Inhalt
Zwei Frauen, die eine Liebesbeziehung miteinander führen, Isabella und ihre jüngere Assistentin Sandra, leiten eine Drückerkolonne, die sich zur Aufgabe gemacht hat, kanadische Robbenbabys vor dem Abschlachten zu bewahren - bei hohen Provisionen. Längst haben Arbeitslosigkeit und Insolvenz auch Handwerker und Akademikerkreise erreicht. Sie treibt die Hoffnung an, mit schnell verdientem Geld wieder auf die Beine zu kommen. Wer angeheuert wird, wird auf Erfolg getrimmt.
Die Münchner Hauptkommissare Franz Leitmayr und Ivo Batic stoßen nach dem Fund einer männlichen Leiche in einem verbrannten Auto mit Hilfe ihres frisch installierten Polizeianwärters Fechner auf winzige Filmschnipsel, gerettet von einem verschmorten MP3-Player. Fechner erweist sich als unentbehrlich. Doch er entpuppt sich nach und nach als junger Mann mit zwei Gesichtern.
Ivo Batic lässt der gewaltsame Tod des Opfers keine Ruhe. Um Eingang in die hermetisch abgeschottete Kolonne zu finden, in der sektenartige Zustände herrschen, bewirbt Batic sich spontan als Türspendensammler. Er wird angenommen und agiert fortan als „verdeckter Ermittler", wenn auch nicht vom Dienstvorgesetzten abgesegnet. Von nun an ist er für Leitmayr nicht mehr erreichbar, denn den selbsternannten Tierschützern und Drückern wird der Kontakt zur Außenwelt in jedweder Hinsicht erschwert oder gar unmöglich gemacht. Und das nicht grundlos, denn das richtige Geschäft um das ganz große Geld handeln die zwei ungewöhnlichen Frauen untereinander aus. So glauben sie zumindest.
Darsteller
Miroslav Nemec («Zur Sache, Lena!») als Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
Udo Wachtveitl («Richterin ohne Robe») als Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr
Maximilian Schafroth («Wer's glaubt, wird selig») als Fechner
Nina Proll («Tarragona») als Isabella
Mina Tander («Zeiten ändern dich») als Sandra
Florian Karlheim («München 7») als Rupert Hoferer
Anna Böger («Morgen räum' ich auf») als Vera
Kritik
Batic und Leitmayr gehören neben dem Ludwigshafener Team um Odenthal und Kopper zu den dienstältesten noch aktiven «Tatort»-Kommissaren. Nach über sechzig Folgen in mehr als zwanzig Jahren ist es natürlich nicht mehr so einfach, die Reihe frisch zu halten. Doch auch die neue Ausgabe hat mit einem starken Plot, einer dynamischen Erzählweise und zwei interessanten Hauptfiguren deutliche Pluspunkte vorzuweisen.
Aber nicht alles kann in der jüngsten «Tatort»-Folge aus der bayerischen Landeshauptstadt überzeugen. Zu klischeehaft wirkt da etwa der neue Kollege im Team: Fechner heißt er, ist jung und zielstrebig, dabei aber schon ganz schön kauzig und kann vor allem im Büro glänzen, wenn er Daten von verkokelten USB-Sticks retten muss. Außendienst ist nicht seine Stärke. Dafür ist er zu trottelig. Und diese Trotteligkeit ist es letztlich, die die Drehbuchautoren Fred und Léonie-Claire Breinersdorfer maßlos überstrapazieren und aus ihrer neuen Figur über weite Teile des Films wenig mehr als eine Karikatur machen.
Das fällt umso deutlicher auf, da man mit Batic und Leitmayr zwei sehr markante Protagonisten hat, deren Konflikte und Eigenheiten nach all den Jahren mittlerweile ziemlich gut sitzen. Auch ihre Darsteller Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl haben sich schon seit langem sehr schön aufeinander eingespielt. Da kann Maximilian Schafroth zwar in manchen Szenen durchaus zeigen, dass er nicht gänzlich untalentiert ist – mehr erlaubt seine überzeichnete Figur jedoch nicht.
Doch auch abseits des neuen Protagonisten gibt es einige überzogene Momente, die aus der Dynamik reißen und als unangenehm plumpe Ausrutscher ins Negative auffallen. Häufig geschieht das, wenn Mina Tander in ihrer Rolle der intellektuell etwas beschränkten Betrügerin auftaucht, deren Geliebte über Leichen geht. Zu forciert wirkt das, was Tander hier zusammenspielt, zu unausgegoren, zu platt und letztlich leider völlig nichtssagend. Da das Drehbuch mit ihrer Figur jedoch wenig mehr vorhatte, als sie eine kleine Projektionsfläche zur Brechung der Skrupellosigkeit ihrer Partnerin Isabella sein zu lassen, ist das aber sicherlich nicht allein ihre Schuld.
Ohnehin: Diese beiden Figuren hätte man klarer führen müssen. Denn oft wirkt die Handlung den beiden Charakteren übergestülpt und entwickelt sich nicht aus ihnen heraus. Das trübt den Gesamteindruck erheblich, gelingt dies bei den beiden Hauptprotagonisten schließlich deutlich besser. Doch bei den Widersacherinnen sind die Handlungsmotive stellenweise zu unklar entworfen, ist alles auf Eskalation aus, um auf Eskalation aus zu sein, was dramaturgisch raffinierter hätte gelöst werden müssen.
Spektakulär ist der neue Münchener «Tatort» wahrlich nicht. Eher solides Krimihandwerk mit einigen Defiziten und ohne die markanten Figuren oder individuellen Stimmungsfärbungen der Wiener, Dortmunder oder Münsteraner Kollegen. In diesen Tagen kann der «Tatort» deutlich mehr.
Das Erste strahlt «Tatort: Ein neues Leben» am Sonntag, den 28. Oktober 2012, um 20.15 Uhr aus.