschenken ist außerdem nicht nur unfair gegenüber Raab, sondern auch gegenüber den vielen anderen Kandidaten, die sich ihre Punkte in den vorherigen Shows hart erkämpft haben. Kaum auszudenken was passiert wäre, hätte Kandidat Reint die 1,5 Millionen Euro (!) wirklich gewonnen. Vom viel beschworenen Kampf “Stefan Raab gegen den Rest der Welt” wäre dann nicht mehr viel übrig geblieben. Zumal hätte man nicht ganz auf Sport-Spiele verzichten müssen. Es hätte nur eins sein müssen, bei dem auch Raab hätte mitmachen können.
Bei ProSieben hat man stattdessen auf das bestehende Regelwerk verwiesen – auch wenn das bislang niemand gesehen hat. Für das nächste Mal sollten sich die Macher der Sendung eine Alternative ausdenken. Denn es können wohl die meisten Zuschauer verstehen, wenn nur noch Spiele gespielt werden, bei denen beide Kandidaten mitmachen können. Es wird aber absurd, wenn einer von ihnen plötzlich Punkte für etwas bekommt, obwohl er nichts gemacht hat. Nun ein komplett ausformuliertes Regelwerk zu verlangen ist allerdings genauso unsinnig wie naiv. In einer Live-Show wie «Schlag den Raab» sind so viele Eventualitäten denkbar, dass man sie gar nicht in ein Regelwerk aufnehmen kann. Von einigen weiß man jetzt noch nicht einmal, dass sie überhaupt existieren.
Doch der Fairness halber sollte ProSieben demnächst keine Punkte mehr verschenken. Denn es geht schließlich auch um die Glaubwürdigkeit der Sendung beim Zuschauer. Und die hätte gelitten, wenn die 1,5 Millionen Euro am Samstag an Reint gegangen wären.
Contra von Sidney Schering
«Schlag den Raab» ist keine gewöhnliche Spielshow. Allein schon aufgrund Stefan Raabs Verbissenheit wird in dieser Sendung mit einem sportlichen Ehrgeiz an jede noch so dämlich wirkende Herausforderung herangegangen. Selbstverständlich sind Spiele wie "Schnipski" oder "Marienkäferpunkte zählen" keine Olympischen Disziplinen. Doch bei «Schlag den Raab» werden auch häufig genug bekannte und unbekannte Sportarten nach ihren offiziellen Turnierregeln gespielt. Dadurch ergibt sich, dass «Schlag den Raab» letztlich eben doch wie ein ernstzunehmender sportlicher Wettstreit betrachtet werden muss.
Und da lässt sich nicht mit dem reinen Showeffekt argumentieren. Zwar ging dem ProSieben-Zuschauer am Samstagabend ein Mountainbike-Sportspiel abhanden, jedoch stehen bei «Schlag den Raab» nicht nur die körperlich anstrengenden Aktionsspiele im Fokus, sondern auch der sportliche Ernst (und die damit verbundene sportliche Fairness), mit dem der gesamte Showabend bestritten wird. Wenn sich beim Olympischen Zehnkampf der Topfavorit im entscheidenden Moment verkrampft, kann es halt passieren, dass ihn sein ärgster Konkurrent bezwingt. In solch einem Fall schreit auch niemand nach Wiederholung oder bittet darum, den 1500-Meter-Lauf durch Hallenhalma auszutauschen.
Bei «Schlag den Raab» muss man in allen Disziplinen fit sein. In früheren Ausgaben erlebte man auch Kandidatinnen, die seit Jahren nicht mehr mit manueller Gangschaltung Auto gefahren sind, und deshalb Autospiele vergeigt haben. Es ist dann die Aufgabe des Kandidaten, seine Defizite wett zu machen, indem er in anderen Spielen umso mehr glänzt. Dass sind die Regeln dieses Spiels, und sie sind für dieses Showformat auch nur fair, schließlich geht es darum, einen Tausendsassa zu bezwingen. Man muss sich den Aufschrei vorstellen, der durch das Web ginge, wenn sich ein wenig belesenen Spitzenathlet mit Weltmeistertiteln in mehreren Leichtathletik-Disziplinen und Ballsportarten bei einem frühen Spiel verletzt und die Show daraufhin Raab bevorteilende Quiz- und Denkspiele als Ersatz herankarrt.
Dass «Schlag den Raab» trotz verschenkter Punkte spannend sowie enorm unterhaltsam sein kann, wurde darüber hinaus durch die Show vom Samstagabend bewiesen: Raab und Reint lieferten sich ein enges, in vielen Spielen ausgeglichenes Duell, das Raab unter anderem durch sein Durchhaltevermögen für sich entscheiden konnte. Obwohl Gätjen ihm anbot, auch Kegeln an Reint abzugeben, ächzte und stöhnte er sich durch das Spiel – und gewann. Am Ende entschied ein Quizspiel den Abend. Trotz geschenkter Punkte ging Reint der Jackpot durch den Lappen, weil Raab wusste, dass Jürgen Möllemann niemals Finanzminister Deutschlands war. So funktioniert «Schlag den Raab», und so sollte es auch bleiben.