Die Kino-Kritiker

«Total Recall»

von

Die Neuversion des Science-Fiction-Klassikers von 1990 kommt als bleihaltiger Actioner daher.

Man nehme den muskelbepackten Arnold Schwarzenegger, den unkonventionellen Regisseur Paul Verhoeven, eine Geschichte des visionären Autors Philip K. Dick und 65 Millionen Dollar Produktionsbudget. Das ergibt zusammen einen der besten Science-Fiction-Thriller der Filmgeschichte. «Total Recall – Die totale Erinnerung» erblickte bereits 1990 das Licht der Kinoleinwände, wurde nach der Heimkinoauswertung auf den Index gesetzt.

22 Jahre später: Man nehme Hollywood-Beau Colin Farrell, «Underworld»-Schöpfer Len Wiseman, eine Geschichte des visionären Autors Philip K. Dick und 125 Millionen Dollar Produktionsbudget. Das wiederum ergibt zusammen einen bereits für Kinder zugänglichen action- und bleihaltigen Science-Fiction-Thriller, der zwar einige Parallelen zu Verhoevens Version aufweist, durch seine Neuerungen aber durchaus als eigenständige Interpretation von Dicks „Erinnerungen en gros“ angesehen werden kann.

„Willkommen bei Rekall, der Firma, die ihre Träume in echte Erinnerungen verwandeln kann.“ Obwohl Fabrikarbeiter Douglas Quaid (Colin Farrell) eine wunderschöne Frau (Kate Beckinsale) hat, die er sehr liebt, klingt so ein Mind-Trip wie der perfekte Urlaub von seinem frustrierenden Alltag. Echte Erinnerungen aus dem Leben eines Superspions könnten genau das sein, was er braucht. Doch als die Programmierung schiefgeht, wird Quaid von jetzt auf gleich ein gejagter Mann.

Von der Polizei verfolgt – die unter dem Kommando von Kanzler Cohaagen (Bryn Cranston), dem Führer der freien Welt, steht – verbündet sich Quaid mit der Rebellin Melina (Jessica Biel), um den Chef der Untergrund-Widerstandskämpfer Matthias (Bill Nighy) zu finden und Cohaagen zu stoppen. Der schmale Grat zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmt immer mehr, und das Schicksal seiner Welt droht aus dem Gleichgewicht zu geraten, als Quaid entdeckt, wer er wirklich ist, wen er wirklich liebt und was seine wahre Bestimmung ist.

Der Vergleich von Wisemans Werk zu dem von Verhoeven liegt im ersten Moment auf der Hand: gleicher Titel, gleiche Grundlage. Wer mit der Erwartung eines reinen Remakes den Kinobesuch antritt, wird demnach sicherlich herb enttäuscht werden. Zwar zeigt Wiseman seine Verneigung vor dem grandiosen Originalfilm, in dem er die in Fankreisen bereits zum Kult avancierte Frau mit den drei Brüsten oder die etwas korpulentere Marsbesucherin erneut auftreten lässt. Allerdings sind diese recht kurz gehaltenen Zitate eine reine Hommage, denn im weiteren Verlauf treten diese Charaktere nicht mehr auf.

Stattdessen dreht sich alles um Quaid und seine Gedächtnisreise, die zum Fiasko gerät. Colin Farrell ist nicht ansatzweise der Typ eines Arnold Schwarzeneggers, wirkt in seiner Rolle als verzweifelter Ehemann und späterer Geheimagent aber passend besetzt. Er schießt sich rennend und überraschend taff durch die Geschichte und erhält dabei optische und kämpferische Unterstützung von Kate Beckinsale und Jessica Biel. Während sich erstere bald als Zugehörige der Truppen von Fiesling Cohaagen entpuppt, bleibt Biel vor allem der Part als Eyecandy und treue Gefolgin Quaids. Großartige Möglichkeiten, eine schauspielerische Meisterleistung aufzufahren, gibt ihnen das Drehbuch ohnehin nicht.

Von der Verlegung des Geschehens auf den Mars nahmen die Drehbuchautoren Kurt Wimmer («Salt», «Equilibrium») und Mark Bomback («Unstoppable», «Stirb langsam 4.0») Abstand. Nun geht es mittels eines irrsinnig schnellen Riesenaufzugs namens „The Fall“ von der übrig gebliebenen Föderation Großbritanniens einmal quer durch den Erdkern in die Kolonie. Was zunächst wie eine Fahrt mit einer Vergnügungsparkattraktion anmutet, stellt sich durch die umkehrende Schwerkraft als besonderer Kniff für weitere Action heraus. Die Neuauflage punktet so mit eigenen Ideen und einem grandiosen Setdesign. In Sachen Spezialeffekte hat sich in zwei Jahrzenten merklich etwas getan – und das demonstriert Wisemans Film in voller Bandbreite. Als Kontrast zu den heruntergekommenen und verwahrlosten Städten kreieren die Filmemacher ein futuristisches und technologisch abgefahrenes Stadtbild (Hover Cars!), was die schon durch die Geschichte hervorgerufene Kritik an der ungleichen Schichtenverteilung (Reiche leben abgeschottet im Wohlstand, die Armen siechen dahin) deutlich unterstreicht.

Obgleich der offensichtlichen Aussage bewegt sich die Handlung über zwei Stunden auf einem recht flachen Niveau. Das Augenmerk liegt eindeutig auf den Actionsequenzen, wenngleich die Frage nach Realität und Illusion beleuchtet, aber nicht immer konsequent ausgeführt wird. Hier hat eindeutig Verhoevens Umsetzung die Nase vorn, die vor allem mit dem Schluss weitere Fragen aufwarf. Im Gegenzug schafft Wiseman die bunten Bilder seines Vorreiters ab und entwirft eine wesentlich düstere und kältere Atmosphäre.

Trotz einer Freigabe ab 12 Jahren präsentiert sich die neue Variante von «Total Recall» als kurzweiliges und finsteres Science-Fiction-Actionspektakel, das mehr Eigenständigkeit beweist als zuvor angenommen und somit auch für Freunde des Films von 1990 interessant sein könnte. Wiseman setzt die klasse Ausstattung und gelungenen Effekte solide in Szene, ohne bahnbrechend zu sein. Leider kann das Drehbuch mit dem rasanten Erzähltempo nicht ganz mithalten.

«Total Recall» startet am 23. August in den deutschen Kinos.

Kurz-URL: qmde.de/58655
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