Inhalt
Der Herbst des Jahres 2002: Bankierssohn Jakob von Metzler wird Opfer einer Entführung. Der Erpresserbrief, in dem eine Millionen Euro als Lösegeld gefordert wird, lässt die Polizei vermuten, dass sich hinter der Tat ein Anfänger verbirgt, wodurch die ersten Befürchtungen aufkommen, dass der entführte Junge nicht mehr lebt. Zu den Anfängerfehlern des Täters gehört, dass er bereits im ersten Erpresserbrief Treffpunkt und -zeit für die Lösegeldübergabe nennt. Die Polizei kann sich entsprechend vorbereiten und am Folgetag bei der Geldübergabe den Entführer Magnus Gäfgen festnehmen. Dieser beharrt zunächst darauf, ein unbescholtener Bürger zu sein, der von einem Unbekannten aufgefordert wurde, das Lösegeld abzuholen. Im weiteren Verlauf des Verhörs gesteht er seine Schuld ein, weigert sich jedoch, den Aufenthaltsort des seiner Aussage nach noch lebenden Kindes preiszugeben. Der Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner, um das Leben des Opfers bangend, urteilt, dass dem unkooperativem Täter die wichtige Information nur unter der Androhung unmittelbaren Zwangs beizukommen ist. Er weist den ihm untergebenen Kriminalhauptkommissar Ennigkeit darauf hin, dieser kann Gäfgen dann auch tatsächlich die erwünschten Angaben entlocken. Die Rettungsaktion endet allerdings unglücklich: Es zeigt sich, dass Gäfgen den Jungen bereits ermordet hat. Gäfgen, der für seine Tat zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wird, geht vor Gericht: Die Androhung von Gewalt ist in Deutschland eine unrechte Verhörtaktik und die Polizei habe sich bei ihm straffällig gemacht. In Deutschland entbrennt somit eine mediale und politische Wertedebatte ...
Darsteller
Robert Atzorn («Im Gehege») ist Wolfgang Daschner
Uwe Bohm («Der Dicke») ist Ortwin Ennigkeit
Johannes Allmayer («Krupp - Eine deutsche Familie») ist Magnus Gäfgen
Wolfgang Pregler («St. Angela») ist Gutjahr
Rainer Piwek («Der Lehrer») ist Bernd Mohn
Dirk Borchardt («Gute Zeiten, schlechte Zeiten») ist Hans Joachim Wölfel
Thomas Loibl («Gottes mächtige Dienerin») ist Eisener
Hanns Zischler («Wilde Wellen - Nichts bleibt verborgen») ist Friedrich von Metzler
Kritik
Bereits das skrupellose Verbrechen schlug große mediale Wellen und fand breite Berichterstattung in der Presse, aber sie verblasst gegenüber des Medienechos, das die Verurteilung Wolfgang Daschners nach sich zog. Nicht nur deutsche Journalisten und Politiker debattierten endlos über das Für und Wider von Folterandrohungen, auch international wurde der Fall intensiv behandelt. Die große Leitfrage dieser gesellschaftlichen Diskussion: Ist die Würde eines Täters in Notsituationen vernachlässigbar?
Der um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden unter strenger Geheimhaltung gedrehte Film des Regisseurs Stephan Wagner («Liebestod») spiegelt gleich zu Beginn die öffentliche Wahrnehmung des Falls Jakob von Metzler wieder: Er eröffnet das Geschehen nicht mit dem Tag der Entführung, sondern mit dem alternden Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner, beeindruckend gespielt vom sich der Rolle vollkommen hingebenden Robert Atzorn, der sich aufgrund seines folgenschweren Beschlusses in der Schusslinie aufgebrachter Demonstranten befindet. Nachfolgend blickt dieses Gesellschaftsdrama zurück, wie es zu Daschners Entscheidung kam und welche rechtliche Konsequenzen sie nach sich zog. Nicht das Verbrechen und der Täter, auch nicht die Familie des Opfers und deren Leid stehen im Vordergrund, sondern das Vorgehen der Polizei. Dies ermöglicht ein faktisches Drama, das die Emotionalität dieses tragischen Entführungsfalls und der hitzigen Kontroverse, die er auslöste, für sich stehen lässt.
Durch den Verzicht auf Nebenhandlungen und überdramatische Gefühlsmomente entwickelt der straff erzählte Fernsehfilm eine bestechende Unmittelbarkeit. Das faktenorientierte Drehbuch Jochen Bitzers gewinnt seine Spannung durch die spürbare Authentizität in der Schilderung der Ermittlungsarbeiten und die den Zuschauer nicht bevormundende Darlegung der zentralen Kontroverse. Der Zuschauer soll sich selbst ein Urteil bilden und erhält auf packende Weise die dazu nötigen Informationen. Dadurch, dass sich auch das restliche Ensemble neben Atzorn merklich seiner Rolle verpflichtet fühlt und die fast schon dokumentarische Inszenierung das Publikum ungekünstelt mitten in das Geschehen versetzt, wird die Brisanz dieses Stücks deutscher Justizgeschichte noch einmal verdeutlicht. Dies macht «Der Fall Jakob von Metzler» zu einer wichtigen Fernsehproduktion, und da sie sich trotz ihrer willkommenen Nüchternheit noch immer um das Zeichnen menschlicher Figuren sorgt, statt die Akteure als reine Faktenparade auftreten zu lassen, ist sie zugleich auch eine besonders sehenswerte.
Das ZDF zeigt «Der Fall Jakob von Metzler» am Montag, dem 24. September, ab 20.15 Uhr.