Hingeschaut

Zusammengerührt: Sat.1‘ «Familien-Fälle»

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Die RTL-Nachmittagssendungen gekreuzt mit «Verklag‘ mich doch». Hausfrauen stehen schwere Zeiten bevor.

Das Klientel Hausfrauen fest im Blick hat der Münchner Privatsender Sat.1 mit seinem neuen Format «Familien-Fälle», das am Montagnachmittag gleich in doppelter Dosis über die Bildschirme flimmerte. Nachdem sich «Richterin Barbara Salesch» nun der Kunst widmet und nicht mehr im Fernsehen urteilt, begleiten Kameras fiktive Familien – ganz so wie man es um diese Uhrzeit auch schon von RTL und VOX kennt. So viel sei gesagt: Streitereien auf hohem Lautstärkelevel wie man sie von «Verdachtsfälle» bei RTL miterleben muss, kommen im neuen Sat.1-Format kaum vor. Auch wenn es schwer fällt, im Zusammenhang mit den nachmittäglichen Scripted Realitys in irgendeiner Form von Niveau zu sprechen, liegt das der neuen Sat.1-Sendung zwei oder drei Stufen höher als das des RTL-Pendants, wenngleich sich der Betrachter hier immer noch im Erdgeschoss befindet.

Inhaltlich hat die Produktionsfirma filmpool, die alle nennenswerten Scripted Realitys am Nachmittag herstellt, ihre Vorzeigeformate schlicht zusammengerührt – entstanden ist dann «Familien-Fälle»: Die Grundthematik "Arm gegen Reich" oder "Gut gegen Böse" ist aus den RTL-Formaten, die rechtliche Kompente mit einem Schuss Help-TV kommt in ähnlicher Form in der VOX-Sendung «Verklag‘ mich doch!» vor. Und das muss man dem Format lassen: Einige Kleinigkeiten kann die Otto-Normal-Hausfrauen durchaus lernen. Beispielsweise Regelungen während des Trennungsjahres von Eheleuten, Hinweise zum Zugewinn und anderes.

Die beiden am Montag gezeigten Fälle glichen sich in gewisser Art und Weise, die Ausgangssituation war ähnlich. Die Hauptfigur, Mitte 40, lange Jahre verheiratet, wird von ihrem Ehemann betrogen – damit geht der Schlamassel los. Die arme Frau steht vor den Scherben ihres Lebens – am Montag hieß sie wahlweise Gudrun oder Yvonne. Nach kurzen Beratungen mit der besten Freundin, der Tochter („suche dir einen neuen Partner“) oder dem Sohn („Ich verstehe Papa, dass er sich ein neues Modell gesucht hat“), macht die Frau erst einmal selbst eine Bestandsaufnahme, um sich dann für teures Geld – 1950 Euro – bei einer Partnervermittlung anzumelden.

Und schon nimmt der Fall den erwarteten Verlauf. Natürlich kommt keine anständige Vermittlung zusammen – vorgestellt werden ein Rentner, ein Alkoholiker „und ein halb Geiler“, wie es später heißt. Die arme Betrogene ist also auch noch auf einen Betrüger hineingefallen, auf den Mann, der vorher in den gestellten Interview-Passagen immer schön brav und im schnieken Anzug in die Kamera lächelte. Aber keine Sorge: Am Ende wendet sich das Blatt dann zum Guten, da entscheidende Zeugen in den letzten fünf Minuten präsentiert werden können. Als i-Tüpfelchen obendrauf erweist sich der wichtige Zeuge dann auch noch als ebenfalls gut aussehender Mittvierziger, der ein Herz zu verschenken hat und somit ist der verlassenen Ehefrau auch liebestechnisch geholfen. Im zweiten Fall strebt der Ehemann, ein äußerst sympathischer Vertreter seiner Zunft, eine Art „italienische Ehe“ an – schwangere Freundin nebenan, während die betrogene Ehefrau am besten zu Hause Haushalt und Kinder betreuen soll.

In dieser Folge kommt dann auch der schon aus «Barbara Salesch» bekannte Bernd Römer zum Einsatz – nun als Rechtsanwalt und sozusagen Helfer in der Not. Römer hat beim Sat.1-Publikum große Sympathien und könnte der heimliche neue Star des Nachmittagprogramms werden.

Unterlegt werden die Bilder mit eingängiger Radio-Dudel-Musik, oder freundlicher ausgedrückt: Mit All-Time-Classics (zum Beispiel von Michael Jackson, Alan Parsons Project oder Visage), die private Radiosender zur Freude der Hörer den ganzen Tag im besten Mix spielen. Im Gerichtssaal spielt sich die Handlung übrigens geschätzt nur zu einem Viertel ab; dafür ist die Ausstattung des Verhandlungssaals authentischer, weil spärlicher als in reinen Court-Shows.

Sat.1 versucht mit seinem Scripted-Reality-Experiment einen nicht ungefährlichen Spagat: Vermutlich ist es genau das nicht vorhandene Niveau, das die RTL-Formate so erfolgreich macht. Die Tatsache, dass sich Sat.1 davon deutlich abhebt, wird in solchen Kritiken zwar wohlwollend erwähnt, der Quote ist es aber möglicherweise nicht zuträglich. Und in der allgemeinen Wahrnehmung werden Scripted Realitys ohnehin alle unter einen Hut gesteckt. Hausfrauen in den besten Jahren werden in den kommenden Monaten in Sat.1 einiges durchmachen müssen; On Air als betrogene und hintergangene Opfer und nichtsdestotrotz auch auf dem Sofa vor dem Fernseher.

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