Hingeschaut

«Lothar» - Die Selbstdemontage geht weiter

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Am späten Sonntagabend startete die neue Dokusoap mit Lothar Matthäus. Sie bot Peinlichkeiten in Hülle und Fülle - unter äußerst unfreundlicher Mithilfe von VOX.

Ist es Masochismus, Langeweile oder doch einfach nur der unstillbare Drang nach Selbstdarstellung, die den ehemaligen Weltfußballer Lothar Matthäus dazu getrieben haben, sich nun auch noch auf eine sechsteilige Dokusoap beim Privatsender VOX einzulassen? Glaubt man seinen eigenen Worten, so verfolgte er eine ganz andere Intention: Man solle "mich in dieser Doku so kennenlernen, wie ich wirklich bin und nicht, wie ich häufig dargestellt werde". Unter Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit startete am späten Sonntagabend dieser Versuch, das in Deutschland völlig ramponierte Image des Ex-Weltstars aufzupolieren, denn zur gleichen Zeit lief noch das EM-Viertelfinalspiel zwischen England und Italien. Gut für ihn und den Zuschauer, denn die Sendung entwickelte sich einmal mehr zur großen Peinlichkeit...

Doch um in Loddars Fall zunächst einmal eine gewisse Fallhöhe zu suggerieren, beginnt das neue Format erst einmal damit, dessen unbestrittene Erfolge als aktiver Fußballer aufzuzählen. Immerhin war er ja mehrfacher deutscher Meister und Pokalsieger, hatte eine erfolgreiche Zeit in Italien und war sogar bei den letzten internationalen Turniererfolgen der deutschen Nationalmannschaft mit dabei. Doch nach seinem Karriereende im Jahr 2000 verblasste sein Ruhm zunehmend, seine Trainerstationen waren nur selten von Erfolg gekrönt und die größte Wahrnehmung generierte er ohnehin nur noch durch zahlreiche Affären, kurzlebige Ehen und zahlreiche verbale Aussetzer, die ihm in den vergangenen Jahren immer wieder einen Platz in den Boulevardmedien sicherten.

Und natürlich lässt die nächste Peinlichkeit nicht lange auf sich warten. Nachdem man den Zuschauer darüber informiert, dass Matthäus bereits seit acht Jahren in Budapest lebt, weil dort ja alle so viel netter zu ihm seien als hierzulande, wo ja ohnehin niemand fair mit ihm umgehe, folgt auch schon eines der absoluten Highlights der ersten Episode. Denn beim etwas eigenwilligen Einräumen des Kühlschranks lässt es sich das Kamerateam nicht nehmen, ihn nach der Systematik zu fragen. Lothar holt für die Beantwortung dieser Frage etwas weiter aus - und vergleicht sein System mit einem Fußballfeld: "Linien sind immer wichtig für mich. Auch der Fußballplatz besteht ja eigentlich zum größten Teil auf... aus Linien. Es gibt zwei Halbkreise und einen ganzen Kreis und sonst ist alles Linien. Und irgendwo ist das wahrscheinlich so'n bisschen, ja, hier oben im Kopf drinnen, alles auf Linien auszurichten, aber okay. Ab und zu darf auch mal was anders stehen, also so ist es nicht. Weil, man kann ja keinen Kreis als Linie hinstellen, aber Kreise hintereinander kann man wieder als Linie hinstellen."

Und wem dieser nur auszugsweise zitierte Monolog noch nicht bizarr genug war, darf sich im Anschluss daran noch an einer detaillierten Analyse des Sprechers erfreuen, der das System noch einmal in süffisantem Ton mit Hilfe von vier auf einem virtuellen Fußballfeld postierten Joghurts erklärt. Ohnehin fühlt man sich bei der Auftaktfolge bisweilen an die schlimmsten Dokusoaps der jüngsten Vergangenheit erinnert, wenn der Sprecher aus dem Off beinahe jeden Satz mit einem ironischen Unterton unterlegt und zudem der geschickte Einsatz von Musik eigentlich harmlose Szenen in ein ganz anderes Licht rückt. In dieser Hinsicht ist «Lothar - Immer am Ball» sogar tatsächlich perfide, denn dem Zuschauer wird hier einmal mehr durch visuelle und akustische Raffinessen signalisiert, dass er das Gesehene doch bitte auch wirklich als peinlich und dumm wahrzunehmen hat.

Dabei wäre die Nutzung dieser Stilmittel gar nicht nötig gewesen, denn Matthäus demontiert sich in gleich mehreren Situationen selbst. So zum Beispiel in den zahlreichen Monologen, die in gewohnter Manier immer wieder eingestreut werden und kleine Perlen wie "ich war immer korrekt und ehrlich, war hundertprozentig hinter jeder Beziehung gestanden... in dem Moment" bereithalten, nachdem er kurz zuvor noch vollmundig erklärte, dass er auch bereit sei, eine Familie zu gründen - wenn Vertrauen und Gefühle vorhanden seien. In diesen Momenten empfindet der Zuschauer eine seltsame Mischung aus Fremdscham und Mitleid - und hofft einfach nur, dass diese Person im Fernsehen das Gesagte nicht wirklich ernst meint.

Viel schöner sind allerdings noch zahlreiche Szenen, in denen Loddar mit seiner neuesten Eroberung Joana, einem 32-jährigen Dessous-Model aus Polen, zu sehen ist. Ganz davon abgesehen, dass die beiden ihre Zuneigung zueinander in etwa so glaubwürdig spielen wie die Laiendarsteller der RTL-Nachmittagssendungen, sorgt Matthäus auch hier wieder für einige gleichermaßen amüsante wie traurige Momente. So verbietet er seiner Gespielin, bei Eiseskälte eine Strumpfhose anzuziehen, da sie ja noch auf eine Berlinale-Party gehen und Strumpfhosen bei der männlichen Zunft dort nicht als sexy gelten. Immerhin eine große Weisheit hat er ihr zum Trost mitzuteilen: "Wer schön sein will, muss nun mal leiden." Als sich Joana tags darauf erkältet in der Küche blicken lässt und vom angebratenen Rührei kosten "darf", weiß der Ex-Profi auch wieso: "Selbst schuld! Weil ihr Frauen untenrum immer nackt sein müsst!"

Insgesamt ist «Lothar - Immer am Ball» mit Sicherheit nur dann ein sehenswertes Format, wenn man sich noch einmal davon überzeugen möchte, dass man durch die Medien tatsächlich kein falsches Bild von diesem Mann vermittelt bekommt. Und wenn dem doch so sein sollte, dann schafft es diese Dokusoap gewiss nicht, das wahre Gesicht des Lothar Matthäus zu zeigen. Allerdings ist dies auch ganz offenkundig nicht das Ziel dieses Formats, denn neben den bereits erwähnten Stilmitteln räumt man dem "Star" der Sendung genügend Zeit ein, sich durch schlechtes Englisch und undurchdachte Kommentare weiter der Lächerlichkeit preis zu geben. Somit kann der Zuschauer nur dem VOX-Chefredakteur Kai Sturm beipflichten, wenn er sagt, dass man "nicht wirklich glücklich mit dem Programm" sei.

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