Im Fernsehgeschäft ist es eine Ewigkeit: Mehr als sieben Jahre ist die Comedyserie «Pastewka» nun auf Sendung und hat es in dieser Zeit auf sechs Staffeln gebracht. Am Freitag läuft die 50. Folge des Formats, das für den Sender Sat.1 so ungewöhnlich ist wie kaum ein anderes. Beispiel gefällig? «Pastekwa» hat seit seinem Start im September 2005 solche schnelllebigen TV-Trends überdauert wie die Impro-Comedy und die Sketch-Sendungen im Stile von «Ladykracher», war fast die einzige Konstante am Sat.1-Freitagabend der letzten Jahre – und hat in seiner Laufzeit sage und schreibe sieben Sender-Geschäftsführer erlebt, die alle mit ihren eigenen Formatideen mehr oder weniger große Misserfolge produzierten. Gemeinsam haben sie eines: Sie alle – ob Matthias Alberti, Guido Bolten oder zuletzt Joachim Kosack – behielten «Pastewka» im Programm.
Bezeichnenderweise startete die Serie damals als Projekt des letzten Sat.1-Geschäftsführers, der dank mehrerer länger anhaltender Erfolge auch weit über ein Jahr den Chefsessel beanspruchen durfte: Roger Schawinski, bis 2006 gut drei Jahre an der Spitze des Senders. In seine Zeit fällt das Projekt «Pastewka», das damals als Comeback des Comedians Bastian Pastewka zu Sat.1 angekündigt worden war. In den Jahren zuvor hatte dieser vor allem bei RTL gearbeitet, mit der Sketch-Comedy «Ohne Worte» und Reise-Reportagen. Doch das Angebot, eine Serie über sein fiktives Ich machen zu dürfen, konnte Bastian Pastewka nicht ausschlagen – schon gar nicht bei Sat.1, dem Sender, dem er mit der «Wochenshow» seinen Aufstieg zu TV-Star zu verdanken hatte. Die Rückkehr des „verlorenen Sohnes“ war besiegelt und sollte Sat.1 in den Folgejahren eine Rose d’Or sowie eine Nominierung für den Adolf-Grimme-Preis bescheren.
«Pastewka» erschien von Anfang an als klassische Comedy mit Sitcom-Elementen: einer Familie um Bastian mit Vater Volker, Bruder Hagen und seiner Tochter Kim; einer nervenden Nachbarin; einer alkoholkranken Agentin und einer Frau, die Bastian über alles liebt. So weit, so stereotyp. Zu einer ganz besonderen Serie macht «Pastewka» aber die Prämisse, dass Bastian sich selbst spielt – also einen prominenten deutschen Comedian, der in der Öffentlichkeit des Alltags immer wieder kuriose Situationen erlebt. Die Serie stellt dar, wie der Otto-Normalbürger Pastewka auf den TV-Star Pastewka trifft. Und wie dieser sich nicht nur in seiner mitunter nervenden Familie zurechtfindet, sondern auch im Mikrokosmos des Mediengeschäfts, das seine ganz eigenen Gesetze schreibt. Angereichert mit zahlreichen Gastauftritten wie von Hugo Egon Balder, Oliver Welke oder Anke Engelke ergibt diese Mischung eine hervorragende Fernsehunterhaltung.
«Pastewka» lebt aber keinesfalls nur von den Darstellern um den grandiosen Bastian Pastewka, dem sein Talent für Situationskomik in jeder einzelnen Szene so leicht und mühelos gespielt erscheint. Nein, das Format lebt auch von den hervorragenden Drehbüchern, an denen der Comedian ebenfalls mitwirkt. Als weitere regelmäßige Autoren sind Chris Geletneky dabei, der unter anderem an der urkomischen Volksmusik-Parodie «Fröhliche Weihnachten» schrieb, und Sascha Albrecht, der an vielen Folgen der neueren «Ladykracher»-Staffeln mitwirkte. Dieses Team erfindet immer wieder abstruse Geschichten für die Serienfigur Pastewka: ob billige Werbetrailer für das japanische Fernsehen zu drehen, als Sportmuffel an einem Charity-Marathon mitzuwirken, im schwedischen Möbelhaus-Restaurant sich über die Anzahl der Fleischbällchen zu beschweren, durch Halluzinationen die TV-Figur Bernd das Brot zum Leben zu erwecken – oder durch seine Fernsehsucht seine Freundin Anne so zur Weißglut zu treiben, dass diese die Beziehung zeitweise sogar aufkündigt. Bastian Pastewka erlebte in seiner Serie wahrlich alle Höhen und Tiefen. Und doch erscheint das Format keineswegs zu Ende erzählt, wirkt immer noch frisch – was auch an der gemächlichen Dosierung liegen dürfte, mit der «Pastewka» auf die Bildschirme kommt.
Ähnlich macht es die US-Serie «Curb Your Enthusiasm», die Vorbild von «Pastewka» ist und es in zwölf Jahren auf bisher acht Staffeln gebracht hat. Serienerfinder der witzigen Selbstdarstellerei ist Larry David, der unter anderem den Sitcom-Hit «Seinfeld» kreierte und in «Curb» eine fiktive Version seines Fernsehmacher-Ichs spielt. Weil die Serie beim Pay-TV-Sender HBO läuft, darf David deutlich experimenteller agieren als «Pastewka»: In «Curb» werden die Dialoge improvisiert, lediglich der grobe Storyrahmen ist den Darstellern bekannt. Die Kamera lässt das Format eher wie eine dokumentarische Mockumentary erscheinen denn eine normale Comedyserie. Und schließlich darf bei «Curb» – wie im wahren Leben – richtig geflucht werden, der fehlenden Altersrestriktionen bei HBO zu Dank. So wirkt das Format kaum mehr wie einer fiktionale Serie, sondern noch authentischer – trotz teilweise noch abstruserer Geschichten als bei «Pastewka».
Dennoch würde wohl niemand hierzulande diese Serie eintauschen wollen gegen das US-Format: Denn dieser Pastewka, mit all seinen Marotten und sympathischen Fehlern, mit seinen wahnsinnig komischen Freunden und Verwandten, mit seinem Unverständnis gegenüber manchen heimischen Tugenden und Pflichten, dieser Pastewka gehört ins deutsche Fernsehen wie kaum ein anderer. Und niemand sonst könnte sich selbst so gut spielen wie er, der mit «Pastewka» seine wahre Paraderolle gefunden hat.