Alles neu macht der... Herbst. Um die Geschehnisse in der aktuellen TV-Landschaft zu beschreiben genügt es, das allseits bekannte Sprichwort ein wenig abzuwandeln. Denn seit Beginn der neuen TV-Saison rappelt es fast wöchentlich in der Flimmerkiste. Erst kürzlich der Wechsel von Harald Schmidt zu Sky, im Oktober die erste «Wetten, dass..?»-Sendung mit neuem Gastgeber und dazwischen, genauer am Samstag, dem 15. September ein weiteres Highlight des Fernsehherbstes: das Aufeinandertreffen der Show-Titanen beim RTL-Quotenknüller «Das Supertalent»: Dieter Bohlen, das Aushängeschild sämtlicher Kölner Castingshows und Thomas Gottschalk, Samstagabend-Showmaster und Vorabendtalker auf Abwegen. Damit es nicht zu sehr knallt, heftete sich das Schweizer Blondchen Michelle Hunziker an die Fersen von "ihrem Thommy" und nimmt in der neuen Staffel ab sofort zwischen den potentiellen Streithähnen Platz.
Vorab wurde viel spekuliert. Wer wird hier wem die Show stehlen? Kann so ein Stelldichein zweier Egomanen überhaupt gut gehen? Und warum gaben eben jene beiden bislang kein gemeinsames Interview zur von RTL betitelten „Showsensation des Jahres“? All diese offenen Fragen sollten am Samstag endlich ihre lang ersehnte Antwort finden. Und bereits ein einfacher Satz aus dem Mund von Moderator Daniel Hartwich deutete an, dass sich die beiden männlichen Jury-Mitglieder hier zu keinem Zeitpunkt auf Augenhöhe begegnen würden: wurde Dieter Bohlen doch als „das Beste zum Schluss“ angekündigt. Ist Gottschalk also nur ein weiteres blondes Anhängsel des Produzenten?
Im Verlauf der Show ist der Entertainer ungewöhnlich still. Er lässt sich auffallend oft vom Jurypräsidenten Bohlen über den Mund fahren und hält sich mit Kommentaren zurück. Dabei beäugt er teilweise kritisch die Selbstdarstellung des Kollegen Bohlen, was befremdlich wirkt. Deutet dies doch schon ansatzweise den Unmut an, den Kritiker und Spekulanten vorab bereits befürchteten: würde sich ein Show-Profi wirklich von einem Kollegen das Entertainment-Zepter aus der Hand nehmen lassen, das er selbst über Jahre, jeden Samstagabend in der Hand hielt? Vor allem wenn Gottschalk sich bemüht, einige der Auftritte ausführlich anzukündigen, wird schnell deutlich, dass sich der Show-Dino wohl lieber auf der Bühne denn hinter dem Jurypult sehen würde. Die an diesem Zwist unbeteiligte Michelle Hunziker unterscheidet sich – abgesehen von ihrem Tattoo auf dem rechten Oberarm – nicht sonderlich von ihren grammatikverschreckten Vorgängerinnen. Mit ihrem freundlichen Lächeln und unregelmäßigen Niedlichkeitsbekundungen gegenüber kleinen Zwei- und Vierbeinern scheint ihre Jurykompetenz erschöpft. Das stört allerdings nicht weiter. Immerhin stellt sie im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen keine schlechtere Besetzung dar. Positiv hervorzuheben ist aber vor allem, dass sich die Schweizerin nicht unangenehm in den Vordergrund drängt.
In der Aufmachung ist die Show erneut opulenter geworden. Die Castings finden nun auf einer größeren Bühne vor noch größerem Publikum statt, die Kandidaten erhalten vom wahrlich gut und ungewohnt seriös aufgelegten Moderator Daniel Hartwich eine ausführliche Ankündigung aus dem Off und die Macher verzichteten dankenswerterweise zum Großteil auf melancholische Einspieler, die das Schicksal der einzelnen Teilnehmer thematisierten. Zwar nahmen die Macher derartige Parts nicht komplett aus der Sendung und vor allem die Darstellung eines kleineren Missgeschicks wurde arg in die Länge gezogen, jedoch fiel der Anteil an Überdramatisierung dieser Art in der Auftaktshow erstaunlich gering aus. Ob man damit auf harsche Kritik aus Medienkreisen reagierte oder ob es sich schlicht um einen Zufall handelte, wird allerdings erst in den kommenden Ausgaben festzustellen sein.
Sogar im Hinblick auf die Kandidaten haben die Macher des «Supertalents» offenbar auf Kritik reagiert, die im Laufe der vergangenen Staffeln stetig zunahm. Wurden die Teilnehmer doch von Season zu Season kurioser, stammten teilweise aus gescripteten Nachmittagssendungen und wurden in einer Tour von Publikum und Jury vorgeführt. Ob man von nun an gänzlich auf die Freaks verzichtet, bleibt – ebenso wie die Entwicklung von überdramatischen Tendenzen – abzuwarten. Fakt ist jedoch, dass man sich in der ersten Show damit zurückhielt, die Kandidaten vorzuführen. Zwar behält man es weiterhin bei, hie und da Kandidaten auf die Bühne zu lassen, die augenscheinlich wenig Talent vorzuweisen haben, doch die extreme Form der Freakshow, wie man sie aus vergangenen Folgen kennt, fällt weg. Diese positive Tendenz ist begrüßenswert und hält hoffentlich über die gesamte Show an.
«Das Supertalent» scheint von der letzten zur jetzigen Staffel eine kleine Generalüberholung erhalten zu haben. Zumindest in der ersten Folge präsentiert sich die Show weniger reißerisch und auf Skandale ausgelegt als die in Verruf geratenen, vergangenen Staffel-Ausgaben. Jedoch muss die Entwicklung dieser Tendenzen kritisch beäugt werden. Verfolgt RTL diese Richtung von nun an konsequent, oder belässt es der Sender dabei, lediglich in der Auftaktfolge diesen neuen Ton anzuschlagen, um Kritiker milde zu stimmen? Diese Frage kann heute noch nicht beantwortet werden. Wohl aber die, wie das Urteil über das „Duell der Giganten“ ausfällt, das ganz Fernsehdeutschland erwartete. Das nämlich enttäuschte – zumindest wenn man sich als Zuschauer einen deftigen Schlagabtausch erhoffte. Somit scheint Thomas Gottschalk vorerst die Kurve gekriegt zu haben. Doch so ganz mag man dem «Supertalent» einen derartigen Wandel nicht abnehmen. Zu inkonsequent scheinen die teilweisen Änderungen, zu bemüht das Wahren des Niveaus. Damit ist die Show fast zu gewollt brav - zutrauen mag man das der Sendung bislang (noch) nicht.