Sonntagsfragen

'Die forcierte Unterforderung des Publikums grenzt an Verachtung'

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Sonntagsfragen an Benjamin von Stuckrad-Barre: Ab Donnerstag talkt er nun im Privatfernsehen bei Tele 5. Mit uns spricht er über Werbefreiheit in seiner Sendung, über RTL II und die Qualität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Vom öffentlich-rechtlichen ZDFneo nun zu Tele 5. Wer sich nicht intensiv mit den Programmankündigungen befasst, wird zunächst einmal aufschreien. Was unterscheidet Tele 5 von anderen Privatsendern?
Grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privatsendern, ist unnötig. Als Zuschauer – und auch als Akteur – interessiert mich nur die Unterscheidung zwischen guten Sendungen und schlechten. Beide Senderformen bieten sowohl gutes als auch schreckliches Fernsehen an, als Zuschauer sucht man sich sein persönliches Programm zusammen. Wer nichts findet, sucht einfach nicht gut genug.

Tele 5 will ja mit guter Unterhaltung nun gute Zuschauerzahlen haben. Bei großen Sendern wie Sat.1 oder RTL hat man oft das Gefühl, dass man guter Unterhaltung nur noch selten etwas zutraut…
Mein Eindruck ist, dass die ganz zufrieden sind mit ihrem Programm. Anders kann man es sich kaum erklären. Die permanente, ja die forcierte Unterforderung des Publikums, die sich äußert in gezielter Verblödung, grenzt häufig schon an Publikumsverachtung, das ist wahr. Aber das ist auch beim Hauptprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender die Regel.

Was wird sich an Ihrer Sendung im Vergleich zur neo-Zeit ändern?
Wenig. Eigentlich gar nichts. Die Kulisse sieht ein bisschen anders aus, und wie von Beginn an wird sich das Format auch weiterhin organisch fortentwickeln, einfach, indem wir aus Fehlern lernen – und begeistert neue Fehler machen. Das Grundprinzip ist und bleibt sehr einfach: Der Gast ist immer ein Politiker, mit dem wird 45 Minuten lang gesprochen und gespielt. Die Sendung handelt ausschließlich von Politik, die wir aber mit den Mitteln der Unterhaltung so aufbereiten, dass uns dabei nicht langweilig wird.

Werden Ihre Sidekicks mit zu Tele 5 ziehen, gibt es da vielleicht sogar Zuwachs?
Es sind ab jetzt fix jedes Mal dabei zwei erprobte Freunde der Sendung, nämlich Markus Feldenkirchen vom „Spiegel“ und Nikolaus Blome von der „Bild“-Zeitung. Sie bilden den Presseclub, sind als Korrektiv, als personifizierte Vierte Gewalt jederzeit ansprechbar oder grätschen auch von selbst rein, um mich oder den Gast zu berichtigen. Und weil ja „Spiegel“ und „Bild“ nun nicht in allen Fragen immer einer Meinung sind, entsteht daraus schon mal eine gute Grundspannung. Die beiden kennen sich wirklich aus, das verschafft mir den Freiraum, kein Expertentum vorgaukeln zu müssen zu Fragen etwa der Lohnstückkosten, zum Betreuungsgeld oder zur Zusatzrente.

Sie tauchen im Rahmen einer Programmoffensive von Tele 5 mit Ulmen, Kalkofe und Rütten auf – welche Gemeinsamkeiten haben Sie alle miteinander?
Zunächst das traumatische Erlebnis der Fotosession für ebendiese sogenannte Programmoffensive: Wir standen vor einer grünen Wand und mussten so tun, als würden hinter uns Flammen lodern, die dann nachträglich in das Foto montiert wurden. So ein Erlebnis schweißt natürlich zusammen. Mit Christian bin ich zudem seit vielen Jahren befreundet, Rütten und Kalkofe kenne ich auch schon lang und mag sie beide. Wenn man das Viererfoto von uns anguckt, mitsamt dieses Layouts, das so osziliert zwischen Werbung für „Burger King“ und „Media Markt“, dann macht das gute Laune, finde ich – man denkt: Wow, was für eine Trümmertruppe. Herrlich.

Welche Zuschauerzahlen erhoffen Sie sich? Spielen diese für Sie überhaupt eine Rolle?
Der Senderchef sagt, die bloße Zahl sei für ihn nicht das vorrangige Kriterium dafür, ob die Sache als gelungen zu betrachten ist. Sagen Senderchefs so was immer? Egal, diesem glaube ich es. Kai Blasberg vermittelt mir glaubwürdig den Eindruck, dass er wirklich Lust hat auf genau diese Sendung. Und unsere gemeinsame Hoffnung ist natürlich, dass die Show vielen Leuten gefällt, vor allem auch solchen, die sich vom üblichen Fernsehprogramm häufig nicht angesprochen fühlen. Das ist das Kriterium.

Woher rührte die Entscheidung, trotz des Wechsels ins Privatfernsehen auf Werbeunterbrechungen zu verzichten. Wieso finden Sie das auch wichtig?
Eine Idee des Senderchefs. Ich hatte darüber noch gar nicht nachgedacht, wäre aber zum selben Ergebnis gekommen und freue mich, dass es ohne Werbung geht. Eine Unterbrechung würde den Fluss stören, die Dramaturgie töten. Mich machen Werbeunterbrechungen immer aggressiv, vor allem, wenn die Werbung lauter ist als das Programm. „Und jetzt Werbung“ heißt, wie jeder weiß, doch nichts anderes als: Bitte umschalten, Bier holen oder pinkeln gehen – bei RTL II dann sogar pinkelnd Bier holen gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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