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Neu im Kino: Die Rückkehr der Spinne

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«The Amazing Spider-Man» macht die Kinosäle unsicher. Außerdem versetzt ein Mord eine kanadische Kleinstadt in Unruhe.

«The Amazing Spider-Man»
Peter Parker (Andrew Garfield), ein High School-Schüler und Außenseiter, wurde als kleiner Junge von seinen Eltern verlassen und wird seitdem von seinem Onkel Ben (Martin Sheen) und seiner Tante May (Sally Field) aufgezogen. Wie die meisten Teenager versucht Peter herauszufinden, wer er ist und wie er zu der Person geworden ist, die er heute verkörpert. Bei dieser Identitätssuche findet Peter seine erste High School-Liebe, Gwen Stacy (Emma Stone), und als er einen mysteriösen Aktenkoffer entdeckt, der einst seinem Vater gehört hat, beginnt er Nachforschungen anzustellen, weil er verstehen will, warum seine Eltern damals so plötzlich verschwunden sind. Seine Recherchen führen ihn direkt zu Oscorp und dem Labor von Dr. Curt Connors (Rhys Ifans), dem ehemaligen Partner seines Vaters. Nachdem sich Spider-Man auf einen Kollisionskurs mit Connors Alter Ego The Lizard begeben hat, muss Peter einige lebensverändernde Entscheidungen treffen, wie er seine Kräfte einsetzt. Und er formt sein Schicksal, ein Held zu sein.

Braucht es wirklich schon wieder einen Reboot des Marvel-Superhelden Spider-Man, der erst vor zehn Jahren die Leinwand erschwang und eine erfolgreiche Film-Trilogie begründete? Für Kritiker Harald Peters von der „Welt“ ist die Neuverfilmung zumindest „nicht völlig überflüssig“: Er lobt besonders Hauptdarsteller Andrew Garfield als besten „Teenager-Darsteller weit und breit“ – bei ihm reichen „ein Schulterzucken oder eine Kopfdrehung, um einen dramaturgisch wertvollen Stimmungswechsel zu vermitteln.“ Auch die Liebesgeschichte zwischen Peter und Gwen „überzeugt, was daran liegen könnte, dass die beiden Schauspieler Emma Stone und Andrew Garfield auch privat ein Paar sind.“ Lediglich die Schurken des Films bleiben laut Harald Peters blass. Auch Martin Schwickert von „Zeit Online“ findet «The Amazing Spider-Man» „angesichts des Zeitdrucks und der geschassten Filmcrew gar nicht so schlecht.“ Schwickert lobt Hauptdarsteller Garfield, der „neue, interessante Akzente“ in die Figur einbringt und „ein ungewöhnlich hohes Maß an Verletzlichkeit an den Tag legen darf.“ Visuell sei der Film „sichtbar düsterer als die farbenprächtigen, surreal anmutenden Bilderwelten Sam Raimis“ und präsentiere damit eine „sehr zeitgemäße Version des Comic-Klassikers“. Ähnlich lobend zeigen sich auch US-Kritiker wie Boyd van Hoeij von „Variety.com“: Der Film sei eine „meist gekonnte, unterhaltende und emotional mitreißende Rekombination von frischen und bekannten Elementen.“ Dieser „Superhelden-Dating-Film“ profitiere enorm von der „perfekten Chemie der Hauptdarsteller Andrew Garfield und Emma Stone.“
OT: «The Amazing Spider-Man» von Marc Webb; mit Andrew Garfield, Emma Stone, Rhys Ifans, Denis Leary und Martin Sheen.

«Small Town Murder Songs»
Walter (Peter Stormare) ist Polizeichef in einer kanadischen Kleinstadt und kann dort eigentlich eine ruhige Kugel schieben. Doch auch das kleinste Nest birgt seine Geheimnisse: Ein Mord passiert plötzlich und reißt nicht nur den launigen Walter aus der gemütlichen Lethargie. Kurios aber ist bei den folgenden Ermittlungen, dass niemand die Tote kennt – doch bald erkennt der Polizeichef, dass das Opfer einen Bezug zu Walters geheimer Vergangenheit darstellt.

