„Pay-TV-Anbieter wie Sky, TNT oder Disney werden sehr viel stärker werden, als sich das manche im Moment vorstellen können.“ Ein Satz, der nicht etwa aus dem Mund eines Sky-Vorstands kommt, sondern von Nico Hofmann, seines Zeichens erfahrener TV-Produzent und zuletzt verantwortlich für Film-Events wie «Der Turm», «Hindenburg» und «Laconia». Laut Hofmann stelle ein großes Abo-Unternehmen (wie Sky eines ist, Anm.) für einen seriellen Pilot-Film mittlerweile einen finanziellen Rahmen zur Verfügung, „der fast an RTL-Budgets heranreicht“, so der Chef der Firma teamworx. „Das bedeutet für uns, dass sich die ganze deutsche Produzentenlandschaft auch in den Auftragsmöglichkeiten und hinsichtlich ihrer Angebote in einer Geschwindigkeit verändern wird, wie wir es überhaupt noch nie erlebt haben.“
Mit anderen Worten: Nico Hofmann sieht auf den deutschen Markt eine Entwicklung zukommen, wie sie in den USA – und zum Teil in England – vollzogen wurde. Dort ist Pay TV etabliert, dort bezahlen Zuschauer viel Geld für hochwertige TV-Ware. Und die Unternehmen geben dieses Geld unter anderem in Form exklusiver Ware zurück: mit Live-Sport, Hollywood-Filmen weit vor der Ausstrahlung im Free-TV – und mit eigenproduzierten Serien und Filmen, die in den vergangenen Jahren zum Markenzeichen dieser Unternehmen wurden. Die Reputation hat sich beispielsweise HBO (benutzte lange Zeit den Slogan: „It’s not TV, it’s HBO“) vor allem durch seine eigenproduzierten Serien wie «The Sopranos», «Sex and the City» und jüngst «Game of Thrones» erarbeitet. Genauso Showtime, das für Formate wie «Dexter» und «Californication» steht und Millionen neue Kunden in den vergangenen Jahren gewann. Das sogenannte Quality TV ist ein Markenzeichen der großen Bezahlsender, die in den USA nicht ohne Grund weniger als Pay TV, sondern gern als „Premium Television“ bezeichnet werden.
Auf diesem Markt muss Sky Deutschland noch aktiv werden, um sein Kundenpotenzial weiter auszuschöpfen. Bisher hat das Unternehmen es verstanden, aus dem angestaubten und schlecht vermarkteten Premiere eine Marke zu entwickeln, die für Qualität steht. Mit dem Slogan „Ich seh was Besseres“ schuf man so simpel wie effektiv eine Abgrenzung zum Free TV, das gefühlt immer schlechteres Fernsehen produziert und viele anspruchsvollere Zuschauer nicht mehr anspricht. Auch deswegen kamen in den vergangenen Jahren hunderttausende Kunden zu Sky, das nun weit über drei Millionen Abonnenten zählt. In der kommenden Wochen wird das Unternehmen aller Voraussicht nach wieder gute Quartalszahlen präsentieren – die Aktionäre sind deswegen voller Vorfreude; in den vergangenen Tagen stieg das Sky-Papier an der Börse um knapp zehn Prozent. Ein weiterer Höhenflug nach den Zahlen ist nicht ausgeschlossen.
Dennoch fehlt Sky bisher das Engagement im Fiction-Markt, wo noch keine Eigenproduktionen zu finden sind. Aber auch dies hat das Unternehmen bereits erkannt: Im Zuge der Exklusiv-Strategie, die zahlreiche Sportsendungen (wie «Sky90») und demnächst die «Harald Schmidt Show» beinhaltet, will Sky bald auch eigene Filme und Serien herstellen. Den Sender dafür hat man mit „Sky Atlantic HD“ bereits im Mai gestartet. Sky-Programmchef Gary Davey kündigte im Zuge dessen an, demnächst auch Fiction selbst herstellen zu lassen. Vor 2014 werden solche Projekte aber wohl nicht auf den Bildschirmen zu sehen sein, denn man „möchte nicht voreilig handeln“, so Davey damals.
Genau dieser Weg ist richtig, auch wenn er seine Zeit – und vor allem noch einige zusätzliche Kunden – braucht. Denn eigenproduzierte Fiction ist meist vor allem eines: teuer. Vielleicht fährt Sky Deutschland auch hier zunächst einmal die Strategie seines britischen Vorbilds, wo man teils auf internationale Koproduktionen und damit eine verteilte Finanzierung setzt: Beispielsweise wird von Sky Living und dem US-Network NBC derzeit eine Vampir-Serie in modernem Anstrich hergestellt. Aber auch in Deutschland können sich Pay-TV-Fans bereits bald auf heimische und exklusive Serienware freuen – allerdings noch nicht bei Sky: Der Sender TNT Serie zeigt ab Mitte September mit der Sitcom «Add a Friend» seine erste fiktionale Eigenproduktion. Der anfangs angesprochene TV-Macher Nico Hofmann ist an diesem Format noch nicht beteiligt – allerdings bestätigt «Add a Friend» die Entwicklung, die er voraussagt. Denn das Pay-TV ist weiterhin ein nahezu schlafender Riese in Deutschland, der langsam erwacht und die Produzentenlandschaft – und damit die gesamte deutsche TV-Serienlandschaft – verändern wird. Noch muss sich das frei empfangbare Fernsehen mit seiner oft schlechten, anspruchslosen und episodisch erzählten Serienware nicht fürchten. Die Betonung liegt auf: noch nicht.
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