Der Vorspann ist neu, künstlerischer, um nicht zu sagen „kultureller“. Sonst ist alles beim Alten geblieben: Markus Kavka kehrt mit der dritten Staffel seiner passionierten Musikdokureihe «Number One!» zurück. Lief das beliebte, aber nicht sonderlich quotenstarke Format einst auf kabel eins, fand es nun eine Heimat auf ZDFkultur, wo es zwischen weiteren ebenso informativen, wie unterhaltsamen Magazinen (etwa «Der Marker» oder «Pixelmacher») und gelungener Festivalberichterstattung auch bestens aufgehoben ist.
Eine große Vorstellung des Sendekonzepts spart sich der frühere MTV-Moderator deshalb zu Beginn der neuen Staffel – gegenüber Kennern der Sendung muss er keine Änderungen rechtfertigen, und wer das Format bislang nicht sah, wird es innerhalb weniger Sekunden selbst verstehen: Kavka trifft sich ungezwungen mit Größen der Musikwelt und spricht über deren Werdegang. Illustriert wird diese Zeitreise durch Fotos, alte Konzert- und Interviewaufnahmen sowie Ausschnitte aus Musikclips der Band.
Was «Number One!» deutlich von anderen Musikdokumentationen über den Karriereverlauf großer Künstler unterscheidet, ist die von Moderator und Produzent Kavka geprägte Haltung des Formats: Mental irgendwo zwischen dem flotten, ironischen, kurzweiligem MTV und einer informativen, sich nicht an Oberflächlichkeiten aufhaltenden 3sat-Doku findet «Number One!» eine äußerst komfortable Zone, die Gelegenheitshörer der vorgestellten Künstler nicht mit überhöhtem Detailwissen langweilt und zugleich den Fans nicht altbekannte Fakten erneut vorkaut. Gerade bei der ersten Ausgabe der neuen Staffel ist dies ein schwieriger Drahtseilakt, steht mit den Ärzten immerhin ein Stück deutsches Popkulturgut im Mittelpunkt.
An der üblichen Rollenverteilung innerhalb der Band ändert sich auch während des Gesprächs mit Kavka nichts: Bela B. und Farin Urlaub halten gemeinsam den Löwenanteil der Gesprächsbeteiligung, während Rod gemütlich zurückgelehnt zuhört. Dies trifft nicht nur für die erste Hälfte zu, in der seine beiden Kollegen über die Bandjahre ohne ihn philosophieren, auch sobald es um sein Dazustoßen zu den Ärzten und die Jahre danach geht, bleibt Rob wortkarg. Eine Revolution dürfen Fans dahingehend also keinesfalls erwarten. Dafür spricht das nach all den Jahren weiterhin hoch amüsierte Grinsen Bände, das Bela und Rod im Gesicht haben, wenn sie darüber sprechen, wie sie 1986 ihren damaligen Bassisten raus warfen: Dass Sahnie erst in letzter Sekunde erfuhr, gerade sein Abschiedskonzert zu geben, finden die beiden weiterhin aktiven Ärzte-Gründungsmitglieder bis heute wahnsinnig komisch, nur ein winziger Hauch der Scham blitzt während dieser Anekdote in ihren Gesichtern auf. Wie offen sie dies zeigen, und wie sie über ihre eigene Reaktion lachen, macht sie dabei jedoch nur grundsympathisch. Gerade solche von den Sendungsmachern unkommentierte Momente gehören zu den Stärken von «Number One!».
Ebenfalls sehr gelungen sind auch die regelmäßigen Einordnungen der Bandgeschichte in das Weltgeschehen. Kurze Einspieler liefern zu Eckdaten einen Überblick über Politik, Boulevard und Popkultur jener Zeit und zeigen somit auf, in welchem Klima die Wendepunkte der Bandkarriere stattfanden – so dürfte es nur wenigen Zuschauern präsent sein, dass sich Die Ärzte vor ihrer (und der deutsch-deutschen) Wiedervereinigung politischen Texten entsagten, um sich als Spaßpunker vom Politpunk der 80er abzuheben. Als im wiedervereinigten Deutschland allerdings der Rechtsextremismus durch Gewalttaten vermehrt in die Schlagzeilen kam, änderte sich diese Einstellung der Band, die sich in einer Musikära des Eurodance nun eh kaum noch bewusst von Mitbewerbern abgrenzen musste. Dass der Protestsong „Schrei nach Liebe“ zum mit Abstand größten Erfolg wurde, den Die Ärzte bis dahin hatten und ihr Comeback deswegen mit einem Knall begann, kommentiert Farin Urlaub dann auch ganz politisch inkorrekt mit „Danke, Nazis!“
Bei einer so langen Musikkarriere wie die der Ärzte, kann nicht jeder Eckpunkt mit der gleichen Aufmerksamkeit bedacht werden. Während die Entstehung der Band, der erste Erfolg, der Aufstieg zum Kult und die Auseinandersetzung mit dem Jugendschutz sowie das Comeback und die ersten Nummer-Eins-Erfolge ausführlich besprochen werden, eilt diese Doku durch die vergangenen zwei Alben. Dies mag zwar schade sein, spricht «Number One!» zugleich aber von jeglichem Verdacht der Promo für das aktuelle Album frei. Insgesamt ist die Rückkehr der Musikdokureihe «Number One!» also rundum gelungen.
«Number One!» ist ab dem 17. September montags um 20.15 Uhr bei ZDFkultur zu sehen.