Die Kritiker

«The Newsroom»

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Inhalt:


In seiner neuen Serie gewährt Aaron Sorkin einen Blick hinter die Kulissen eines Nachrichtensenders und erzählt vom Leben seiner Protagonisten vor und hinter der Kamera. Es geht um News-Anchor Will McAvoy, der zuletzt mit sinkenden Quoten zu kämpfen hatte. Jetzt steht er vor einer großen Herausforderung: Die Hälfte seines Teams – samt Produktionschef – ist zur Konkurrenz abgewandert und ausgerechnet seine Ex-Frau wird nun seine neue Produktionsleiterin. Schon der erste gemeinsame Arbeitstag ist turbulent und voller Streitereien. Bis in der Nacht erste Eilmeldungen über ein Ölleck auftauchen: Es ist die Explosion der BP-Bohrinsel im Golf von Mexiko. Wills Team beschließt, ohne Rücksicht auf Quoten oder andere unternehmerische Vorgaben, guten Journalismus zu liefern.

Darsteller:


Jeff Daniels («Zeit der Zärtlichkeit») ist Will MacAvoy
Emily Mortimer («Shutter Island») ist Mackenzie MacHale
Sam Waterston («Law & Order») ist Charlie Skinnet
Dev Patel («Slumdog Millionaire») ist Neal
Jane Fonda («Das China-Syndrom») ist Leona Lansing

Kritik:


Wenn Aaron Sorkin eine neue Serie auf den Markt bringt, dann sind die Kritiker schon Wochen zuvor unruhig – Aufmerksamkeit ist dem TV-Macher in den Vereinigten Staaten gewiss. Der Oscar-Preisträger (Bestes Drehbuch für «The Social Network») sieht sich aber auch regelmäßig einer Front an Kritiken gegenüber. Das war bei «Money Ball» der Fall, eben so wie bei seinem vorherigen Serienprojekt «Studio 60 on the Sunset Strip» und teilweise auch bei «The West Wing». «Studio 60» war nun nicht der große Quotenerfolg – und deshalb ist es ein logischer Schritt, dass Sorkin, dessen Arbeiten in Kursen bis ins Detail seziert werden, nun eine Serie für den Bezahlsender HBO macht.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass wohl viele, die sich mit «The West Wing» anfreunden konnten, auch das neue «The Newsroom» lieben werden. Die Serie mit einem unglaublich stark agierenden Jeff Daniels in der Hauptrolle bekommt noch den zusätzlichen Charme, dass sie mit real passierten Fakten hantiert. Das Unglück an der BP-Bohrinsel geschah in der Tat im April 2010 – «The West Wing» schuf in seinen sieben Staffeln immer ein Paralleluniversum. Anders nun «The Newsroom», das sich kleinlich genau an Fakten hält: Genau das dürfte es Sorkin aber nicht einfacher machen für die kommenden Runden, schließlich eignen sich nur wenige Themen wirklich für die Serie, die natürlich auch daran denken muss, ein Verkaufshit im Ausland zu sein. Selbst wenn es noch viel zu früh ist, darüber zu spekulieren, dürfte eine zweite Season schon allein des Trubels wegen in den USA als relativ sicher gelten. Und länger sollte man bei Aaron Sorkin vielleicht auch gar nicht planen, sodass die Sorgen darüber, ob sich weitere starke Themen finden lassen, etwas verfrüht sind.

«The Newsroom» ging es in Amerika nicht viel anders als seinen vorherigen Produktionen: Er wurde in den USA wieder zerrissen – gar nicht schmeckte den Kritikern zum Beispiel gleich die erste Szene, in der Anchor Will laut und direkt deutlich macht, wieso europäische Länder in Freiheit leben, nicht aber Amerika und wieso die Liberalen es mehr oder weniger sowieso zu nichts bringen. Mutig, HBO – genau deshalb aber wirklich gut. Allerdings kommt man hier schon an einem Kritikpunkt an, der Sorkin auch schon während «The West Wing» begleitet hat: Seine Protagonisten sind zwar gerne unbequem, haben aber genauso gerne auch einen Heiligen-Schein auf.

In «The Newsroom» rückt Sorkin davon etwas mehr ab als früher, Will ist eine unbequeme und teilweise nicht sonderlich liebeswerte Person; aber jemand, der irgendwo doch das Herz auf dem rechten Fleck hat. Die über 70 Minuten Laufzeit vergehen schier wie im Fluge und als Zuschauer blickt man am Ende der Episode darüber hinweg, dass auch HBO nicht ohne Geschichten wie der wiederkehrenden Ex-Frau auskommt (immerhin überzeugend gespielt von Emily Mortimer). Am Ende steht nämlich die Faszination, die «The Newsroom» auslöst. Die kann man noch nicht nach 30 Minuten teilen, dafür aber nach 65.

Im Laufe der Episode beginnt Will nämlich – auch weil er ohnehin schon mit dem Rücken zur Wand steht – entgegen der sonstigen Weichspüler-Gewohnheiten einfach bestmögliche TV-Nachrichten zu machen. Da wird bei ihm auf dem Sender nicht über einen Asche spuckenden Vulkan in Europa gesprochen, sondern über eine drohende Ölpest. Also über etwas, das die amerikanischen Medien damals in echt entweder unterschätzten oder mit Absicht etwas länger unter Verschluss hielten. Sorkin will damit ausdrücken, wie die Sender an jenem Apriltag eigentlich hätten arbeiten müssen – es aber vielleicht aus Angst vor der Lobby nicht getan haben. Genau dies führt zu einer Authentizität, die es sonst nur in ganz, ganz wenigen US-Formaten gibt. Genau dafür aber ist HBO letztlich auch bekannt. Gut, dass die Serie dort läuft, denn eines ist auch klar: «The Newsroom» ist wie auch «The West Wing» ein Nischenprodukt.

Auf einen Zuschauer, der das Format liebt, werden fünf bis zehn kommen, die nichts mit ihm anfangen können. Das trifft auch gerade auf Deutschland zu. Die Serie ist unglaublich amerikanisch und deshalb nichts für den Mainstream. Zudem bedarf es durchaus einer Kenntnis im amerikanischen (Polit)-System und allgemein einer guten Auffassungsgabe, um die Serie, die mit exzellenten Dialogen brilliert, zu verfolgen.

Neben Jeff Daniels sorgt auch der aus etlichen «Law & Order»-Folgen bekannte Sam Waterston für einen Hingucker. In Deutschland ist dieser wirklich fast ausschließlich durch seine Rolle als Jack McCoy (diesen spielte er über 360 Episoden lang) bekannt. Den Staatsanwalt nun als Nachrichtenchef zu sehen, erfordert eine gewisse Eingewöhnungsphase. Mutig von Sorkin, Waterston zu besetzen – er ist vielleicht der einzige Akteur, der leicht wie ein Fremdkörper in dem Format wirkt.

Den amerikanischen Kritikern zum Trotz: Sorkin ist mit «The Newsroom» ein (leider bis dato) einmaliger und deshalb so interessanter Einblick in einen fiktiven amerikanischen Nachrichtsender gelungen. Der Pilot birgt Potential für eine grandiose erste Staffel – und wenn man Sorkins Werke in der Vergangenheit anschaut, dann gibt es nicht viele, die ein solches Potential ungenutzt ließen.

In Deutschland können Sky-Kunden schon jetzt die Episoden wenige Stunden nach der US-Ausstrahlung anschauen – im Originalton. Der Pilot steht aktuell schon via Sky Go und Sky Anytime zur Verfügung.

Kurz-URL: qmde.de/57513
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