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Und so ist die Stimmung in Unterföhring bei Sat.1 mies – besonders bei den (wenigen), die sich im Konzern hauptsächlich mit Sat.1 beschäftigen. Und das ist schon eines der Grundprobleme. Alle anderen flüchten sich lieber in Projekte von ProSieben und/oder kabel eins. Es ist letztlich also so gekommen, wie es zahlreiche Berliner Sat.1-Leute in schlimmsten Befürchtungen gesehen haben. Auch wenn es in Unterföhring vehement abgestritten wird; Sat.1 ist weiterhin das ungeliebte Kind. Ein Sender, die jahrelang eine (Berliner) Identität hatte, nun aber von ProSieben-Leuten geführt wird, die gar nicht wissen können, was den Sender noch vor sechs oder sieben Jahren ausmachte.
Sat.1-Geschäftsführer Joachim Kosack sieht das ganz anders: „Weil wir wissen, was Sat.1 ausmacht: Lebensfreude, intensive Momente voll Herzklopfen, selbstbewusste, facettenreiche Charaktere mit Ecken und Kanten.“ Er zieht deshalb den Schluss: „Wir sind mit Sat.1 auf dem richtigen Weg.“ Dass diese Aussagen von Kosack in der offiziellen Pressebroschüre zur Saison 12/13 wenige Wochen vor dem nun mit Abstand schlechtesten Senderergebnissen aller Zeiten veröffentlicht werden, ist erneut sehr unglücklich. Kosack glänzte in 2012 bereits mehrmals mit Aussagen, die bereits nach wenigen Tagen oder Wochen wieder überholt waren.
Beispiel Januar 2012: Er erklärte in einem Interview, das Sat.1-Programm künftig komplementärer zu RTL aufstellen zu wollen. Er machte dies am Beispiel des neuen Donnerstags fest, der ab Januar aus «Die perfekte Minute» und einem neuen Format mit Julia Leischik bestand. Weil aber gerade Neuzugang Leischik nicht beschädigt werden durfte, was mit den eingefahrenen einstelligen Quoten in den ersten beiden Wochen mit Sicherheit passiert wäre, musste Kosack seine Ankündigungen wieder einkassieren und doch wieder auf Krimiserien am Donnerstag setzen.
Beispiel Harald Schmidt: In einem Interview betonte Kosack die Wichtigkeit des Late Night-Moderators für seinen Sender – er erklärte, bei Schmidt nicht auf die Quoten zu achten. Nach dem Weggang des ProSiebenSat.1 TV Deutschland-Vorstands Andreas Bartl sah die Welt aber anders aus. Kosack musste das Aus der «Harald Schmidt Show» nach der ersten Staffel bekanntgeben.
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Intern ist Kosack deshalb längst nicht mehr unumstritten. Das liegt nicht nur an den Interviews, sondern auch daran, dass Sat.1 unter seiner Führung nochmal an Boden verloren hat. Und dass die Hoffnungen auf Besserung auch senderintern eher zurückhaltend sind; verständlich, wenn man sich die Ankündigungen für die anstehende Saison anschaut. Abgesehen von vier neuen Serien, die sich ab September beweisen müssen und einigen Fiktion-Events kann Kosack nicht viel vorweisen – und das, obwohl man eigentlich etliche Millionen durch die zum ZDF abgewanderte Champions League frei wurden.
Fakt ist: Seitdem Sat.1 in München – zwischen kabel eins und ProSieben – verankert ist, fehlen die großen Sat.1-Hits: Leischik und «The Biggest Loser» sind von anderen Sendern eingekauft, «Danni Lowinski» und «Der letzte Bulle» stammen noch aus Berliner Zeiten und «The Voice of Germany» ist ein Sat.1/ProSieben-Mix. Rund drei Jahre nach dem Umzug des Bällchensenders von der bundesdeutschen Hauptstadt ins bayerische Unterföhring lässt sich also sagen: Sat.1 ist der große Verlierer – und bis aus diesem wieder ein Sieger wird, dürfte noch viel Wasser die Donau hinunterfließen.