MGM zieht derzeit vor Gericht, um die Fortsetzung eines Scorsese-Klassikers aufzuhalten. Eine tolle Vorstellung?
Wohl jeder Filmliebhaber hat es sich wohl irgendwann einmal gewünscht, den ewigen Fortsetzungen einen Riegel vorschieben zu können. Manche hegen einen generellen Groll gegen Fortsetzungen und wünschen sich mehr Originalität, statt beim Kinobesuch von Postern zu «Madagascar 3», «Step Up 4» und «Resident Evil 5» gegrüßt zu werden. Andere Kinogänger können die meisten überflüssigen Filme leicht ignorieren, sind dafür aber umso nervöser, wenn ein ihnen besonders am Herzen liegender Film fortgesetzt werden soll. Durchaus nachvollziehbar: Wenn etwa «Scary Movie 5» in die Kinos kommt, ist diese Filmparodie entweder witzig oder reinster Müll, doch ihre Vorgänger haben keine eigene Mythologie, die zerstört werden kann. Ein «Indiana Jones 5» kann da schon wesentlich mehr anrichten – und dabei haben sich bereits einige Fans des Archäologen mit der Peitsche frustriert von der Filmreihe abgewendet.
Es muss auch nicht immer das Filmuniversum sein, um dessen Fundament Fans bei Fortsetzungen und Prequels bangen. Das mag spätestens seit den heiß debattierten «Star Wars»-Prequels das Paradebeispiel für wütende Zuschauerreaktionen sein, aber ein mindestens genauso großer Reizpunkt stellt der gute Ruf eines Originalfilms dar. Man stelle sich vor, Natalie Portman und Darren Aronofsky würden «Black Swan II: Hier sind die Löwen los!» ankündigen, einen Film, in dem sich Portmans psychisch zerbrechliche Balletttänzerin Nina Sayers einer neuen Herausforderung widmet, und zwar der weiblichen Hauptrolle im Broadway-Musical «Der König der Löwen». Jeglicher Verehrer des mehrfach ausgezeichneten Psychothrillers würde sich die Haare raufen. Wenn die Gelegenheit bestünde, gegen die Entstehung dieses Films zu klagen, wer würde nicht mit dem Gedanken spielen, sie zu ergreifen?
Zwar kann sich der unbescholtene Normalzuschauer nicht an solchen rechtlichen Schritten versuchen, Hollywoodstudios dagegen schon. Die Produktionsfirma MGM verklagt derzeit die Filmproduzenten hinter «Wie ein wilder Stier II» sowie den 91-jährigen Boxer Jake LaMotta, dessen zweiter Band an Memoiren die Grundlage für diesen Film darstellt und dessen Leben bereits die Basis für den 1980 veröffentlichten Boxfilm «Wie ein wilder Stier» war.
Die Vorwürfe MGMs: Die Filmverantwortlichen würden mit ihrem Sportlerdrama «Wie ein wilder Stier II» den guten Ruf von Martin Scorseses Klassiker «Wie ein wilder Stier» beschädigen und beim Kinopublikum unnötige Verwirrung stiften, indem sie ihre Produktion ungerechtfertigt als Fortsetzung lancieren. MGM fordert deswegen vor Gericht, dass ohne jegliche Verzögerung die Arbeiten an diesem Independentfilm abgebrochen werden und dass garantiert wird, dass die Produktion niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickt, ganz gleich in welcher Form. Darüber hinaus verlangt die hinter der «James Bond»-Reihe stehende Filmschmiede, welche in den vergangenen Jahren kurz vor der Pleite stand, eine Schadensersatzzahlung. Diese soll sowohl die Verantwortlichen hinter «Wie ein wilder Stier II» abstrafen, als auch ein exemplarisches Signal an all jene aussenden, die zukünftig vergleichbare Vorhaben hegen.
All diese mehr oder weniger hehren Absichten, einen Filmklassiker zu bewahren und der Welt eine nachgeschobene Fortsetzung ohne jegliches Involvement der ursprünglichen Filmschaffenden zu ersparen, fußen jedoch auf den üblichen Sorgen Hollywoods. Überraschung, Überraschung: Selbstredend geht es um Geld und verstaubte vertragliche Pflichten. MGM beruft sich nämlich darüber hinaus darauf, dass LaMotta Vertragsbruch begangen hätte. Laut Aussagen des Studios habe die Boxlegende 1976 eine Vereinbarung getroffen, laut der sämtliche Filmrechte an «Wie ein wilder Stier»-Fortsetzungsbänden automatisch an MGM übergingen. Demnach hätte LaMotta den Machern des Fortsetzungsfilms nicht gestatten dürfen, seinen zweiten Satz an Memoiren auf Zelluloid zu bannen.
Schlussendlich hat sich also nur sehr oberflächlich betrachtet etwas im Kampf gegen unwillkommene Fortsetzungen getan. Somit bleibt dem Kinogänger also nur die selektive Wahrnehmung, denn es braucht schon einen Vertragsbruch, um unnötige Fortsetzungen in Bedrängnis zu bedrängen. Dann aber können sogar biographische Filme vor Gericht gezerrt werden, die von der behandelten Person mitgetragen werden. Eigentlich beunruhigend ...