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Denn wo bislang eigentlich die Casting-Show «Das Supertalent», ebenfalls bei RTL und ab Herbst mit der sechsten Staffel am Start, als Auffangbecken für singende Kinder herhalten musste, schuf Dieter Bohlen, vermutlich im Zuge geistiger Umnachtung, einen eigens auf die heranwachsende Generation zugeschnittenen Ableger von Deutschlands erfolgreicher Castingshow. Der Titel: «DSDS Kids» – und der Name ist Programm. Doch welchen Sinn macht ein Talentwettbewerb für junge Leute, die sich zum Teil noch im Grundschulalter befinden und bei denen man sich fragt, ob wirklich der kleine Künstler den Anmeldebogen für die Sendung ausgefüllt hat, oder ob es doch die ehrgeizigen Eltern waren?
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Was RTL zur Verpflichtung der beiden Grazien bewog, kann man sich möglicherweise damit erklären, dass die zwei immer wieder an der Seite ihrer Kinder Schlagzeilen machten. Im Falle von Dana Schweiger äußerst positiv, gilt sie doch als eine Promi-Gattin, die vorbildlich das Privatleben ihrer Kinder zu schützen vermag. Dass ausgerechnet sie nun als Jurymitglied in einer Show auftritt, in der Kinder in die Öffentlichkeit gezerrt werden, sieht RTL wohl als Eigenwerbung im Hinblick auf Zweifler und Jugendschützer. Um diese außerdem vorab zu besänftigen, verzichtete man auf eine Live-Ausstrahlung der Talentshow und zeichnete die ersten drei Ausgaben vorab auf. Wie das Live-Abstimmungsverfahren mit den aufgezeichneten Shows harmonieren soll, wird allerdings nicht erklärt. Lediglich das kurz vor der Ergebnisverkündung eingeblendete "Live" neben dem RTL-Logo deutet darauf hin, dass die kleinen Sängerinnen und Sänger tatsächlich von den Anrufen der Zuschauer weitergewählt wurden. So ganz erschließt sich dem Zuschauer der Übergang von "Live on Tape" zu "Live" jedoch nicht.
Neben einer eigens zusammengewürfelten Jury erhielt der «DSDS»-Ableger außerdem einen neuen, jungen Moderator. Mit Daniel Aßmann griff der Kölner Sender zu einem absoluten Frischling in der Moderatoren-Riege. So machte der ehemalige «Focus TV»-Praktikant bislang vor allem als Moderator bei GIGA auf sich aufmerksam. Doch auch wenn sein Primetime-Debut in der zweistündigen Show noch ein wenig steif und stellenweise nervös wirkt, so entpuppt sich der sympathische Newcomer als Glücksgriff für das Format. Seine Interaktion mit den Kindern ist absolut souverän, er verzichtet auf billige Floskeln und hebt sich damit angenehm von dem mittlerweile ausrangierten Marco Schreyl ab.
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Nett aufgemacht mit den gewöhnlichen Effekten, Tänzern und Videoleinwänden, doch ein "Aha"-Effekt bleibt aus. Die Jury ist wie erwartet zahm, immerhin mag man den Dreikäsehochs die gewohnt derben Kommentare des Pop-Titans nicht zumuten. Doch immerhin kommt in dieser Show tatsächlich mal wieder der weiche Kern unter der harten Schale eines Dieter Bohlen zum Vorschein. Zudem verzichtet man dankenswerterweise auf die castingshowtypische Gefühlsduselei in Form von dramatischen Einspielern. Das übliche «DSDS»-Design wurde für seinen Ableger beibehalten und auch das altbewährte Prinzip des Anruferwerbens, einhergehend mit dem gewohnten Schnelldurchlauf lässt den Zuschauer zeitweise denken, er befände sich in einer ganz normalen Mottoshow von «Deutschland sucht den Superstar».
Dass den Kindern beim Gewinn der Show immerhin kein Plattenvertrag – und somit ein viel zu früher Start eines Lebens in der Öffentlichkeit – blüht, sondern sich RTL mit einem Ausbildungsstipendium und einem Preisgeld erkenntlich zeigt, ist durchaus begrüßenswert. So bleibt im Kern ein gewisser Spielshow-Charakter enthalten und lässt «DSDS Kids» nicht allzu sehr wie eine Castingshow ausschauen. Wenn auch RTL es sich natürlich nicht nehmen lässt, durch die Anrufe der Zuschauer wieder ordentlich Geld zu verdienen, wenn auch sich ein Zielpublikum der Show, welches sich zu den Anrufwilligen zählen könnte, in Show eins noch nicht ganz erschließt.
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Damit dieser Versuch aber schlussendlich auch ein Erfolg wird, sollte sich RTL jedoch mehr einfallen lassen, als die bekannte Bühne noch einmal auszukramen und drittklassige Mini-Sängerinnen und –Sänger auf das Publikum loszulassen. Erstrecht dann, wenn diese anstatt einer professionellen Bewertung lediglich ein paar Seelenstreichler von der fraglich kompetenten Jury erhalten. Denn mit diesem Konzept ist «DSDS Kids» an Gewöhnlichkeit kaum zu übertreffen. Und im Showbusiness braucht es einfach mehr, als gewöhnlich zu sein.