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Das also war die erste Schwierigkeit, die Macher Robert Doherty («Ringer») zu lösen hatte. Das ist ihm gelungen, mit dem Nachteil, dass die Serie so gut wie nichts von dem hat, was eben das britische «Sherlock» so besonders macht. Verehrer der BBC-Produktion dürften deshalb durch die Bank weg enttäuscht sein. Dabei fängt die knapp 48 Minuten lange Pilotepisode durchaus ansehnlich an: Mit einer Zeitlupenstudie eines zerberstenden Glases und mit einer Hand, die über den Boden wischend Blut verteilt. Kurz darauf eine Rückblende, eine Frau, die eilig vor ihrem Peiniger flieht – und immer wieder in Großaufnahme deren Hand.
Hätte die gesamte Serie die Intensität der ersten Sekunden, gäbe es kaum etwas zu meckern. Direkt danach führen die Macher ihre Protagonisten ein. Da wäre Sherlock Holmes, abgesetzt im New York der Neuzeit. Holmes bekommt Besuch von Dr. Joan Watson, die in der Drogentherapie tätig ist. Holmes nämlich kam nach Amerika, um eine Entziehungskur zu machen – zuletzt in Diensten des Scotland Yard war der begnadete Ermittler den Drogen verfallen. Holmes steht direkt in der ersten Szene mit nacktem Oberkörper von einer Vielzahl von LED-Flatscreens – später ist er im New Yorker Nachtleben zu sehen. Angekommen ist er also.
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Dabei findet die junge Frau erstaunlich schnell Gefallen an dieser Arbeit, die selbstverständlich spannender und abwechslungsreicher ist als auf ehemalige Junkies aufzupassen. In «Elementary» aber erfolgt diese Entwicklung – aus der Not heraus – zu schnell. Schon nach gut 20 Minuten hat Watson ein so klares Bild von der Arbeit, dass sie sich sogar für das etwas rüpelhafte Vorgehen von Holmes im Umgang mit Zeugen und Angehörigen entschuldigt.
Besonders bemüht waren die Produzenten, immer wieder zu unterstreichen, dass Kult-Ermittler Holmes nun im Jahr 2012 angekommen ist. Man merkt förmlich wie es ihnen Spaß macht, den Detektiv mit iPhones hantieren zu lassen – das aber war es auch schon, was wohl der besondere Kick war. Mehr Neues bietet die Serie nämlich nicht. Vielleicht war es die Idee, dass, wenn man schon das Besondere des englischen Originals umschiffen muss, man dann wenigstens eine erfolgreiche Serie produzieren will. Wie das auf dem CBS-Sendeplatz am Donnerstag um 22.00 Uhr geht, hat über Jahre hinweg «The Mentalist» vorgemacht. Und der Eindruck täuscht keinesfalls, wenn dem Betrachter deutliche Übereinstimmungen beider Serien auffallen. Wenn Sherlock Holmes einen Tatort betrachtet, dann könnte dies auch Patrick Jane aus «The Mentalist» sein. Jane setzt auf seine Westen, Holmes hat locker einen Schal um den Hals gebunden. Sie stellen gewisse Symmetrien des Schauplatzes aber in ähnlicher Form fest – das Verhalten der beiden ist nahezu identisch.
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So gesehen hat «Elementary» gegen das britische «Sherlock» keine Chance. Wer aber auf die CBS-Krimis wie «The Mentalist» steht, der dürfte sich beim Neustart sehr gut aufgehoben fühlen. Alle anderen warten dann lieber die lange Zeit, ehe neue Folgen der BBC-Serie mit dem grandiosen Benedict Cumberbach zur Verfügung stehen.
Sat.1 startet die neue US-Serie am Donnerstag, 10. Januar 2013 und zeigt dann wöchentlich eine Folge um 21.15 Uhr.
Dieser Artikel erschien erstmals zum US-Start im September 2012.