Inhalt:
Tristan ist ein Träumer. Selbst mit Mitte 30 ist es ihm noch nicht gelungen, sich aus den Fängen seiner außergewöhnlich dominanten Mutter zu lösen. Mit Hilfe seiner Therapeutin versucht Tristan ziemlich erfolglos, seine diversen Ängste zu überwinden, die scheinbar aus dem übersexualisierten Umfeld resultieren, das ihn seit frühester Kindheit geprägt hat. Anstelle der Sexspielzeuge, die seine Mutter in ihrem Unternehmen seit vielen Jahren sehr erfolgreich herstellt und vertreibt, würde er gerne Puppenhäuser produzieren. Aber seine resolute Mutter verbucht seine Ideen als pubertäre Fantastereien und blockiert jeden Vorstoß in diese Richtung. Als seine Mutter die Diagnose einer schweren Krankheit erhält, wächst in Tristan die Hoffnung, dass er in absehbarer Zeit die Leitung des Unternehmens übernehmen und die Produktion umstellen könnte. Er blüht förmlich auf. Aber der Traum währt nur kurze Zeit, denn es stellt sich heraus, dass seine Mutter eine Fehldiagnose bekommen hat - sie erfreut sich bester Gesundheit und wird wohl noch viele Jahre über das Schicksal des Unternehmens und damit auch über das ihres Sohnes Tristan bestimmen.
Tristan ist am Boden zerstört, aber immerhin ist ihm jetzt eines klar geworden: Mutter muss weg! Das ist natürlich leichter gesagt, als getan. Tristan kann keinem Tier ein Härchen krümmen, und nun soll er seine Mutter beseitigen? Es muss professionelle Hilfe her: ein Auftragskiller!
Darsteller:
Bastian Pastewka («Der Wixxer», «Pastewka») ist Tristan Fromm
Judy Winter («Ein Fall für zwei», «Neues vom Wixxer») ist Hannelore Fromm
Karoline Eichhorn («Der kleine Mann», «Tatort») ist Frau Dr. Korff
Albert Kitzl («Absolute Giganten», «Dreiviertelmond») ist Josip
Beata Lehmann («Abschnitt 40», «Der Vorleser») ist Jutta
Kritik:
Schon der erste Blick auf die Besetzungsliste verrät, dass sich das Publikum bei einer derartigen Darstellerkonstellation auf ein Aufeinandertreffen kauziger Figuren freuen kann. Komiker Bastian Pastewka als träumerischer Sohn der großen Judy Winter: Das verspricht neben hohem Comedy-Potential vor allem einen gewissen Anspruch. Eine anspruchsvolle Komödie also. Genau als solche präsentiert sich «Mutter muss weg», trotz ihres tiefschwarzen Plots.
Die Story ist indes gar nicht so neu. Da gibt es den stillen Träumer, der unter der strengen Hand seiner Mutter mehr oder weniger zu leiden hat. Dabei verzichteten die Macher von «Mutter muss weg» darauf, diesen Teil der Thematik den Umständen entsprechend ernst darzustellen. Ansonsten hätte das strikte Mutter-Sohn-Verhältnis vielmehr die Basis für ein klassisches Drama gebildet, denn für eine Screwball-Komödie der hier dargebotenen Art. Sogar für den Horrorbereich hätte der Plotbeginn einen guten Nährboden bilden können: Sah man doch in Hitchcocks «Psycho», wohin krankhafte, innerfamiliäre Verhältnisse führen können. So aber nutzt man eine bekannte Ausgangssituation und führt sie ad absurdum, indem man sie als Basis für verschiedene Komiktypen nutzt. Dabei reiht sich Slapstick an Dialogwitz und macht dabei nur den Weg frei für pfiffige und intelligente Pointen mit Überraschungseffekt.
Verantwortlich hierfür ist ein zu weiten Teilen stimmiges Drehbuch, verfasst von niemand Geringerem als Marc Terjung, der unter anderem auch für die Bücher von Serien wie «Edel und Starck» und «Danni Lowinski» zuständig ist/war. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sich komische und tragische Elemente die Waage halten. So ist auch «Mutter muss weg» durch und durch eine Komödie, die in entscheidenden Momenten eine glaubwürdige Ernsthaftigkeit erreichen kann. Im Gegensatz zu diesem gelungenen Genrevertreter schaffen es viele andere nicht, ernste Momente ohne Holzhammereffekt zu präsentieren. Stattdessen wird gern die Moralkeule geschwungen, um augenscheinlich weniger anspruchsvollen Filmen auf Biegen und Brechen eine Sinnhaftigkeit zu verleihen.
