Halbwegs stabil hielt sich Sat.1 in der zurückliegenden TV-Saison. Das kommende Fernsehjahr dürfte aber verdammt schwer werden. Wo die Probleme liegen und ob es Lösungsansätze gibt, sagt Manuel Weis.
Die Season:
Der Trend von Sat.1 zeigt in der laufenden Season erneut vorsichtig nach unten: Anstelle der anvisierten elf Prozent geht Sat.1 wieder etwas mehr den zehn Prozent entgegen. Holte der Kanal 10/11 noch 10,7 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen, waren es jetzt nur noch 10,6 Prozent. Der Mai allerdings lief mit elf Prozent sehr stark – die hohen Quoten waren aber unter anderem dem starken Champions League-Samstag zu verdanken. Mit fast 20 Millionen Zuschauern wurde am 19. Mai 2012 das beste Ergebnis in der Sendergeschichte gemessen.
Die Baustellen:
Gibt es bei Sat.1 ganz zahlreich. Dabei ist es eigentlich gar nicht so sehr die Primetime, die Sorgen bereitet. Vielmehr gelang es dem Münchner Sender nicht, den Vorabend auf die Beine zu bringen. Man muss kein ausgewiesener Experte sein, um zu wissen, dass ein Vorabendprogramm, das gute Quoten holt, von enormer Bedeutung ist. Dann läuft es nicht nur zur Primetime gleich viel besser, sondern auch die Tagesmarktanteile fallen ohne allzu große Anstrengung höher aus. Mit «K 11», dem demnächst wieder eingemotteten «Lenßen», «Pures Leben» und dem gerade neu gestarteten «push» hat der Kanal aber kein wirklich zukunftsfähiges Format.
Vielmehr scheint man seit Jahren in diesem Sektor zielstrebig am Publikum vorbei zu produzieren. Wofür steht Sat.1 eigentlich am Vorabend? Während es RTL II gelang mit Scripted Realitys eine neue Vorabendfarbe zu installieren, RTL mit Soaps punktet und ProSieben mit seinem bekannten Mix aus «Simpsons» und «Galileo» konstant über Senderschnitt liegt, zeigt Sat.1 ein Kessel Buntes, aber langweiliges.
Der Vorabend beschreibt zudem die Situation des Münchner Senders sehr deutlich. Er droht in der kommenden Saison – ohne Live-Fußball – in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Große Gesichter wie Pocher, Schmidt und möglicherweise auch Kerner sind weg – geblieben sind Inhalte wie «Schwer verliebt» oder «Land sucht Liebe». Wofür Sat.1 genau steht, weiß vermutlich nicht einmal die Führungsriege – denn die ist mit dem einst so erfolgreichen Berliner Sender noch zu wenig verwurzelt.
Als ProSiebenSat.1 die Entscheidung traf, Sat.1 von Berlin nach München zu holen, wurde nahezu das komplette Top-Management des Senders ausgewechselt. Seitdem kümmert sich eine ProSiebenSat.1-Crew um den Bällchensender – zusammengemixt aus ProSieben und kabel eins-Leuten, die Sat.1 halt eben noch mit machen. Funktioniert ein Projekt nicht, wird es eingemottet und das nächste wird probiert. Die Leidenschaft, die das frühere Berliner Team ausmachte, ist in Unterföhring in Sachen Sat.1 nachwievor nicht in früherer Form zu spüren. Vielleicht aus der Not heraus setzte der Kanal dann auch auf was, das den Sender zuletzt ausmachte: Neuauflagen ehemals erfolgreicher Formate – wie eben «Harald Schmidt», «Wochenshow» oder «Bitte melde dich». Letzteres Format zeigt immerhin, dass Sat.1 nicht ganz die Nase für Quotenhits verloren hat.
Immerhin aber scheint man erkannt zu haben, dass am Vorabend noch Potential nach oben besteht. So hat die Führungsetage angekündigt zum Herbst einen neuen Vorabend installieren zu wollen – möglicherweise mit der Kuppelshow «Land sucht Liebe», wie kürzlich bekannt wurde.
Die Chancen:
Sie sind nicht massig vorhanden. Für die Primetime hat Sat.1 gleich vier neue Serien für den Montag im Köcher – die sich allerdings auch inhaltlich erst einmal mit den Hits «Danni Lowinski» und «Der letzte Bulle» (wurden übrigens noch zu Berliner Zeiten entwickelt) messen lassen müssen. Besser programmieren als zuletzt kann Sat.1 fortan auch mittwochs – Champions League fällt weg, wenngleich der Mittwochabend nicht zu den Problemkindern des Senders gehört.
Donnerstags und sonntags wird es Sat.1 wohl bei US-Serien belassen, neue Ware aus den USA kommt nur schleppend nach – ein Glück für den Sender, dass die aktuellen Formate allesamt noch gute Werte einfahren. Grundsätzlich bestehen auch Chancen auf einen geglückten Reboot am Vorabend – vorausgesetzt die Leidenschaft kehrt zum Sender zurück. Dafür müsste man sich aber erstens etwas trauen und somit auch Flops in Kauf nehmen und sich vom Streben nach Gewinnmaximierung verabschieden.
Das killt nämlich letztlich jegliche Kreativität – und die braucht Sat.1 so dringend wie nie. 2012/2013 wird ein entscheidendes Jahr für den Sender – für einen Sender, der früher für Marken wie «ran», «Bitte melde dich», «Die Harald Schmidt» und vieles andere stand. Heute aber sind nur Versatzstücke davon noch übrig («Bitte melde dich» mit Julia Leischik wird sicherlich auch in Staffel 2 funktionieren). Das aber wird das Problem, das niemand genau sagen kann, wofür Sat.1 in der heutigen Zeit eigentlich steht, nicht lösen. Wie aber soll das auch funktionieren, wenn die Halbwertszeit eines Geschäftsführers von Sat.1 inzwischen bei weniger als einem Jahr angekommen ist? Der Trend zeigt nach aktuellem Dafürhalten aber nach unten.