Wo landen eigentlich unsere GEZ-Gebühren? Welche Sender verwenden ihre Einnahmen am sinnvollsten? Wo bekomme ich am meisten für mein Geld oder meine investierte Zeit? Solche Fragen sind selbstverständlich rein subjektiv zu beantworten – aber die Geschäftsberichte der Fernsehkonzerne geben Aufschluss darüber, wo man was für das eigene Programm tut und wo vielleicht nur gespart wird, beispielsweise zugunsten der Aktionäre. Und es fällt auf: Nicht diejenigen, die vermeintlich am erfolgreichsten sind, haben die größten Umsätze.
Im Privatfernsehen ist der Werbemarkt für den Großteil der Umsätze zuständig, bei der RTL Mediengruppe Deutschland beispielsweise zu mehr als 85 Prozent. Für Außenstehende zunächst überraschend: SevenOne Media, der Vermarkter der ProSiebenSat.1-Gruppe, generierte im Jahr 2011 mit Abstand die höchsten Zahlen: Die Bruttowerbeumsätze lagen bei mehr als 4750 Millionen Euro, Konkurrent IP Deutschland für die RTL-Sender kam auf 3818 Millionen – und dies, obwohl die Marktanteile der Sender nicht allzu weit auseinander liegen (IP Deutschland vermarktet nicht den Sender RTL II). Beide Gruppen pendeln somit um kumulierte Quoten von 30 Prozent bei den werberelevanten 14- bis 49-Jährigen.
Zuletzt verschoben sich zudem leicht die Kräfteverhältnisse bei den Werbeumsätzen: Laut Forschungsinstitut Ebiquity hat SevenOne Media im ersten Halbjahr 2012 kräftig zugelegt, während IP Deutschland dagegen ein leichtes Minus gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnete – was vor allem an den sinkenden Quoten bei Marktführer RTL liegen dürfte. Doch auch ProSieben und Sat.1 haben gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht eingebüßt, die Werbeumsätze sprudelten trotzdem so gut wie zuletzt selten.
Ein Grund für die hohen Zahlen bei SevenOne ist die zunehmende Fokussierung auf sogenannte Media-for-Equity-Geschäfte, bei denen – vereinfacht ausgedrückt – Unternehmensanteile gegen Werbezeiten getauscht werden. Gleiches gilt für Media-for-Equity-Geschäfte, wo Umsätze von Unternehmen im Tausch gegen Werbezeiten an SevenOne fließen. Dieses relativ krisensichere Modell wird durch die im Frühjahr 2011 gegründete Tochter SevenVentures betrieben, die dadurch bereits zahlreiche Firmen übernommen hat: darunter Internetanbieter wie Preis24.de, trivago oder zalando – daher kommen auch die zahlreichen Werbespots solcher Firmen bei ProSiebenSat.1-Sendern. Solche Geschäfte funktionieren meist für beide Seiten: Junge Unternehmen bekommen die Chance, sehr rabattiert vor einem großen Publikum zu werben und steigern dadurch ihre Bekanntheit und bestenfalls die Umsätze. Diese wiederum gehen an die Sender selbst, die ohnehin überschüssige Werbezeiten möglichst gewinnbringend füllen, sich durch Unternehmensbeteiligungen unabhängiger vom volatilen Werbemarkt machen und letztlich ihre Umsätze aufbessern.
Im deutschsprachigen Free-TV investierte ProSiebenSat.1 über 930 Millionen Euro in das Programm, darunter der Erwerb von Lizenzen und die Produktion von Auftragsformaten. Unter diese Investitionen fällt auch die Expansion des Tochterunternehmens Red Arrow Entertainment, das internationale Produktionsfirmen kauft, darunter in den wichtigen TV-Märkten Großbritannien und USA. Auch die RTL Group, zu der die RTL Mediengruppe Deutschland gehört, tätigte 2011 zahlreiche Übernahmen, vor allem im internationalen Bereich. Allerdings floss kaum Geld in Programmeinkäufe oder neue Lizenzen: 79 Millionen investierte Euro weist der Finanzbericht des vergangenen Jahres hier auf.
Einfacher ist die Geschäftslage beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das zu über 85 Prozent durch GEZ-Gebühren finanziert ist: Die Sender sind hier nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern investieren ihre kompletten Einnahmen – beispielsweise in das Programm, in Personal, in neue Technik und Medien. 2011 lagen die verwendeten Gesamterträge aus Rundfunkgebühren bei über 7,5 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein die bei den großen zwei Werbevermarktern SevenOne Media (ProSiebenSat.1) und IP Deutschland (RTL) erzielten Bruttowerbeumsätze lagen 2011 gut eine Milliarde Euro höher.
Das oft hervorgebrachte Argument, das GEZ-Geld werde sinnlos verpulvert, kann hier ambivalent betrachtet sehen: Immerhin werden von unseren Gebühren neben dem Ersten und dem ZDF auch zahlreiche dritte Programme wie WDR, viele Digitalsender wie ZDFneo und EinsFestival sowie mehr als 50 Radioprogramme finanziert – weit mehr als bei den Privatkonzernen. Allerdings scheint die Annahme zu stimmen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender trotz der hohen Einnahmen einen zu großen Verwaltungsapparat besitzen: Die Personalaufwandsquote, welche die Umsatzerlöse von Unternehmen mit den Personalkosten in Relation setzt, lag bei ProSiebenSat.1 im vergangenen Jahr bei 12,5 Prozent. Die ARD gab knapp 35 Prozent ihrer Einnahmen aus GEZ-Gebühr und Co. an das Personal aus – fast ein Drittel dieser Personalaufwendungen fließen mittlerweile in die Altersversorgung früherer Mitarbeiter. Zieht man diese ab, liegt die Personalaufwandsquote aber immer noch bei mehr als 24 Prozent. Andererseits fließt auch deutlich mehr Geld in neues Programm als bei Privatsendern.
Letztlich machen es sich manche Argumentationen für oder gegen die Fernsehgebühren zu einfach – wenn Privatsender erklären, mit den hohen GEZ-Geldern werde schludrig umgegangen, ist dies angesichts des eigenen qualitativ minderwertigen Programms und des Gewinnstrebens eher scheinheilig. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender müssen etwas besser haushalten, ohne Programmqualität einzubüßen. Die Weisheit liegt wohl in der Mitte: Beide Geschäftsmodelle – privat und öffentlich-rechtlich – sollten ein wenig voneinander lernen.