In den USA gehört die Spielidee, Teams mit wenig Geld und spärlichen Hilfsmitteln auf eine mit Aufgaben gespickte Abenteuerreise zu schicken, zu den größten Dauerbrennern des Reality-Fernsehens. Das Original ist dort «The Amazing Race» betitelt, stammt von dem Blockbuster-Überproduzenten Jerry Bruckheimer («Armageddon», «Fluch der Karibik») und nennt Kritikerlob und Fernsehpreise sein eigen, von dem andere Reality-Spielshows wie «Big Brother» nur träumen können. Eine Weltreise, wie sie bei «The Amazing Race» seit 2001 Staffel für Staffel auf dem Programm steht, können viele europäische Sender aber kaum springen lassen, weshalb sich von diesem Format inspirierte Shows auf eine Tour quer durch fremde Länder beschränken. International am erfolgreichsten schlägt sich in diesem Bereich die Asien-Abenteuerreise in «Peking Express», die es im belgischen, niederländischen, französischen und skandinavischen Fernsehen auf mehrere Staffeln brachte. Bloß die 2005 von RTL ausgestrahlte deutsche Auflage der Abenteuer-Realityshow erreichte nur ein enttäuschendes Quotenniveau, weshalb hiesige Fernsehmacher Abstand von den Reiseabenteuern im Realityshowformat nahmen.
Sieben Jahre nach dem gescheiterten «Peking Express» versucht sich RTL erneut in diesem Genre, dieses Mal aber sind die sonnigeren Philippinen das Reiseziel. Außerdem werden, ganz nach den ungeschriebenen Gesetzmäßigkeiten des deutschen Fernsehens, die bürgerlichen Kandidaten durch Prominente ersetzt. Dies sind in der vorerst einzigen «Star Race»-Runde das Pärchen Sarah Engels und Pietro Lombardi (welches gemeinsam als „Team «DSDS»“ auftritt), Jenny Elvers-Elbertzhagen und Mirja Du Mont („Team Blond“) sowie Nino de Angelo und Jimi Blue Ochsenknecht („Team Gemütlich“). Zu Beginn ihrer dreitägigen Reise, für die sie nur Geld im Wert von einem Euro pro Tag zur Verfügung haben und sich (nahezu) allein auf die Hilfsbereitschaft fremder Menschen verlassen dürfen, werden die Duos getrennt: Während Du Mont, de Angelo und Engels in einem Fischerdorf Seeigel ausnehmen müssen, werden ihre Teampartner via Hubschrauber über die nahegelegene Küste verfrachtet. Nach einem Sprung aus luftiger Höhe ins türkisfarbene Nass haben die drei Abenteurer die Aufgabe, den Weg zum Fischerdorf und ihrem Spielpartner zu finden. Erst danach beginnt das Rennen zur ersten Zwischenstation.
Der Einstieg in «Star Race» fällt etwas zäh aus. Zunächst belagert RTL seine Zuschauer mit einer ellenlangen, durch Erklärungen des leicht verständlichen Spielprinzips gestreckten, Vorschau auf die kommenden Ereignisse, ehe Moderatorin Fernanda Brandao die gleichen Erklärungen in ähnlichem Wortlaut und mit hölzerner Betonung erneut gibt. Darauf folgt das erste „Spiel“, das Seeigelausnehmen und Partnerfinden, welches inhaltlich keine Relevanz für das Reise-Wettrennen hat. Kurzweil kommt allein dadurch auf, dass sich Lombardi, verloren in einem philippinischen Küstendorf, exakt so gibt, wie es der gehässige Zuschauer von ihm erwartet: Jeder Einwohner wird direkt als „my best friend!“ und „my brother!“ und einem dümmlichen Grinsen im Gesicht angesprochen, woraufhin sich ulkige Unterhaltungen auf niedrigstem Sprachniveau entwickeln. Auch für den Rest der Sendung sorgt Lombardis Englisch (zum Beispiel über Sarah Engels: „She's my only husband!“) für einige mit Fremdscham versetzte Komik. Dabei muss man jedoch den Showmachern zugutehalten, dass sie nicht zu gehässig auf Lombardis geringem Englischvokabular herumreiten und ihn so völlig bloßstellen. Auch durch Sarah Engels' Kommentare bezüglich der Gebären ihres Freundes, sie bezeichnet es als vorbildlich mutig, dass er trotz mangelnder Sprachkenntnisse so offen auf Menschen zugeht, werden diese Szenen etwas respektvoller eingeordnet.
