Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Scham sucht Gefühl

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 207: Die überdrehte Singleshow «Sommer sucht Sprosse».

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des Beweises, dass auch Baggern gelernt sein will.

«Sommer sucht Sprosse» wurde am 27. Juli 1997 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit als der Kanal unter der Führung von Fred Kogel bemüht war, sich ein schärferes und jüngeres Profil zuzulegen. Gelingen sollte dies unter anderem mit einer Single-Show, deren Konzept auf dem amerikanischen Format «Singled Out» basierte. Die Vorlage wurde nicht zuletzt dadurch bekannt, weil an der Seite des Moderators Chris Hardwick auch die Playmates Jenny McCarthy und Carmen Electra durch die Sendung führten.

Für die deutsche Version wurden Sebastian Radke und Nadine Krüger ausgewählt. Radke hatte zuvor den Modelwettbewerb „Das Gesicht’ 92“ gewonnen und als Barkeeper gearbeitet, während Krüger bereits durch die Sat.1-Show «Ran World» führte. Als Kind war sie zudem die Assistentin von Gerhard „Adi“ Adolph in der DDR-Jugendsportsendung «Mach mit, mach’s nach, mach’s besser». Bei ihrer neuen, gemeinsamen Fernsehkuppelei bestand die Aufgabe der beiden darin, aus einem Pool von 50 Singles den passenden Bewerber oder die passende Bewerberin für einen Kandidaten des gegensätzlichen Geschlechts auszuwählen. Erreicht wurde dies in drei Spielrunden.

Im Vorfeld mussten sich die Singles dafür in sechs Kategorien zu vorgegebenen Beschreibungen selbst zuordnen. So galt es, sich beispielsweise in der Kategorie Körper entweder als „Strammer Bursche“, „Hübsches Bürschchen“ oder „Wiener Würstchen“ zu klassifizieren. Der Kandidat oder die Kandidatin musste sich während der Show und ohne die Bewerber vorher gesehen zu haben entscheiden, welche dieser Charakteristika ihm oder ihr am wenigsten gefielen. Alle Singles, die sich dementsprechend zugeordnet hatten, mussten das Studio verlassen. Dies wurde mit anderen Kategorien solang fortgesetzt, bis am Ende nur noch zehn Singles übrig waren. Diese bekamen nun individuelle Aufgaben gestellt, die meist sexuelle Anspielungen enthielten, wie beispielsweise das Nachmachen der Stöhnlaute von Tennisspielerin Monica Seles. Wessen Darbietung nicht gefiel, flog ebenfalls aus dem Spiel. Unter den letzten drei verbliebenen Singles, die nun auch angesehen werden durften, sortierte dann das finale Übereinstimmungsspiel den letztlichen Sieger aus, der mit dem Kandidaten oder der Kandidatin zusammen in den Urlaub reisen konnte. Anschließend wurde diese Prozedur noch einmal mit vertauschten Geschlechterrollen wiederholt.

Es bedarf wohl keiner Erklärung, dass dieses Spielprinzip kaum geeignet war, die wahre Liebe zu finden, sondern stattdessen nur Oberflächlichkeiten bis ins Äußerste zelebrierte. Das gab auch Moderator Sebastian Radke zu: „Es geht jedoch gar nicht darum, irgendwelche Leute zusammenzubringen, sondern einfach nur um den Spaß dabei.“ Gleichzeitig verteidigte er das Konzept aber auch, weil sein Auswahlmodus besonders fair und vorteilsfrei gewesen sei: „Bei uns hat im Finale eine 40jährige Hausfrau die gleichen Chancen, wie jemand, der bis unter’n Hals tätowiert oder drei Meter breit ist.“

Weil die amerikanische Vorlage auf dem Musiksender MTV lief, war sie bunt, hektisch und wirkte wie ein Partyabend in einer Disco. Die Singles waren überdreht und schrieen pausenlos, während die Kamera schwindelerregende Bewegungen vollführte und die Moderatoren alberne Ansagen machten. Insbesondere der ausgeflippten Jenny McCarthy war offenbar nichts peinlich, denn sie agierte stets nervig übertrieben. Selbst für die 1990er Jahre war die Sendung daher extrem schrill.

Der Stil der Vorlage wurde von der Produktionsfirma Grundy Light Entertainment für die deutsche Adaption nahezu unverändert übernommen. Was jedoch für MTV noch funktionieren mag, wollte überhaupt nicht zu Sat.1 passen. Schließlich sprach der Kanal mit Serien wie «Anna Maria – Eine Frau geht ihren Weg» bisher ein eher konservatives Publikum an. Die Verjüngungskur des Senders sollte daher mit der Show viel zu aggressiv und mit der Brechstange erzwungen werden.

Programmiert wurde das einstündige Format am Samstagnachmittag um 17.00 Uhr. Das Zuschauerinteresse blieb erwartungsgemäß verhalten und sorgte für eine baldige Absetzung. Im Vorprogramm versuchte Sat.1 übrigens mit den damals erstmals ausgestrahlten Serien «Friends» und «Ein Witzbold namens Carey» («Drew Carey Show»), ein geeignetes Lead-In zu schaffen, was aber ebenfalls misslang. Endgültig begraben wurde das Single-Konzept aber dennoch nicht, denn im Sommer 1999 reiste Sebastian Radke durch echte Discos und präsentierte 40 Folgen von «Sommer sucht Sprosse On Tour», die jedoch nie im Fernsehen liefen. Die Sängerin Nikole Arndt ersetzte dabei Nadine Krüger.

«Sommer sucht Sprosse» wurde im Herbst 1996 beerdigt. Die Show hinterließ den Moderatoren Sebastian Radke, der anschließend durch einige Ausgaben von «The Dome» führte und nun unter dem Namen „Basty“ bei einem Berliner Radiosender arbeitet. Nadine Krüger wechselte kurz nach dem Ende der TV-Verkuppelung konsequenterweise ins echte Musikfernsehen und präsentierte bei VIVA diverse Programme wie die misslungene «VIVA Family» oder insbesondere «Film Ab!», was ihr auch die Engagements für die Kinomagazine von ProSieben und Premiere einbrachte. Anschließend gehörte sie zum Moderationsteam vom «Sat.1 Frühstücksfernsehen» und ist seit 2009 im täglichen ZDF-Magazin «Volle Kanne» zu sehen.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der skandalträchtigen Abendversion der Talkshow von Arabella Kiesbauer.

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