Mit 372 Punkten war Schweden der klare Sieger des «Eurovision Song Contest» 2012. Roman Lob erreichte derweil für Deutschland mit 110 Punkten einen guten 8. Platz. Julian Miller mit ersten Einschätzungen dieser Ergebnisse und den Highlights der großen Finalshow.
Sicherlich wird dieses Ergebnis alle zufrieden gestimmt haben. Mit einem guten achten Platz konnte Roman Lob seinem Anspruch, es in die Top Ten beim «Eurovision Song Contest» zu schaffen, vollends gerecht werden. Damit hat sich auch gezeigt: «Unser Star für...» scheint der einzige Modus zu sein, der im Rahmen des deutschen Vorentscheids zu zählbaren Resultaten führt, für die man sich vor dem Rest Europas nicht schämen muss. Die Zeit des Schlusslichtdaseins und des Dahinsiechens im letzten Drittel der Tabellenplätze scheint auch in der Post-Lena-Zeit für Deutschland vorbei zu sein. Roman Lob hat ein weiteres Mal beweisen, dass man es mit einem gut produzierten Song auch ohne große Bühnenshow, und ohne eine tanzende russische Oma zu sein, auf einen der vorderen Plätze schaffen kann, sofern man authentisch ist.
Der große Sieger des Abends war erwartungsgemäß die schwedische Sängerin Loreen, die mit ihrem etwas düsteren, gleichzeitig aber dynamischen technoesquen Titel „Euphoria“ und einer ausgeklügelten Zwei-Mann-Bühnenshow sowie etwas Kunstschnee Europa überzeugen konnte. Sicherlich ein verdienter Sieg, denn die Performance war spektakulär, ohne in eine ausschweifende Selbstdarstellung zu verfallen, war stimmig, vielleicht etwas gekünstelt, aber das jedenfalls, ohne aufgesetzt zu wirken. Wieder einmal „kein typischer Grand-Prix-Titel“, der dieses Jahr gewonnen hat.
Überraschend war dagegen sicherlich das schlechte Abschneiden der dänischen Delegation, die von den Buchmachern eigentlich auf einem der vorderen Plätze gehandelt worden war. Denn „Should've Known Better“ war eine sehr leichtfüßige Nummer, dabei, dem deutschen Beitrag nicht unähnlich, recht leise inszeniert, und stammte von einer Sängerin, die neben einer guten Stimme auch noch einen sehr hohen Cuteness-Faktor vorweisen konnte.
Ebenfalls auf einem der hinteren Plätze landeten Jedward aus Irland, die man bereits aus dem letzten Jahr in Düsseldorf kennt, wo sie mit ihrem Ohrwurm „Lipstick“ den achten Platz belegen konnten. Dieses Jahr liegen sie dagegen weit abgeschlagen auf dem 19. Platz, obwohl ihre aktuelle Nummer „Waterline“ eigentlich nicht wirklich schlecht klang, wenn sie natürlich auch – im typischen Jedward-Stil – sehr Boyband-lastig und ordentlich trashig war. Aber Trash gehört mittlerweile zum «Eurovision Song Contest» genauso dazu wie die Mütze zu Roman Lob. Der russische Beitrag hat indes gezeigt, dass man mit einem, nennen wir es einmal „untypischen“, Auftritt auch sehr erfolgreich sein kann – die sechs tanzenden und backenden Babuschkas erreichten immerhin einen außerordentlich guten zweiten Platz.
Aber auch große Stimmen wurden gewürdigt. Eine der faszinierendsten kam mit der Sängerin Rona Nishliu dieses Jahr sicherlich aus Albanien, das mit seinem fünften Platz sicherlich ebenso zufrieden sein kann. In ihrem sehr depressiven Klagelied, das obendrein mit roten Spots und einer auf Vollgas laufenden Nebelmaschine sehr düster inszeniert wurde, schraubte sie ihre Stimme nach oben, bis im heimischen Wandschrank die Gläser klirrten. Soetwas ist natürlich Geschmackssache, aber in Europa schien es anzukommen. Ebenso konnte die Spanierin Pastora Solar mit „Quédate conmigo“ den Kontinent zum Anrufen animieren; im Gegensatz zu ihrer albanischen Kollegin war ihr Song zwar deutlich mainstreamiger (schnitt aber interessanterweise mit dem zehnten Platz etwas schlechter ab), musikalisch aber gleichsam sehr anspruchsvoll; eine Herausforderung, die Solar mit Bravour meisterte.
Für Deutschland sollte am Ende des Abends jedenfalls eines feststehen: Wenn man weiterhin ergebnisorientiert am «Eurovision Song Contest» teilnehmen will, scheint «Unser Star für...» der einzige Ansatz zu sein, mit dem man dies bewerkstelligen kann. Denn mit allen anderen Mechanismen, ob mit einer internen Entscheidung ohne Beteiligung der Öffentlichkeit wie bei Alex Swings, Oscar Sings 2009 (Platz 20 von 25) oder einer mehrstündigen einzelnen Vorentscheidungsshow mit bekannteren Künstlern, bei der dann wie etwa 2008 entschieden wird, dass die No Angels antreten sollen (Platz 23 von 23), war dies nicht möglich. Mit «Unser Star für...», einer Sendung, in der man junge Talente finden kann, die sich in dem Format entfalten dürfen, konnte man jedoch mit einem Sieg und zwei weiteren Top-Ten-Platzierungen innerhalb von drei Jahren der ewigen und aus damaliger Sicht scheinbar endlosen «ESC»-Misere entkommen. If it ain't broke, don't fix it. Just don't.