Sobald das eigentliche Wettrennen losgeht, schüttelt «Star Race» die Zähflüssigkeit der ersten Sendeminuten ab. Per Anhalter gilt es den Weg zu einer Hühnerfarm zu bewältigen, wo die Promis eine Zwischenaufgabe erwartet. Wer danach als erstes die nächste Station der Reise erreicht, bekommt eine den Drei-Tages-Ausflug erleichternde Belohnung spendiert.
In lobenswerter Abgrenzung zu der RTL-Version von «Peking Express», die sich im Fahrwasser von «Big Brother» und Konsorten stärker auf Querelen innerhalb der Teams als auf die Reiseerlebnisse stürzte, stellen die unterschiedlichen Interaktionen der Duos mit den Einwohnern das Hauptaugenmerk der Sendung dar. Während Piedro Lombardi und Sarah Engels sich wie auf einem Schulausflug geben, alles total spaßig finden und in miesem Englisch jeden zum coolsten, besten Freund ernennen (und auch versuchen, Bauern deutsche Wörter beizubringen), geht „Team Blond“ überraschend effizient vor. Dass die Zielstrebigkeit des Frauenduos nicht konstant entlohnt wird, verleiht dem «Star Race» einen Spannungsbogen, während Ochsenknecht und de Angelo für das charismatische Element zuständig sind. Beider Motto lautet „Eile mit Weile“, Ochsenknecht philosophiert, dass man sich in fremden Ländern selbst dann, wenn man eigentlich einen Wettbewerb zu gewinnen hat, Zeit nehmen sollte, die Kultur und Menschen kennenzulernen.
Und so setzen sich die beiden auch entspannt bei einem Cheeseburger hin, um mit einem freundlichen Pärchen zu quatschen, das ihnen anbot, sie eilig zu ihrem Zwischenziel zu fahren. Durch die ungezwungenen Begegnungen des „Team Gemütlich“ mit freundlichen Zeitgenossen hebt sich «Star Race» erfreulich von überdramatisierten und auf Krawall gebürsteten Reality-Spielshows ab und schafft es nebenher, den häufig belächelten Ochsenknechtsohn ursympathisch rüberzubringen. Diese Dynamik der drei Teams zieht sich auch durch die gesamte Sendung durch – was ein echter Glücksfall für das Produktionsteam darstellt, denn mit den Komödianten, den Strebern und den gelassenen Urlaubern hat die Show eine amüsante Kombination an Charakteren zu bieten.
Die Aktionsspiele drängen sich glücklicherweise nicht zu sehr auf, sondern beschränken sich auf kleine, schnelle Aktionen, die die Promis noch etwas mehr ins Schwitzen bringen sollen. Möglicherweise wird das Fehlen von Ekelmomenten und inszeniertem Konkurrenzkampf das von anderen Reality-Gameshows verzogene Publikum langweilen, doch wer bei dieser Programmfarbe im Normalfall die Nase rümpft, erhält mit «Star Race» einen spannenden, dennoch unaufgeregten und sich auf seine Protagonisten verlassenden Gegenentwurf. Wenn die Quoten stimmen, darf RTL gerne über ein weiteres «Star Race» nachdenken – und dann vielleicht sogar im Staffelformat, statt als mehrstündige Eventshow. Das würde die Spannungskurve noch höher steigen lassen.
RTL strahlt «Star Race» am Montag, dem 27. August, ab 20.15 Uhr aus.