Der Fall Drygalla ist ein interessanter.
Als öffentlich bekannt wurde, dass ihr langjähriger Lebensgefährte nicht nur lose Kontakte zur rechten Szene hatte, sondern auch bis Mitte des Jahres Mitglied der NPD war und als Direktkandidat dieser Partei für den mecklenburg-vorpommerischen Landtag kandidiert hatte, kehrte Drygalla aus London nach Deutschland zurück.
Schnell wurde, nicht nur in rechtsradikalen Kreisen, Kritik laut. Die Sache sei eine Medienkampagne gewesen, die politische Tätigkeit und die rechtsextremen Ansichten ihres Lebenspartners dürften nicht als Grund herhalten, sie von ihrer Tätigkeit als Spitzensportlerin abzuhalten. Drygalla distanzierte sich daraufhin klar von der Ideologie, für die ihr Partner steht oder stand (Im Mai ist er aus der Partei ausgetreten), betonte aber nun auch, dass sie weiterhin „zu ihm stehen“ werde. Sie selbst sagt, dass ihr Lebensgefährte mit der rechtsextremen Ideologie nach langen Jahren ihrer Beziehung mittlerweile gebrochen habe. Beobachter der Szene bezweifeln dies jedoch.
Auch der mecklenburg-vorpommerische Innenminister Caffier mahnte zur Zurückhaltung in der Berichterstattung über die Drygalla-Affäre und ihrer Einordnung: „Die Frage ist berechtigt: Hat die Öffentlichkeit das Recht, dass wir das gesamte Umfeld von Menschen in Spitzenfunktionen ausleuchten, dass wir Gesinnungsschnüffelei machen?“
Doch hier hat Caffier den Punkt verfehlt: Zwar hat sich Drygalla vom Rechtsextremismus eindeutig distanziert – gleichzeitig ist nun jedoch offenkundig, dass sie Personen mit einer derartigen Anschauung nicht aus ihrem persönlichen Umfeld ausschließt. Die NPD ist, erst recht in Mecklenburg-Vorpommern, nicht nur irgendeine Partei. Die NPD ist eine Partei mit Mitgliedern und Ideologien dieser Art.
Jemand, der auch nur mit den Helfershelfern dieser Anschauung in irgendeiner Weise sympathisiert, ist gesellschaftlich vollkommen inakzeptabel. Jemand, der sich nicht aufs Schärfste von Vertretern dieser Ideologie distanziert, sobald er davon Kenntnis erlangt, hat in der Mitte der Gesellschaft nichts zu suchen, hat im öffentlichen Leben nicht stattzufinden und hat erst recht nicht Aufgaben zu übernehmen, in deren Eigenschaft er die Gesellschaft der Bundesrepublik auf einer internationalen Bühne repräsentiert.
Der Fall Drygalla war keine Kampagne, um eine Spitzensportlerin zu demontieren. Er war erst recht keine Hetze. Der Fall Drygalla ist eine Auseinandersetzung darüber, wie weit man Sympathisanten von Menschen mit rechtsextremem Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft vorrücken lässt. Und diese Debatte ist in der Bundesrepublik überfällig.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.