Dankenswerterweise löst Regisseur Edward Berger diesen Konflikt intelligenter, indem er alle ernsten Momente nicht erst in der letzten Viertelstunde unterbringt, sondern schon zu Beginn das doch dramatische Potential offenbart, das sich ganz leicht durch die gesamte Laufzeit windet. Dies tut den komischen Momenten jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil: Wie auch eine Prise Salz im Kuchen den süßen Geschmack noch mehr hervorhebt, verstärkt die unterschwellige Dramatik auch hier die wohlplatzierten Comedyeinlagen. Vor allem Dank eines hervorragend aufgelegten und wie immer absolut liebenswerten Bastian Pastewka, der ohne großes Zutun aus seiner Rolle das Optimum an Sympathie herausholt, vergisst man zu keinem Zeitpunkt, in welchem Genre man sich befindet. Er schafft es sogar mal wieder, einen zu überraschen. Zeigt er doch als Mann ohne den von der Gesellschaft vorgegebenen, typischen Traumkörper, dass eine Liebesszene ohne diesen noch viel sinnlicher und natürlicher anzusehen ist. Auch Judy Winter, die neben ihren Engagements in TV-Filmen vor allem auf der Theaterbühne und als Synchronsprecherin in Jugendhörspielserien brilliert, merkt man ihren Spaß an der Rolle, die ihr wie auf den Leib geschneidert scheint, an.
Sogar in andere Genres wagt man sich kurzzeitig vor. Etwa wenn die Verhandlungen mit dem Auftragskiller in einer versifften Kneipe an eine Passage aus einem klassischen Gangsterfilm erinnert, oder der Film einen gen Ende hin fast wieder an den bereits erwähnten Hitchcock-Klassiker denken lässt. Doch nicht nur in diesen kleineren Momenten kann sich der Streifen aus seinem augenscheinlichen Komödien-Korsett befreien. «Mutter muss weg» entwickelt mit jeder Minute eine immer spürbarere und immer bedrohlichere Sogkraft. Der Zuschauer mag dies schnell realisieren, die Gründe dahinter jedoch erst in Erfahrung bringen, wenn das abstruse, jedoch nicht minder geniale Finale über ihn hereinbricht. Im Stil schwarzer, britischer Komödien wird einem das ganze Ausmaß der Boshaftigkeit erst während des Abspannes bewusst, womit der Streifen einer der wenigen ist, der hierzulande so in der Art keinen ebenbürtigen Genrekollegen vorweisen kann.
Zumindest optisch traut sich «Mutter muss weg» allerdings dann doch nicht allzu viel. Im Gegenteil: Das Hotel, dass die gesamte Laufzeit über die Kulisse bildet, erinnert ein wenig an typisches Traumhaus-Flair britischer Kitsch-Schmonzetten. Zu diesem „Heile Welt“-Empfinden trägt auch die doch relativ lahme Musikuntermalung bei, sowie eine reichlich dröge Kameraführung und Schnitttechnik. Hierbei mag zu keinem Zeitpunkt ein wirklich hohes Tempo aufkommen. Das führt unweigerlich zu Längen und dazu, dass sich der Gedanke einstellt, dass man – hätten die Macher auch nur ein klein wenig mehr aufs Gas gedrückt – noch mehr Witz im Film hätte unterbringen können, ohne den Streifen dabei zu überladen. Dass sich das Tempo zum dramaturgisch notwendigen Höhepunkt Richtung Ende des Films doch noch steigert, ist dagegen natürlich üblich, passend, wäre aber ohne den nahezu bahnbrechenden Plottwist nicht sonderlich revolutionär. Storytechnisch ist das Finale jedoch äußerst pfiffig und wartet mit einem, im wahrsten Sinne des Wortes, Mörder-Twist auf, der seinen Schwerpunkt im Psycho-Bereich findet und auf dieser Ebene selbst für erfahrene Zuschauer wohl kaum zu erahnen war.
Zusammengefasst ist «Mutter muss weg» auf den ersten Blick unterhaltsame Komödienunterhaltung. Erst mit dem Abspann jedoch offenbart sich der wahre Charakter dieses unvergleichlichen Psycho-Films mit Mund-offen-Garantie. Vor allem Dank der Darsteller – allen voran natürlich Bastian Pastewka und Judy Winter als sich hassliebendes Mutter-Sohn-Gespann – kann der Streifen ohne jeden Zweifel als absolut gelungen bezeichnet werden, und wird in jedem Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Das ZDF zeigt «Mutter muss weg» am Donnerstag, den 18. Oktober um 20:15 Uhr.