360 Grad

Es kommt noch dicker

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Zum vierten Monat in Folge droht Sat.1 ein einstelliger Zielgruppenmarktanteil. Ein Kommentar von Julian Miller.

Tod und Verderben bei Sat.1. Nein, nicht nur im Programm, sondern auch hinter den Kulissen. Schmidt weg, Fußball weg, Relevanz weg. Was bleibt sind Britt, Hold und Kallwass. Und Wolke Hegenbarth im Fat-Suit, deren Quoten sich aber von Woche zu Woche mehr in Richtung Magersucht bewegen.

Auch am Nachmittag bröselt es mittlerweile bedenklich. So sehr, dass man hier gleich eine neue Baustelle aufreißt. Wenn nichts mehr geht, ist die Zeit für Aktionismus gekommen. Fake-Niedrig und Fake-Kuhnt gehen in die Herbstpause, während Fake-Hold und Fake-Kallwass nach langen Jahren ihre angestammten Sendeplätze räumen müssen. Zum Nachmittags-Line-Up hinzu stößt eine weitere Folge der «Familienfälle», die bisher keine zufriedenstellenden Werte einfahren, und ein neues Format namens «Pures Leben», gefolgt von «Nachbar gegen Nachbar», das bis auf einen Ausreißer in den mittleren zweistelligen Marktanteilsbereich in der Zielgruppe ebenfalls nur einstellige Quoten erreichte. Irgendwas muss man eben senden, wenn «Bauer sucht Frau», pardon, «Land sucht Liebe» ausgelaufen ist.

Zum vierten Mal in Folge droht Sat.1 im September, wieder einen lediglich einstelligen Zielgruppenmarktanteil einzufahren – so dreckig ging es dem Sender noch nie. Die Ausgangsposition für den neuen Geschäftsführer Nicolas Paalzow könnte kaum schlechter sein – oder kaum besser, wenn man bedenkt, dass es schlimmer eigentlich kaum noch kommen kann.

Nachdem man im letzten Fernsehjahr mit nahezu jedem neuen Format völlig baden ging, sollten es nun die neuen Serien richten. Zwei von ihnen, «Es kommt noch dicker» mit Wolke Hegenbarth in der Hauptrolle und «Auf Herz und Nieren», sind bereits gestartet. Hegenbarths Serie ist von den Zuschauern angesichts durchaus passabler Werte in der ersten Folge zumindest eine Chance gegeben worden. Aber aufgrund der von Woche zu Woche schwindenden Einschaltquoten kann man nicht davon sprechen, dass die Zuschauer mit dem Format zufrieden waren. «Auf Herz und Nieren» hatte es im Slot nach der Dicken-Comedy schon deutlich schwerer – und floppte gleich mit der ersten Folge.

Zwei neue Serien, «Familie Undercover» und «Der Cop und der Snob» starten erst Ende nächsten Monats. Angesichts der relativen Erfolglosigkeit der beiden bereits ausgestrahlten neuen Serien dürften die Quotenhoffnungen in München jedoch nicht allzu hoch sein.

Im fiktionalen Bereich scheinen bei Sat.1 also nur die narrativ und darstellerisch wirklich gelungenen Serien angenommen zu werden: «Der letzte Bulle» und «Danni Lowinski». Die Ausnahme «Pastewka» bestätigt die Regel – hier kommt aber schon der gewählte Sendeplatz fast einer Kapitulation gleich. Ein Schelm, wer dahinter eine „Für-die-Deutschen-zu-hoch“-Denke vermutet.

Was für die Deutschen nicht zu hoch ist, sind «Auf Herz und Nieren» und Hegenbarth in pummelig. Und natürlich Britt, Hold und Kallwass. Wer solche Sendergesichter hat, ist schon lange eine Parodie auf sich selbst geworden. Merke: Wenn Fiction für die Hälfte geht, sieht sie auch so aus.

Vermutlich zählt man bei Sat.1 schon die Tage bis zum 18. Oktober rückwärts. Denn dann startet die zweite Staffel von «The Voice of Germany», die nach dem Aus von «Unser Star für Baku» neben «X-Factor» einzige seriöse Casting-Alternative zur RTL-Vorführshow-Dominanz. Zwar mit weniger großen Namen als Thomas Gottschalk, aber dafür mit Jurypersonal, das auch etwas von dem versteht, was es beurteilen soll. Zumindest ein Format, bei dem Sat.1 alles richtig gemacht hat.

Das Nachmittags- und Vorabendprogramm offenbart indes etwas anderes – schließlich kommen die Assi-Show-Abklatsche «Auf Brautschau im Ausland» und «Land sucht Liebe» «Traumfrau gesucht» bzw. «Bauer sucht Frau» inhaltlich doch verdächtig nahe. Aber Hartz-IV-TV mit Hartz-IV-TV zu bekämpfen, ist wohl ähnlich sinnvoll wie einer Überflutung dadurch beikommen zu wollen, indem man alle Wasserhähne aufdreht. Vor allem, wenn die Konkurrenz, so zumindest das Klischee, an dem man dort auch selbst schuld ist, zu einer Art Mekka des Hartz-IV-TVs verkommen ist.

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