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Man ist sich in Kritikerkreisen weitgehend einig, dass die letzten Wochen der neuen Endphase der «Harald Schmidt Show» auf einem Niveau lagen, das man in dieser Art seit Dezember 2003, als eine weitestgehend ähnliche Situation herrschte, allenfalls vereinzelt gesehen hat; etwa nachdem im September 2010 bekannt geworden war, dass Schmidt seine Show aus den bürokratischen Fesseln des öffentlich-rechtlichen Fernsehens dadurch befreien wollte, dass er sie zu Sat.1 rüberkarrte. „Meine Show wird ein Hit“, verkündete er stolz in einem aus diesem Anlass geführten Interview mit Quotenmeter.de.
Ein Hit war sie auch, die neue «Harald Schmidt Show» 2.0 im Privatfernsehen. Doch was dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen sein Gremienwirrwarr und das Zusammenklamüsern seiner Existenzberechtigung in den morgendlichen Quotentabellen ist, das ist dem Privatfernsehen der nackte Zahlenberg, aus dem sich die Werbepreise berechnen. Zuschauer = Werbepreise = Auf-Sendung-Bleiben. Das Spiel ist einfach – einfacher als bei der ARD, wo obskure Intrigen in irgendeinem Gremium wichtige Entscheidungen gerne einmal verzögern oder gar ganz zu Nichte machen, wo das Wohlwollen bei bestimmten Intendanten manchmal mehr zählen kann als Quote und Qualität, wo die Mühlen manchmal so langsam mahlen, dass sie Staub ansetzen. Doch anders als Schmidt es antizipiert oder zumindest gehofft haben muss, zogen die Quoten in Sat.1 nicht schnell genug an und verblieben auf einem Level, das für den Sender wohl nicht ausreichend war, um zu den bestehenden Konditionen weiterzumachen. Das kann man den Entscheidern in Unterföhring auch nicht verübeln.
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Letztlich bleiben, wenn man der Absetzung bei einem öffentlich-rechtlichen Vollprogramm gerade noch von der Schippe springen konnte, von Sat.1 vor die Tür gesetzt wird und man nicht zu RTL kann, weil sich RTL-Zuschauer und „Bild“-Leser immer mehr aneinander angleichen, wohl nur noch zwei Optionen: digitales Spartenfernsehen irgendwo nachts bei ZDF.kultur oder das Pay-TV, das einem prominenten Moderator, dessen Stil aber nur für eine Randgruppe, nämlich die Intellektuellen, attraktiv ist, ein Rundumsorglospaket bietet. Ohne Quotendruck, ohne Gremienwirrwarr. Nur Sullivan, Davey und Ammon. Murdoch ist ja weit weg und hat derzeit ohnehin andere Probleme.
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Der große Gewinner heißt am Schluss wieder einmal Harald Schmidt, der einen Coup ausgehandelt hat, den man so wohl kaum erwartet hatte. Gut möglich, dass Sat.1 den Verlust eines seiner qualitativen Aushängeschilder irgendwann in der Zukunft bereuen wird. Denn die «24 Stunden»-Reportage über Bodyguard-Ausbildungen und Do-It-Yourself-Häuslebauer wird nicht einmal ansatzweise für die Relevanz sorgen, die Sat.1 dringend braucht und für die Harald Schmidt, wenn auch (noch) mit relativ wenigen Zuschauern, gesorgt hat. Diese Relevanz findet man ab Herbst bei Sky. Wenn Sat.1 Lydia de Mül zeigt.