Hingeschaut

«Wetten, dass..?» 2.0 – gewöhnungsbedürftig und gut

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Nicht nur ein neuer Moderator und ein neuer Look: Die erste «Wetten, dass..?»-Ausgabe mit Markus Lanz brach mit vielen Traditionen, hatte ungewöhnliche Momente – und war erst um 23.30 Uhr beendet. Über den Relaunch des Showklassikers…

„Wir wollen so etwas wie einen edlen Kindergeburtstag zelebrieren.“ Markus Lanz war vor ein paar Wochen im Interview mit Quotenmeter.de zuversichtlich, den Show-Klassiker «Wetten, dass..?» modernisieren zu können. Soviel sei vorweg gesagt: Dieser edle Kindergeburtstag, den Lanz sich für seine erste Sendung wünschte, wurde es nur zum Teil. Wichtig war für das neue Team allerdings eine ganz andere Frage: Ist «Wetten, dass..?» wirklich der „abgenagte Knochen“, als den Thomas Gottschalk seine ehemalige Sendung kürzlich bezeichnet hatte? Genau diese Aufgabe stand Markus Lanz an diesem Samstagabend bevor: zu zeigen, dass nicht «Wetten, dass..?» selbst der vermeintlich abgenagte Knochen ist – sondern eher Gottschalk und sein früheres Konzept der Show.

Mit Gottschalks Format ist die Lanz-Sendung aufgrund dieser dringend benötigten Frischzellenkur daher nur noch in Grundzügen vergleichbar: Neben der obligatorischen Modernisierung des Studios – inklusive hoher Showtreppe und dunklerem Design – bittet der Neue all seine Talkgäste schon zu Beginn der Sendung auf die Couch, die sogleich komplett gefüllt ist. Die Couch selbst: ein futuristisch wirkendes orange-graues Gerät, ohne Ähnlichkeit mit Gottschalks gemütlichem Stoff-Sofa. Diese neue Sitzgruppe ist um 360 Grad drehbar, sodass die Talkrunde an verschiedenen Stellen der Sendung mal vor, mal hinter und mal an der Seite des Publikums zu sehen ist. Ebenfalls neu: Die Wettkandidaten kommen zusammen mit ihren Paten ins Studio, welche selbst gemeinsam im Hintergrund in einer weiteren Loge sitzen. Bereits im Vorfeld werden die Promis mit den Wetten ihrer Kandidaten vertraut, sie stellen die Aufgaben sogar selbst vor. All dies ist gefühlt ein deutlich anderes «Wetten, dass..?» – gewissermaßen ein «Wetten, dass..?» 2.0.

Das typisch gemütliche Lagerfeuer-Gefühl, das Thomas Gottschalk bis zuletzt vermitteln konnte, stellt sich dabei unter Lanz noch nicht ein – und auch nicht die erhoffte Kindergeburtstags-Stimmung. Dies mag am etwas dunkleren und steril wirkenden Studio gelegen haben, inklusive der mobilen, nicht mehr allzu grell erstrahlenden Promi-Couch – also vielleicht einfach an dieser Umgebung, an die man sich, nach Jahren in Gottschalks TV-Zuhause, noch gewöhnen muss.

In jedem Fall ist die Stimmung zwischen den Promis auf der Couch nicht so familiär und entspannt, wie sie es sein sollte. Denn genau jene Stimmung schafft Lanz sonst in seinen täglichen Talks wie kaum ein anderer; er bringt verschiedenste Gäste miteinander ins Gespräch, bei «Wetten, dass..?» sind die Promis diesmal allerdings wenig redselig. Heißt: Lanz muss interviewen, querfragen, bohren, um seine typisch Talk-Atmosphäre punktuell zu erzeugen. Über Anekdoten-Smalltalk und kokette Nonsens-Fragen (Lanz zu Lagerfeld: „Tragen Sie Jogginganzüge?“) kommt er trotzdem kaum hinaus. Der Zuschauer ist außerdem erst einmal irritiert, dass der «Wetten, dass..?»-Moderator überhaupt an seinen Gästen interessiert und gut vorbereitet ist.

Dass aus diesem Vorteil allerdings nicht so viel Unterhaltung herausgeholt wird, wie bei Lanz gedacht, liegt wohl am eng gesteckte Zeitplan: Es gibt eine zusätzliche normale Wette; eine sogenannte Lanz-Challenge, bei der ein Publikumsgast gegen den Moderator in einer Mini-Wette antritt; mehrere komödiantische Intermezzi von Cindy aus Marzahn, die sich als Co-Moderatorin verkauft. Die neue Vitalität, die «Wetten, dass..?» insgesamt ausstrahlt, wird so zeitweise zur Hetze – trotz der ohnehin sehr großzügig veranschlagten Sendedauer von drei Stunden. Der erhoffte Lanz-Kindergeburtstag ist bei seiner Premiere schlicht zu stark durchorganisiert, lässt wenig Raum für Improvisationen.

Weil Lanz sich diesen Raum trotz des Zeitmangels aber trotzdem manchmal gewährt, wurde aus «Wetten, dass..?» doch ein unterhaltsames Stück Show. Die Kandidaten und ihre – leider meist wenig einfallsreichen – Wetten sind amüsant; die Neuerung, Promis direkt in die Aufgaben einzubinden, führt zu lustigen Momenten. Lanz selbst erntet einige spontane Lacher und wird im Laufe seiner Premiere immer besser – bis die Zuschauer schließlich fast den alten Markus erkennen, der unter der Woche am Spätabend für gute Laune sorgt. Einen Lanz, dem man seinen Mut für dieses Engagement als «Wetten, dass..?»-Neuling ohnehin kaum genug hoch anrechnen kann und der angesichts der hohen Erwartungen seine erste Sendung gut meistert. Erst zum Schluss wird es – der Zeitmangel lässt grüßen – wieder hektisch und ungemütlich; das Ende mit der Kür des Wettkönigs und anschließender Abmoderation wirkt fast wie ein Sendungsabbruch.

Im entspannteren, gewitzten Mittelteil der Lanz'schen Feuertaufe war also das große Potenzial des zunächst gewöhnungsbedürftigen «Wetten, dass..?» 2.0 versteckt: Wenn der neue Gastgeber in seine Rolle ideal hineinwachsen kann, erwartet uns Zuschauer im nächsten Jahr eine Samstagabend-Show mit unterhaltsamen und längeren Gesprächen zwischen unterschiedlichsten Prominenten, mit intimerer Lagerfeuer-Atmosphäre und mit Wettkandidaten, die noch mehr als diesmal in die Sendung eingebunden werden. Und schließlich mit einem Moderator, der Gottschalks Altlasten komplett abgelegt hat und jede Sendung überraschend, etwas interaktiver mit Publikum und Wettkandidaten präsentiert. Dazu müssen sich die Zuschauer aber überhaupt erst einmal auf die durchaus radikalen Änderungen einlassen, die hier präsentiert wurden – ob sie dies tun, werden die Quoten der nächsten Shows zeigen.

Eine Tradition behielt Markus Lanz immerhin auch mit dem neuen «Wetten, dass..?» bei: Er überzog die Sendung, diesmal um eine knappe Viertelstunde. Ein guter Kindergeburtstag darf ruhig mal etwas länger dauern.

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