Der kleine Arthouse-Thriller «Small Town Murder Songs» wurde von der Kritik größtenteils positiv aufgenommen. Martin Gobbin von „critic.de“ lobt Regisseur Ed Gass-Donnelly dafür, dass er die Inszenierung des Films vor die Story stelle und keine klassischen Thriller-Konventionen bedient: Denn „anstelle des Inhalts rückt die Form in den Vordergrund. Die Entwicklung der Ermittlungen wird teilweise von der Bildebene in das beständig laufende Autoradio ausgelagert, also als Nebensache qualifiziert.“ Zwei Elemente – die majestätischen Landschaftsaufnahmen und der dominierende Musikeinsatz – stünden im Zentrum des Films. Auch Stephen Holden von der „New York Times“ erkennt die Story nicht als klassisches „Whodunit, sondern als Charakterstudie eines Mannes, der eingezwängt ist in einen psychologischen, intellektuellen und beruflichen Schraubstock.“ Die Vergangenheit des ambivalenten Walter bleibt aber im Dunkeln – laut Stephen Holden der einzige Schwachpunkt in «Small Town Murder Songs», denn „wenn der Film nach 76 Minuten endet, wird man mit dem Wunsch zurückgelassen, er hätte die Hintergrundgeschichte von Walter einbezogen und ein detaillierteres Bild der Kleinstadt gezeichnet.“

OT: «Small Town Murder Songs» von Ed Gass-Donnelly; mit Martha Plimpton, Peter Stormare und Jill Hennessy.

«Der Seidenfächer»
Die beiden Kinder Snow Flower (Gianna Jun) und Lily (BingBing Li) werden im China des 19. Jahrhunderts am gleichen Tag geboren, Jahre später bekommen sie auch zeitgleich ihre Lotusfüße – ein früher gängiges wie qualvolles Ritual, bei dem Füße mittels Knochenbruch und Bandagierung zugunsten eines Schönheitsideals verkrüppelt wurden. Die Kinder werden im Laufe der Jahre zu Schwestern im Geiste, verlieren sich jedoch bald in lieblosen Ehen als isolierte Schicksale. Ihre Freundschaft bleibt allerdings bestehen: Über einen Seidenfächer tauschen sie geheime Nachrichten miteinander aus. Parallel wird eine zweite Geschichte über die Nachfahren von Flower und Lily im heutigen China erzählt, die ein ähnliches Schicksal teilen: Ihre Kindheitsfreundschaft entgleitet ihnen im modernen Alltagsstress – bis sie ihre eigene Vergangenheit und das Geheimnis der Seidenfächer für sich entdecken.

Die Verfilmung «Der Seidenfächer» hebt sich von ihrer Romanvorlage in einem grundlegenden Punkt ab: Die zweite, moderne Zeitebene neben jener im 19. Jahrhundert wurde eigens von Regisseur Wayne Wang und seinen Drehbuchautoren für den Film hinzugefügt und kam im ursprünglichen Roman nicht vor. Für Martin Schwickert von „Zeit Online“ ist die „Parallelisierung einer Gegenwartsgeschichte jedoch deutlich überanstrengt und führt dazu, dass sich weder die beiden Frauenfreundschaften noch ihr jeweiliger zeithistorischer Kontext adäquat auf der Leinwand entfalten können.“ Dem Film fehle der „Mut zur lesbischen Lovestory“; die „melodramatischen Möglichkeiten der Geschichte von zwei mal zwei Liebenden, die nie wirklich zueinander finden können, werden in kunsthandwerklicher Ambitioniertheit erstickt.“ Michael Phillips vom „Chicago Tribune“ sieht die Schwäche des Films ebenfalls in seiner Zurückhaltung: „Der behutsame erotische Sog dieser Freundschaft von Snow Flower und Lily wurde abgeschwächt und ersetzt durch … Nettigkeit.“ Ebenfalls kritisiert Philipps die zweite Zeitebene: Was würde passieren, wenn die Geschichte der beiden Frauen im 19. Jahrhundert mit allem, das ihre Freundschaft durchmacht – Fuß-Verkrüppelung, arrangierte Ehen, tragischer Verlust der Kinder, Typhus-Ausbrüche, politische Tumulte – die Leinwand teilen muss mit einer Parallelstory über zwei junge Frauen im Shanghai des 21 Jahrhunderts? Diese Geschichte würde auseinanderfallen“, so der Kritiker über die Verknüpfung der beiden Handlungsstränge. Auch Matthias Kaumanns von „Filmstarts.de“ gefällt «Der Seidenfächer» trotz „visuell spannender Gestaltung“ nur bedingt: „Denn zur Frage etwaiger Zusammenhänge und Unterschiede zwischen den Zeiten hat Wang wenig mehr als Allgemeinplätze auf Glückskeks-Niveau parat.“ Die Gegenüberstellungen der beiden Zeitebenen würden zwar stark inszeniert, aber letztlich bleibe die Geschichte „viel zu schematisch und sentimental, um wirklich zu fesseln.“

OT: «Snow Flower and the Secret Fan» von Wayne Wang; mit Gianna Jun, Binbing Li, Archie Kao und Hugh Jackman.

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