Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Hire and Fire

von
Wieder einmal erhält Sat.1 einen neuen Chef. Statt steigender Quoten ist nun Schadensbegrenzung angesagt.

Vor einer Woche habe ich in dieser Kolumne auf den drohenden Relevanzverlust von Sat.1 hingewiesen, der unter anderem durch die desolaten Einschaltquoten am Vorabend und die schwindende Akzeptanz im Mittags- und Nachmittagsprogramm begründet wurde. Nun haben unter anderem genau diese missglückten Experimente dem Sat.1-Chef Joachim Kosack den Job gekostet. Kosack verabschiedet sich mit einem Monatsmarktanteil von 9,1 Prozent. Mit einer Quote, die bei den werberelevanten Zuschauern noch nie so schlecht war, aber auch – und dies ist in puncto Relevanzverlust noch dramatischer – beim Gesamtpublikum ab drei Jahren nur selten unterboten wurde.

Der Privatsender begrüßt nun seinen sechsten Geschäftsführer seit 2007: Nicolas Paalzow, zwischen 1999 und 2004 bereits Chef von kabel eins und dann ProSieben, anschließend Produzent. Paalzow ist also bei der Sendergruppe zumindest kein unbeschriebenes Blatt. Aber geht von diesem Mann ein Signal aus, das sagt „Jetzt wird alles anders als bisher“? Wer glaubt, dass Paalzow nicht auch wie seine Vorgänger in einem Jahr schon wieder Geschichte ist, weil einige Programme floppen?

Fest steht nur, dass die schnelle Personalrochade dem Sender Sat.1 wenig genützt hat. Nachdem die bisherigen Geschäftsführer eher darauf bedacht waren, die Einschaltquoten mit neuen Programmhits zu steigern, muss Paalzow nun erst einmal für Schadensbegrenzung sorgen. Sprich: Die 9,2 Prozent im Juli sollten ein Ausrutscher bleiben und dürfen nicht zur Regel werden.

Letztlich muss aber die Frage gestellt werden, wie sich der neue Sat.1-Chef überhaupt noch verhalten darf: Auf einem Schleuderstuhl sitzend kann er sich – wie in jüngster Vergangenheit gezeigt – wohl nur wenige Flops erlauben und eigentlich nicht langfristig planen. Ein Signal, das von Joachim Kosacks schnellem Ende bei Sat.1 ausgeht, ist folgendes: Mut wird nicht belohnt. Denn Mutlosigkeit kann man Kosack mit seinen Vorabend-Experimenten und den Mittags-Talks (unabhängig von deren Qualität) nicht vorwerfen. Und doch wollte man den möglichen Erfolg weiterer Testformate, die laut früherer Aussagen Kosacks noch anstehen, und der bald startenden neuen eigenproduzierten Serien nicht mehr abwarten.

Man darf also gespannt sein, wie Nicolas Paalzow seinen neuen Sender wieder auf Kurs bringen will. Folgt man weiterhin dem Trend und setzt auf günstige (gescriptete) Realityformate aller Art? Oder fährt man den hohen Sendeanteil des Genres wieder etwas herunter und setzt damit frische Akzente in der TV-Landschaft, die – ähnlich wie bei ProSieben – vielleicht belohnt werden? Lässt man Sat.1 weiterhin im imagefreien Raum schweben oder verpasst man sich mit neuen Gesichtern und höherer Qualität wieder mehr Relevanz? Nicolas Paalzow wird sich den Weg seiner Strategie genau und hoffentlich nicht vorschnell überlegen. Denn viele Chancen zur Kurskorrektur wird wohl auch er nicht bekommen.

Jan Schlüters Branchenkommentar gibt es jeden Mittwoch nur auf Quotenmeter.de.

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